EditorialPost-Corona

Editorial / Post-Corona
Die Auswirkungen der Pandemie auf die Börsen haben ihren Höhepunkt noch nicht erreicht Foto: Michael Nagle/XinHua/dpa

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Auch wenn die Infektionszahlen nur noch in überschaubarem Maße zunehmen, ist Corona noch längst nicht überwunden. Definitiv vorbei sein wird die Pandemie aus einem sanitären Gesichtspunkt erst dann, wenn ein Impfstoff oder ein wirksames Medikament gefunden ist. Bis dahin wird es auch bei einer gewachsenen sogenannten Herdenimmunität prinzipiell nicht angeraten sein, sich etwa wie gewohnt die Hände zu schütteln. Doch auch nach kompletter Überwindung der Corona-Krise – dann, wenn das Virus als direkte Bedrohung der Menschen weitgehend verschwunden sein wird und nur noch zu wissenschaftlichen Zwecken wie Pest und Pocken in spezialisierten Labors sicher aufbewahrt wird – werden die Auswirkungen nicht abgehakt werden können, und die sind, so viel ist jetzt bereits ersichtlich, vielfältig.

Den Hoffnungen von Optimisten, dass eine neue Solidarität unter den Menschen wachsen wird, dass sie sich auf Wesentliches rückbesinnen werden und froh, die Krise überwunden zu haben, voller Freundlichkeit, Mitgefühl und altruistisch in eine kaum mehr von Gewinnstreben und Bosheit geprägte Zukunft streben, in der die Schadstoffbelastung spektakulär abgenommen hat und die Natur sich erholt, stehen realistischere Szenarien gegenüber.

Wie 2008 wird es – trotz aller staatlichen Stützungsprogramme – zu einer wirtschaftlichen Krise kommen. Die Börsen vermeldeten in der akuten Phase der Pandemie in kürzester Zeit Einbrüche von bis zu 40 Prozent (während der bislang größten Weltwirtschaftskrise 1928 verloren die Aktien zwar bis zu 90 Prozent ihres Wertes, dies aber innerhalb von zwei Jahren), viele Unternehmen werden die Zeit ohne bzw. mit wenig Handel nicht überleben. Auch wenn dies in reicheren Staaten wie Luxemburg zu bewältigen sein wird, werden diese negativen Auswirkungen in weniger stabilen Regionen auch unsere Wirtschaft negativ beeinflussen. Das kleine Großherzogtum ist keine Insel.

Trotz der wiederholten Aufrufe der Gewerkschaften, die an das Kredo von 2008 erinnern und fordern, dass es nicht die arbeitenden Menschen sein dürfen, die für diese Krise bezahlen, deutet bereits jetzt vieles darauf hin, dass die Zeche wieder bei den einfachen Menschen hängen bleiben wird. Erste Anzeichen einer massiven Umverteilung von unten nach oben sind schon auszumachen. Die lange von vielen Staaten (zum Glück nicht in dem Maße von Luxemburg) vernachlässigten Sozialsysteme, die zurzeit Riesenstrapazen ausgesetzt sind, müssen wieder auf- und ausgebaut werden. Schnell wird die Forderung nach längerer Lebensarbeit zur Absicherung der Rentensysteme wieder auftauchen (die Niederländer demonstrieren dies jetzt bereits im Rahmen der Unterstützung südlicher Partnerländer), die ins Ungleichgewicht geratenen Haushalte vieler Staaten werden durch höhere Steuern kompensiert werden und da die eigene Wirtschaft ja gestützt werden muss, wird dies nicht bei den Betrieben ins Budget schlagen, sondern bei ihren Angestellten. 

Dramatischer noch wird die Post-Corona-Ära in den Entwicklungsländern, von denen viele erst vor dem Höhepunkt der Pandemie stehen, zu spüren sein. 

Auch die Auswirkungen auf die Demokratie geben wenig Anlass zur Vorfreude, wie das Beispiel Ungarn zeigt. Und dass jetzt eine unsichtbare Macht das globale Wirtschaftssystem des Kapitalismus infrage stellt, das durch ungebremsten Ressourcen- und Landverbrauch eine Mitschuld an der Ausbreitung der Krise hat, wie zahlreiche Biologen unterstreichen, ist nicht zu erwarten. 

Allerdings wäre jetzt ein guter Moment, dies zu tun und laut zu artikulieren. Die Krise kann auch als Warnschuss gesehen werden, dem durch emanzipatorische Gegenbewegungen seine drohende Wirkung genommen werden könnte.

Joé Hansen
12. April 2020 - 8.53

Kann dem Kommentar v. Robert Schneider nur zustimmen. Ob wir ,und hauptsächlich unsere Politiker, die richtigen Lehren aus der "Pandemie" ziehen werden, steht in den Sternen. Eines kann niemand bestreiten, dass nämlich der Anfang des XXI. Jahrhunderts durch drei Krisen erschüttert wurde und zwar die Krise der Ungleichheiten, der ökologischen Krisen u. der demokratischen Krise. Es gilt also nicht nur die Lehren daraus zu ziehen, sondern auch die richtigen Massnahmen zu ergreifen. Ich habe leider meine Zweifel daran, dass die Politik den Willen und überhaupt die politische Intelligenz hat, dies zu erkennen, geschweige, denn die Änderungen vorzunehmen. Die schon krankhafte "Leidenschaft" des ökonomischen Wachsstums u. die Abhängikeit vom Lobbyismus hindert sie daran. Sie ist einäugig was das ökonomische Wohlbefinden, blind was das menschliche Wohbefinden, taub was das soziale Leiden und stumm was den Zustand unseres Planeten betrifft. Ja diese politische Philosophie u. Idiologie hat zweifelsohne ihre Mitschuld am Coronavirus. Wer das Gegenteil behauptet ist einäugig, blind , taub und stumm zugleich.

venant
10. April 2020 - 12.58

Wenn Sie die Maske aufsetzen, hören Sie genau hin, dann hören Sie sie ganz leise singen: "Wir sind gekommen um zu bleiben, wir geh'n nicht mehr weg!"

J.Scholer
10. April 2020 - 10.00

Wer die Augen vor den Konsequenzen dieser Krise verschließt, wer nicht merkt wie die undemokratische, unsoziale Politik sich in das Alltagsleben einschleicht, wer glaubt das Leben werde im Modus des Konsum, des Spaß weitergehen, der ist naiv oder dumm. Der Angriff auf die Demokratien, das Soziale, die Rechte der arbeitenden Bevölkerung hat schon begonnen, doch im Zuge des Coronarvirus , hat die Politik, die Wirtschaft dies verschleiert.