Stadtentwicklungsprojekt „Rout Lëns“Platz für sanfte Mobilität, aber nicht für die „Keeseminnen“

Stadtentwicklungsprojekt „Rout Lëns“ / Platz für sanfte Mobilität, aber nicht für die „Keeseminnen“
 „Rout Lëns“ auf einen Blick: 1) Kleine Orientierungshilfe: der Jeunesse-Fußballplatz in der Hiel. 2) Die „Keeseminnen“, die abgesehen von den Portalen aus Stahl und laut aktueller Planung keinen Platz im neuen Projekt haben. 3) Das Stellwerk im Bauhausstil. 4) Die Gebläsehalle. 5) Die Schutz- und Stützmauer an der rue d’Audun. 6) Das ehemalige Ersatzteillager „Magasin TT“.  7) Die „Handwierkergaass“ auf dem Gelände des „Crassier“ gehört nicht zum Projekt „Rout Lëns“. Über eine Einbindung dieses schönen Ziegelbaus wird aber bereits nachgedacht.  8) Die riesige Turbinenhalle. Vor vielen Jahren wurde erwogen, hier die „Rockhal“ unterzubringen.

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Einige Tage nach Beginn der von ArcelorMittal durchgeführten Demolierungs- und Sanierungsarbeiten auf dem Areal des früheren Hüttenwerkes „Rout Lëns“ und nach einer Protestaktion wegen des geplanten Abrisses der „Keeseminnen“ stand am Montagnachmittag ein Besuch des Industriegeländes an. Vor Ort haben wir mit dem Mann geredet, der das Stadtentwicklungsprojekt „Rout Lëns“ leitet. Im Tageblatt-Interview nimmt Eric Lux, Chef des Unternehmens „IKO Real Estate“, Stellung zu dem Abriss des Erzbunkers  „Keeseminnen“. Er erklärt, was auf dem Areal, das seit über 40 Jahren brach liegt, ab Ende 2021 entstehen soll. Es geht vor allem um die Frage, welche Zeugen der Escher Industriekultur erhalten und nach welchen Kriterien sie in das neue Stadtviertel integriert werden sollen.

Tageblatt: Können Sie die „Keeseminnen“ eigentlich unabhängig von Ihren Plänen neutral betrachten?

Eric Lux: Es ist schwer für mich, das neutral zu betrachten, weil wir alles in einen Kontext setzen, und das ist  eben die Entwicklung des gesamten Areals „Rout Lëns“.

Am vergangenen Donnerstag wurde nun gegen den Abriss der „Keeseminnen“ vor Ort protestiert. Haben Sie sich darüber geärgert?

Es ist schön, dass wir in einer Demokratie leben und jeder seine Gedanken zum Ausdruck bringen kann. Bereits vor einem Jahr haben wir versucht, Menschen in Workshops zusammenzubringen, um auszuloten, was sie sich erwarten und was ihre Meinung ist. Das heißt, wir kennen die verschiedenen Meinungen der verschiedenen Personen.

Die Vereinigung „Industriekultur-CNCI“ hat einen Antrag zur Klassierung des Erzbunkers gestellt. Dieser liegt seit dem 1. April auf dem Tisch der Kulturministerin. Darin wird ein Abriss-Stopp verlangt. Was würde so ein Stopp bedeuten?

Es würde bedeuten, dass wir diese Entscheidung berücksichtigen und das Projekt aufgrund der neuen Gegebenheiten anpassen.

Wäre das schwierig?

Alles ist schwierig oder alles ist einfach … es wäre eben eine Vorgabe, mit der man leben müsste.

In einem Kurzfilm über das Projekt „Rout Lëns“ sprechen Sie von Wertschätzungen gegenüber dem kulturellen Erbe. Sie sagen, dass es ein „Sakrileg“ sei, Gebäude einfach so abzureißen, weil dies kein Zeichen von Respekt sei – nicht den Gebäuden gegenüber und nicht den Menschen, die hier gearbeitet haben. Warum konnten oder können die „Keeseminnen“ nicht in die Planung miteinbezogen werden. Ganz.

Es ist eine ganz pragmatische Entscheidung, die mit dem Zustand des Gebäudes und dem Grad seiner Verschmutzung zu tun hat. Die Entscheidung beruht auch auf dem, was uns große Teile der Bevölkerung gesagt haben, nämlich dass der Erhalt der Gebäude einen Sinn ergeben müsse, also die alten Industrieanlagen einem neuen Zweck zugeführt und integriert werden sowie allen Menschen zugänglich bleiben müssen.

Aus Ihrer Sicht wird es also zum Abriss der Anlage kommen?

So wie es jetzt vorgesehen ist, wird es zum Abriss kommen.

Aber die zum Gelände hin gelegenen Portale der „Keeseminnen“ bleiben doch erhalten?

Ja, weil diese Portale, wie man hier vor Ort sieht, zum Erscheinungsbild des Areals gehören, sie sind ein Wahrzeichen der „Rout Lëns“. Aus dem Grund sollen sie als Teil eines früheren Gebäudes bestehen bleiben und jedem zugänglich sein. Auch sie werden einem neuen Zweck zugeführt, der der Öffentlichkeit zugutekommen wird.

Wie wird sich beim Projekt „Rout Lëns“ Ihre Wertschätzung gegenüber dem industriekulturellen Erbe allgemein zeigen?

Von sechs Gebäuden auf dem Areal bewahren wir deren fünf. Dazu gehört auch die Einfriedungsmauer an der rue d’Audun. Wir integrieren alles in einer „Allée culturelle“, eine Art Parcours, mit dem wir die Gebäude in den Masterplan des neuen Stadtviertels einbinden und ihnen eine neue Daseinsberechtigung geben.

Wie kann man sich diese Einbindung vorstellen? Werden es Wohnungen oder Geschäfte?

Die Idee ist es, die Gebäude nicht in eigentliche Wohnungen umzuwandeln. Es sollen Räume sein, die öffentlich zugänglich sind. Beispielsweise für Kultur, Gastronomie und andere Aktivitäten. Wichtig ist vor allem, dass jeder hineingehen und die Gebäude auch von innen betrachten und erleben darf.

Es werden also nicht nur Fassaden erhalten?

Es wird ganz klar eine innere Struktur geben, die ausgebaut und angepasst wird.

Das klingt alles recht aufwendig und teuer. 15 Millionen sind für den Erhalt der Industriegebäude vorgesehen. Reicht das?

Die 15 Millionen Euro dienen ausschließlich dazu, die Fassaden und das Dach instand zu setzen. Es mag sein, dass das nicht reicht. Wenn man mit alten Gebäuden zu tun hat, erlebt man oft eher negative Überraschungen denn positive.

Wer wird sich nach Fertigstellung eine Wohnung oder ein Geschäft hier leisten können?

Wir setzen auf Vielfalt. Deshalb haben wir unser Projekt so aufgebaut und mit der Gemeinde abgesprochen, dass viele Bevölkerungsschichten hier wohnen können, von jüngeren Menschen bis hin zu älteren. Aber auch Menschen, die weniger Geld haben und vielleicht auf Sozialwohnungen oder subventionierten Wohnraum angewiesen sind.

In vielen Aussagen über das Projekt gebrauchen Sie das Wort „Nachhaltigkeit“. Was kann man sich darunter vorstellen?

Der Begriff der Nachhaltigkeit reicht sehr weit bei diesem Projekt. Er beginnt zum Beispiel bei den alten Industriegebäuden und der Frage, wie man mit diesen umgeht. Nachhaltigkeit ist aber auch, wie wir das Material wiederverwerten, das bei Abriss und Säuberung des Areals entsteht. Nachhaltig ist die Art und Weise, wie wir bauen. Die Produkte, die wir verwenden oder unsere Energiekonzepte, die so wenig wie nur möglich Auswirkungen auf die Umwelt haben sollen. Nachhaltig ist auch der Verbrauch und die Aufbereitung des Wassers. Das Wort „nachhaltig“ kann also sehr weit gehen und es geht auch sehr weit in diesem Konzept.

Und der Mensch in dem Ganzen?

Unser Ziel ist es immer gewesen, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Das heißt, auch das Auto wird hier keine dominierende Rolle spielen, wie es bei einer Reihe von anderen Projekten immer noch der Fall ist. Die Automobilität bleibt im Hintergrund und lässt der sanften Mobilität Platz. Dieser Raum kommt dann vor allem den Fußgängern und der Lebensqualität der Bewohner und Besucher zugute.

Wer, so wie wir jetzt, über das Areal spaziert, entdeckt neue Perspektiven. Nach Belval auf der einen Seite zum Beispiel oder zum Plateau Barbourg auf der anderen Seite. Wie werden diese Orte eingebunden?

Bisher war das Areal „Lentilles Terres Rouges“ eine Art Insel, abgetrennt vom Ganzen. Bei der Entwicklung der Pläne, gemeinsam mit unseren Architekten und Studienbüros, haben wir langfristig gedacht. Wir haben uns Gedanken darüber gemacht, was in den nächsten 10, 20 oder 30 Jahren in der Gegend um die „Rout Lëns“ herum geschehen kann. Auf dem „Crassier“ direkt gegenüber zum Beispiel oder im Viertel „Hiel“. Das heißt, wir haben so geplant, dass wir uns die Verbindungstüren zu zukünftigen Entwicklungen hier in der Gegend nicht verschlossen haben.

Spielt die Eisenbahnlinie, die hier in direkter Nähe verläuft und Esch mit Belval verbindet, auch eine Rolle?

Ja, der Zug ist zum Beispiel eine dieser möglichen Entwicklungen.

Klingt alles gut, aber irgendwie muss das Projekt ja finanziert werden. Das ist Ihr tägliches Brot. Bekommen Sie das alles unter einen Hut, also das Geschäftliche, das Menschliche und das kostenaufwendige Bewahren der Industriekultur?

Wir wollten keine kurzfristig angelegte Politik machen, um ein Maximum an Quadratmetern Baufläche herauszuschlagen. Wenn wir das hätten machen wollen, dann hätten wir nur ein altes Industriegebäude beibehalten, nämlich das „Magasin TT“ , wie es zu Beginn des Projektes durchaus möglich gewesen wäre. Es ist aber unsere Idee gewesen, viel weiter zu gehen und das bekommen wir sehr wohl unter einen Hut.

Nur wenige Meter vom Projekt „Rout Lëns“ liegt auf dem Gelände des „Crassier“ die sogenannte „Handwierkergaass“. Die ist von der Gemeinde Esch als schützenswert eingestuft worden. Auf die nationale Anerkennung wird gewartet. Dieses schöne Gebäude ist jetzt nicht Teil Ihres Projektes, aber wurde da auch an eine Anbindung gedacht?

Da haben wir ganz klar auch über eine Anbindung nachgedacht, so wie wir das zu allen möglichen Seiten hin gemacht haben. 

Wann geht es mit den eigentlichen Arbeiten auf der „Rout Lëns“ los?

Wir sind dabei, den „PAP“, den Teilbebauungsplan, fertigzustellen. Die Zwangspause hat uns auch ermöglicht, ihn besser zu machen. Im September werden wir ihn vorstellen und gegebenenfalls anpassen. Wenn er dann angenommen ist, wird es ein gutes Jahr bis zum Baubeginn dauern, also Ende 2021, Anfang 2022 geht’s dann voraussichtlich los.

Bleibt es dabei, dass die Schule als Erstes fertiggestellt werden soll?

Ja, es ist vorgesehen, dass die Schule eines der ersten Gebäude sein wird, die fertiggestellt werden. Das, vor allem, um dem Mangel an Klassensälen hier im Viertel entgegenzuwirken.

Industriekultur

Im Projekt „Rout Lëns“ werden einige Zeugen der Escher Industriekultur erhalten bleiben. Sie sollen einem neuen Zweck zugeführt werden und allen Menschen zugänglich sein. Dazu gehört die Turbinenhalle aus dem Jahr 1901, die Gebläsehalle, das Lager „TT“, das ehemalige Eisenbahnstellwerk im Bauhausstil, die lange Einfriedungsmauer mit ihren Blindbögen auf der Straße zwischen Esch und Audun-le-Tiche sowie die Portale aus Stahl der „Keeseminnen“. Der Erzbunker an der rue Barbourg selbst soll nach heutigem Stand der Dinge abgerissen werden, unter anderem auch, weil es für ihn keine neue Verwendungsmöglichkeit gegeben hat. Alles hängt jetzt von einer Entscheidung der Kulturministerin ab. 

Projekt „Rout Lëns“

Auf dem in der „Hiel“ gelegenen, rund 11 Hektar großen Areal des 1977 stillgelegten Hüttenwerkes „Terres Rouges“ wird nach über 40 Jahren ein neues Escher Stadtviertel entstehen. Ab Ende 2021, Anfang 2022 werden hier Wohnungen für 3.000 Menschen sowie Kultur- und Freizeitbereiche gebaut. Die Industriebauten spielen dabei eine wichtige Rolle. Was Geschäfte anbelangt, wird darauf geachtet, dass es ein „Commerce de proximité“ sein wird und keine Konkurrenz zur Alzettestraße und anderen umliegenden Geschäften entsteht, betont Investor und Bauherr Eric Lux.

Ein Abriss-Stopp wäre eine Vorgabe, mit der man leben müsste

Eric Lux, Chef von „IKO Real Estate“

trotinette josy
6. Mai 2020 - 20.00

Ist es denn so schwer , Alt mit Neu zu verbinden ? Hätte man überall immer alles Alte abgerissen, gäbe es keine Pyramiden, kein Kolosseum, keine chinesische Mauer, keine Drei Eicheln, nirgendwo mehr interessante und wertvolle Zeitzeugen vergangener Kulturen.

de Schmatt
6. Mai 2020 - 19.50

Typisch Luxemburgisch: das Kind mit dem Bade ausschütten.

venant
5. Mai 2020 - 18.53

Déi 'Historiker' hunn se net méi all. Belval, Terre-Rouge A. Schëffleng ... solle mer e puer Hektar als Musée ëmbauen deen anscheinend just ganzer 9 Leit interesséiert? Mir brauche Wunnengen, wien eis Gesondheet, eis Longe ruinéiert an eist Geméis am Gaart vergëft huet, wësse mir och ouni Denkmal.