ParlamentRegierung legt Stabilitäts- und Reformprogramm vor

Parlament / Regierung legt Stabilitäts- und Reformprogramm vor
Dank verschiedener Maßnahmen ist Luxemburg ein Musterschüler in Europa, was Inflationsrate und Arbeitslosigkeit angeht Foto: Editpress/Alain Rischard

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Die Regierung hat gestern dem Parlament das Stabilitäts- und Wachstumsprogramm (PSC) sowie das Nationale Reformprogramm (PNR) vorgelegt. Es ist dies eine alljährliche Pflichtübung der EU-Länder, der Kommission im April ihre jeweiligen PSC und PNR vorzulegen.

Sie dient der Koordinierung der Wirtschafts- und Finanzpolitiken in der EU. Die nationalen Programme werden in Brüssel auf die Wahrung der Stabilitätskriterien geprüft, anschließend werden den nationalen Regierungen Änderungsvorschläge unterbreitet. Sechs Monate vor den Legislativwahlen nutzten Finanzministerin Yuriko Backes (DP) und Wirtschaftsminister Franz Fayot (LSAP) die Gelegenheit für eine umfassende Bilanz der Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik der Regierung.

Dank der Tripartite-Maßnahmen zur Abfederung der Folgen der rezenten Krisen gehe es dem Land besser als ursprünglich erwartet, so Finanzministerin Backes. Die Inflationsrate sei die niedrigste in der EU, niedrig sei auch die Arbeitslosigkeit, das Vertrauen der Konsumenten liege auf Vorkriegsniveau. 2022 seien rund 17.000 neue Jobs geschaffen worden, und das in Krisenzeiten, betonte sie. Mit den Maßnahmen unterstütze die Regierung jene, die am meisten Hilfe bräuchten. Der Sozialdialog funktioniere, den Betrieben sei Planungssicherheit garantiert. Der Standort Luxemburg bleibe auch in Zukunft attraktiv.

Den PSC bezeichnete Backes als eine erste Zwischenbilanz, nach der Budgetvorlage vom Dezember. Es sieht nicht nach einem kurzfristigen Ende der Aggression Russlands gegen die Ukraine aus. Ein Lichtblick sei jedoch, dass schnell Alternativen zum russischen Gas gefunden wurden und der Winter milder war. Das helfe, den nächsten Winter vorzubereiten. Ende des Jahres wird laut Statec noch eine dritte Indextranche fällig. 2024 sei ein Inflationsschock nicht auszuschließen, wenn der Energiepreisdeckel Ende 2023 auslaufen wird. Von daher auch die Bedeutung der in der März-Tripartite 2023 beschlossenen Maßnahmen. Deren Impakt spiegele sich erstmals im PSC wider, so Backes. Zwar würden diese Maßnahmen kosten, nichts tun wäre jedoch teurer, sowohl sozial als auch ökonomisch. Luxemburg könne sich diese Maßnahmen leisten. Sie verhinderten eine Rezession. So würde die Wirtschaft weiter wachsen können.

Die Wirtschaft wächst

Das Bruttoinlandsprodukt werde 2023 um 2,4 Prozent, 2024 um 3,8 Prozent steigen. In den Jahren 2025-2027 wird mit einer Zunahme von durchschnittlich 2,6 Prozent gerechnet, führte Backes weitere positive Zahlen an. Luxemburgs Wirtschaft wächst schneller als in anderen EU-Ländern. Das sei jedoch kein Naturgesetz, sondern das Ergebnis einer gut aufgestellten Finanz- und Diversifizierungspolitik, eines leistungsstarken Arbeitsmarkts und der Tripartite-Maßnahmen, lobte sie.

Sie erinnerte dabei auch an die Steuererleichterungen, die sie vor einigen Monaten in Aussicht gestellt hatte, sollte sich die Finanzlage des Staates verbessern. Also einigte man sich in der Tripartite auf einen Steuerkredit von zwei Indextranchen für dieses Jahr und eine Anpassung der Steuertabelle ab 2024 um 2,5 Indextranchen. Tatsächlich fällt das Defizit des Zentralstaates geringer aus als bei der Budgetvorlage angenommen: von 2,8 Milliarden auf 2,4 Milliarden Euro. 2027 soll es sich auf 1,7 Milliarden Euro belaufen. Die Steuererleichterungen werden den Staat 2023 mit 300 Millionen Euro belasten, ab 2024 mit 460 Millionen Euro jährlich. Gleichzeitig wird die Staatsverschuldung zu keinem Zeitpunkt die selbst auferlegte 30-Prozent-Obergrenze reißen. 2023 wird sie bei 26,1 Prozent, 2026 bei 28,6 Prozent und 2027 bei 29 Prozent liegen.

Weitere Steuererleichterungen, wie u.a. von der CSV gefordert, bezeichnete Backes als unverantwortlich. Würde die Steuertabelle um sieben statt 2,5 Indextranchen bereinigt, würden Mindereinnahmen in Höhe von 840 Millionen Euro pro Jahr anfallen. Zusätzliche Erleichterungen müssten mit zusätzlichen Schulden gegenfinanziert werden.

Backes wies auf eine besorgniserregende Entwicklung hin. Bisher hätten die Einnahmen immer stärker zugenommen als im Budgetentwurf geplant. Das werde in Zukunft nicht mehr in so starkem Ausmaß der Fall sein. Auch bei den Sozialkassen wird der Überschuss nicht mehr so kräftig ausfallen. Das sei ein strukturelles Problem, dem man sich stellen müsse, so Backes.

Sozialpartner mit einbezogen

Zwar sei die Finanzpolitik vom Management der „Polykrisen“ geprägt worden, doch die Prioritäten seien dabei nicht vergessen worden. Die Investitionsausgaben für Umwelt, Klimaschutz, Mobilität und bezahlbaren Wohnraum blieben weiterhin hoch, unterstrich Backes. Auch im Ausland sei die Lage auf dem Wohnungsmarkt schwierig. Ursachen dafür seien die hohe Zinspolitik der EZB, gestiegene Materialkosten. In den vergangenen Jahren hätten die Spekulanten enormen Mehrwert eingesteckt. Mit dem Baulandvertragsgesetz werde der Baulandspekulation ein Riegel vorgeschoben. Die Regierung sei auch zum Kauf privater Wohnungsbauprojekte bereit, aber nicht, um mit Steuergeld die Preise künstlich hochzuhalten, so Backes, die an die Solidarität der Privatpromotoren appellierte.

Wirtschaftsminister Franz Fayot stellte seinerseits das Nationale Reformprogramm (PNR) vor, das er als ein Inventar der Reformpolitik bezeichnete. Es beinhaltet Antworten auf die Empfehlungen der EU-Kommission, beispielsweise in den Bereichen grüne und digitale Transition, Mobilität, Chancengleichheit im Schulsystem, Bekämpfung der Armut. Fayot erinnerte dabei an etliche eingeleitete nationale Programme zur Dekarbonisierung der Wirtschaft, zum Ausbau der Fotovoltaik bei Privathaushalten und Unternehmen. Fortschritte verzeichnet das Land bei der Modernisierung des Schulsystems und der Erweiterung des Schulangebots. Zur Bekämpfung der Armut wurde der Mindestlohn angehoben, Teuerungszulagen und Energieprämien ausgezahlt.

PSC und PNR waren bereits im März den Sozialpartnern vorgelegt worden. Ihr gemeinsames Gutachten werde der EU-Kommission als Anhang übermittelt, so Fayot. Bereits im Juni wolle man gemeinsam die neuesten Empfehlungen der EU-Kommission erörtern.

Die Abgeordneten werden sich heute zu PSC und PNR äußern.

„Bëllegen Akt“ auf 30.000 Euro erhöht

Einstimmig verabschiedete das Parlament den Gesetzentwurf zur Anhebung des Steuerkredits auf notarielle Urkunden („bëllegen Akt“) von 20.000 auf 30.000 Euro beim Kauf einer Wohnung. Das Gesetz wird rückwirkend auf den 7. März 2023 in Kraft gesetzt. An diesem Tag unterschrieben Gewerkschaften, Unternehmensvertreter und Regierung im Anschluss der Tripartite das dritte „Solidaritätspaket“. In Beantwortung einer erweiterten Anfrage von François Benoy („déi gréng“) gab Finanzministerin Yuriko Backes Details zum „Fonds souverain intergénérationnel du Luxembourg“ (FSIL) und dessen Anlagestrategie. Der Staatsfonds wurde 2014 ins Leben gerufen und wird jährlich aus den Mehrwertsteuereinnahmen und Akzisen des Staates gespeist. Ziel ist es, in Zukunft Projekte im Interesse der zukünftigen Generationen zu finanzieren. Bis 2035 soll eine Milliarde Euro angespart werden. Dann können 50 Prozent der Kapitalerträge in den Haushalt fließen. Bisher flossen rund 480 Millionen Euro in den Fonds. Laut Benoy würde auch in Unternehmen aus der Tabak- und Nuklearindustrie investiert. Die FSIL investiere nicht direkt in Aktien, sondern in ETF (börsennotierte Indexfonds), so Backes. Die Verwaltung sei relativ einfach, eine große Struktur werde nicht benötigt. Die Fonds seien gut diversifiziert und die Rendite marktüblich, zählte Backes die Vorteile auf. Der Nachteil: Der Investor hat keine direkte Kontrolle über die Anlagepolitik, sodass sich im Aktienkorb auch Papiere von Unternehmen befinden können, die nicht den Nachhaltigkeitskriterien entsprechen, zu denen es auch keine einheitlichen internationalen Standards gebe. Eine Studie soll nun klären, wie sich der FSIL auf die europäische Taxonomie ohne AKW und Gas umstellen kann. (lmo)