Smartphone-Café in EschOrtsbesuch: Studenten und Senioren in der digitalen Welt

Smartphone-Café in Esch / Ortsbesuch: Studenten und Senioren in der digitalen Welt
 Foto: Editpress/Alain Rischard

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Der Monat Juni steht in Esch im Zeichen des „E-Senior 2.0“. Mit verschiedenen Aktionen wird versucht, älteren Bürgern den Zugang zur digitalen Welt zu erleichtern. Dass das in der heutigen Zeit nicht nur für die Senioren eine absolute Notwendigkeit ist, wird beim Smartphone-Café deutlich. Ein Ortsbesuch.   

Montagmorgen, 10 Uhr im Clair-Chêne. Im „Escher Kafé“ wären die Rollläden normalerweise geschlossen, denn erstens öffnet die Kneipe erst um 15 Uhr und zweitens ist Montag gewöhnlich Ruhetag. Nicht so heute. Im Innenraum sind die Tische besetzt, auch im zweiten Saal, der Kegelbahn. Hier findet gerade das dritte von vier Smartphone-Cafés des Escher „Bureau d’information besoins spécifiques et seniors“ (BIBSS) in Zusammenarbeit mit dem Start-up-Unternehmen GoldenMe statt.

An einem Tisch sitzt die GoldenMe-Mitgründerin Mara Kroth. Neben ihr Johny Schwirtz. Der Rentner lässt sich erklären, wie die Google-Suche auf seinem Smartphone funktioniert. Sie suchen das Tierasyl Schifflingen, landen aber auf der Homepage von Gasperich. Das macht nichts, es geht ums Prinzip. „Die Regierung betont stets, die älteren Menschen würden nicht allein gelassen. Doch in der Praxis sieht das anders aus“, sagt Mara Kroth und nennt als Beispiel Online-Banking und Online-Ticketing. „Das Problem ist, dass man in vielen Bereichen am Telefon nicht mehr durchkommt. Wenn man in einer Arztpraxis anruft und dort läuft ein Band, dass man seinen Termin via Internet buchen soll, dann ist das für viele ältere Menschen ein Riesen-Problem“, weiß sie.

Datenschutz und AGB

Nicht alle Senioren haben Kinder oder Enkel, die ihnen in der digitalen Welt helfen können. Auch Marlene nicht. Die 77-Jährige sitzt am Nebentisch mit ihrem neuen iPhone 12. Datenschutz ist für sie ein großes Thema, sie will sich nicht fotografieren lassen und auch ihren echten Namen nicht in der Zeitung lesen. Sie zögert, sich eine Apple-ID anzulegen. Die 19-jährige Studentin Lisa erklärt ihr, wofür sie die braucht. Ohne ID keine Apps, sagt sie. Die hätte Marlene schon ganz gerne, vor allem die Mobilitäts-App könnte sie gut gebrauchen. Doch als die beiden bei den allgemeinen Geschäftsbedingungen ankommen, stockt Marlene. Dass sie ihr Einverständnis gibt für etwas, was sie nicht gelesen hat, ist ausgeschlossen. Sie möchte sich das erst einmal zu Hause genauer anschauen.

Die 77-Jährige ist jedenfalls gut informiert und noch besser vorbereitet, so viel steht fest. Ihre Fragen hat sie auf drei DIN-A4-Seiten notiert. Sie hat ihre Zweifel mit den Cookies, möchte die am liebsten nicht zulassen. Lisa erklärt ihr deren Sinn. Eine Stunde sitzen die Frauen bereits zusammen, sie vertagen sich aufs nächste Mal, denn Marlene hat noch Fragen. „Für ältere Leute ist es heute schwierig. Alles funktioniert online, zum Beispiel die Bank. Meine Generation ist in 20 Jahren eh nicht mehr da, warum fährt man bis dahin nicht zweigleisig“, sagt sie. Sie ist froh, dass ihr geholfen wird, selbst wenn sie an diesem Tag nicht allzu weit mit ihrem neuen iPhone, bei dem sie zur Entsperrung die Gesichtserkennung nutzt, kommt. „Mir ginn eis jo gären drun, mee iergendwéi gëtt et ze vill. Fréier wor et jiddefalls méi einfach, manner hektesch“, sagt sie zum Abschied und macht sich auf den Weg nach Hause.

Das Smartphone-Café ist Teil des „E-Senior 2.0“-Projekts. Vier Termine stehen im Juni auf dem Programm, am kommenden Montag, den 28. Juni, findet die vorerst letzte Veranstaltung im Versammlungssaal der Lallinger Sporthalle statt. Anmelden kann man sich beim BIBSS in der Pasteur-Straße, postalisch oder online. Bei Fragen stehen die Telefonnummern des BIBSS (27 54 22 10) und von GoldenMe (661 529 913) zur Verfügung. 15.000 Flyer sind im Vorfeld verteilt worden, in der Alzettestraße sprachen die Helfer von GoldenMe auch aktiv Senioren an, um sie zum Mitmachen zu animieren. Das Feedback ist positiv, auch wenn man sich wünschen würde, dass sich noch mehr Menschen auf den Flyer hin melden würden, wie Mara Kroth betont. „Es geht nicht nur um Smartphones und deren Bedienung“, sagt sie, „gerne können die Leute auch zu uns kommen, bevor sie sich ein neues Gerät anschaffen. Quasi als Kaufberatung“. Es sei nämlich so, dass Menschen oft vom Verkäufer ein Gerät empfohlen bekommen, dass die Bedürfnisse weit übersteigt.

Kampagne im Juni

Das Hilfsangebot beschränkt sich auch nicht auf Smartphones. Tablets oder Laptops können die Senioren auch mitbringen, falls sie Probleme damit haben. So wie André Majerus, der mit dem Laptop einer Freundin ins Smartphone-Café gekommen ist. Er wollte ihr ein Mail-Programm installieren, ist aber mit dem Modell nicht richtig klargekommen. Deswegen sitzt er nun neben Johannes Heuschkel, Mara Kroths Partner bei GoldenMe. Der zeigt ihm, was von den Suchergebnissen auf Google zu halten ist. Gesponserte Seiten tauchen auf, genau wie unseriöse Anbieter. Parallel zu den Smartphone-Cafés umfasst das Projekt „E-Senior 2.0“, das den Senioren den Zugang zur digitalen Welt und den neuen Medien erleichtern will, kleine Videoclips, die mittwochs um 18 Uhr auf EschTV ausgestrahlt werden.

Die Kampagne läuft den ganzen Juni über, anschließend wird Bilanz gezogen. „Die Idee, in die Viertel bzw. in die Cafés zu gehen, gibt es schon länger, jedoch machte uns die Pandemie einen Strich durch die Rechnung“, erklärt Romi Werner, die Leiterin des BIBSS. Sie sieht die Smartphone-Cafés auch als sozialen Faktor. „Die Senioren lernen, dass sie nicht alles über die Apparate wissen müssen. Und sie merken, dass auch die jungen Studenten längst nicht alles wissen.“ Es gehe eben auch darum, Ängste abzubauen. Sie ärgert sich sehr über die Haltung der Banken gegenüber Senioren, aber nicht nur die der Banken. Auch Behörden setzen immer mehr auf Digitalisierung, was vor allem Senioren zunehmend vor Probleme stellt. „All Woch kënnt eng nei Topeschkeet“, sagt Romi Werner, „aber die Banken sind am schlimmsten. Online-Banking zum Beispiel ist ein nationales Problem, das lässt sich nicht als lokale Initiative lösen. Unsere Regierung sagt, jeder Mensch ist digital ausgerüstet. Aber das ist Quatsch.“ 

Die Besucher am Montag im „Escher Kafé“ waren in der Tat digital ausgerüstet. All ihre Fragen beweisen, dass die Ausrüstung aber erst der Anfang ist.    

Gruppenbild vor dem „Escher Kafé“: Sie beantworten am Montag, so gut es ging, die Fragen der Senioren. Vorne sitzen die Verantwortlichen Johannes Heuschkel, Mara Kroth (beide GoldenMe) und Romi Werner (BIBSS) 
Gruppenbild vor dem „Escher Kafé“: Sie beantworten am Montag, so gut es ging, die Fragen der Senioren. Vorne sitzen die Verantwortlichen Johannes Heuschkel, Mara Kroth (beide GoldenMe) und Romi Werner (BIBSS)  Foto: Editpress/Alain Rischard