Alain spannt den BogenOrchestrale Opulenz und pianistische Zurückhaltung

Alain spannt den Bogen / Orchestrale Opulenz und pianistische Zurückhaltung
Buchbinder, ein der Tradition stark verpflichteter Interpret, ist aber alles andere als ein konservativer Pianist, der sich auf seinen Lorbeeren ausruht Foto: Sébastien Grébille

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Auf der einen Seite war es die klangliche Opulenz mit dem Budapest Festival Orchestra unter Ivan Fischer, auf der anderen Seite das zurückhaltende, wohl ausbalancierte Klavierspiel von Daniil Trifonow und Sergei Babayan, die dem Publikum außergewöhnliche Konzerterlebnisse beschieden, während Rudolf Buchbinders sehr persönliche Interpretation von Schumanns Klavierkonzert sicherlich Diskussionsstoff lieferte.

Mit dem Budapest Festival Orchestra stand am vergangenen Samstag einer der besten europäischen Klangkörper auf der Bühne der Philharmonie. Ein Orchester, das sowohl durch frische Interpretationen, interessante Tournee-Programme und einen tollen Sound immer wieder überzeugen kann. Nachdem das Orchester unter seinem Gründer und Chefdirigenten Ivan Fischer das Programm mit Ernö Dohnanyi Symphonic Minutes aus dem Jahre 1933 eröffnet hatte, einem sympathischen Werk, das allerdings keinen nachhaltigen Eindruck hinterließ, erwartete man mit Spannung Altmeister Rudolf Buchbinder, der diesmal Robert Schumanns Klavierkonzert im Gepäck hatte.

Orchesterglanz und Sinnlichkeit

Buchbinder, ein der Tradition stark verpflichteter Interpret, ist aber alles andere als ein konservativer Pianist, der sich auf seinen Lorbeeren ausruht. Im Gegenteil, Buchbinder sucht immer die Herausforderung, so auch bei Schumanns Konzert. Hier wählt er einen sehr ungewöhnlichen, aber sehr interessanten Zugang. Der Pianist stellte vor allem den kammermusikalischen Charakter in den Mittelpunkt seiner Interpretation, spielte das Konzert quasi als Sonate mit Orchesterbegleitung. Sein Spiel war dabei erstaunlich zurückhaltend und in sich gekehrt, selbst im Finale blieb Buchbinder seiner asketischen Sichtweise treu.

Der an sich sehr temperamentvolle Ivan Fischer hielt sich demnach zurück, und fuhr das Orchester auf eine minimale, kammermusikalische und zurückhaltende Begleitfunktion herab. Was aber nicht immer klappte, denn die Musiker hatten hörbar immer wieder einige Mühe, sich auf einen kammermusikalischen Modus einzulassen. So interessant Buchbinders Konzept auch war, gepackt hat mich diese Aufführung des Schumann-Konzertes an keiner Stelle. Und ich frage mich, ob dieser kammermusikalische Zugang wirklich der richtige Weg zu dieser doch kraftstrotzenden Musik ist. Als Bonus gab es dann eine virtuose Johann-Strauß-Paraphrase (von Ernö Dohnanyi ??), die das Publikum dann vom Hocker riss.

Seien wir ehrlich, bei den Tondichtungen von Richard Strauss gibt es eigentlich recht wenig zu interpretieren. Die sind nämlich so toll konzipiert und orchestriert, dass der Dirigent eigentlich nur die Aufgabe hat, die opulenten Klänge in das richtige Licht zu setzen und die Musik dementsprechend prachtvoll und sinnlich erklingen zu lassen. Doch dafür braucht man ein Orchester der Spitzenklasse. Das Budapest Festival Orchestra spielte somit Don Juan, den Tanz der sieben Schleier aus der Oper Salome und Till Eulenspielgel mit Bravour, Sinnlichkeit, großem Atem und perfekter Klangbalance. Ivan Fischer fühlte sich hier deutlich wohler als bei Schumann und ließ sein Orchester klangprächtig und präzise aufspielen. Da passte einfach alles. Und nach dem Tanz der sieben Schleier von Strauss gab es als Zugabe den Walzer aus Der Schleier der Pierrette von Ernö Dohnanyi. Der Jubel des Publikums war damit garantiert.

Vielschichtiger Rachmaninow mit Trifonow und Babayan

Seit ich den Pianisten Daniil Tifonow in einem Konzert mit dem Pittsburgh Symphony Orchestra unter Manfred Honeck zum ersten Mal gehört habe, bin ich von diesem Künstler begeistert. In der Tat ist Trifonow einer der wichtigsten Vertreter der neuen Generation und dazu ein Musiker, der ganz die russische Tradition und Schule vertritt. Vielleicht ist es gerade das, was sein Spiel so faszinierend macht. In der Philharmonie Luxemburg konnte man den Pianisten zusammen mit seinem ehemaligen Lehrer Sergei Babayan hören, der ebenfalls ein renommierter Interpret ist und mit den besten Orchestern, Dirigenten und Solisten aufgetreten ist.

Das Programm war ganz alleine dem Jubilar Sergei Rachmaninow gewidmet, dessen 150. Geburtstag wir dieses Jahr feiern. Trifonow und Babayan hatten ein Programm zusammengestellt, das die vielen Facetten des Komponisten in den Mittelpunkt stellt. Es begann mit der impressionistisch gefärbten Suite für 2 Klaviere Nr. 1 op.5 „Fantaisie-tableaux“, einem frühen Werk des 20-jährigen Komponisten, das mit seiner Eleganz und seinem Farbenreichtum, seiner feinen Dynamik und wohl ausbalancierten Architektur für sich einnimmt und bereits den späten Rachmaninow durchaus erahnen lässt. Trifonow und Babayan hatten keine Probleme, sich auf diese besonderen Klangwelten der vier Sätze einzulassen. Perfekt im Zusammenspiel und wunderbar in der Farbgebung erlebte man hier allerbesten Rachmaninow.  Dies galt dann auch für die 2. Suite op. 17, die der Komponist acht Jahre später komponierte. Die impressionistische Stimmung ist hier einer weitaus opulenteren Klangentwicklung gewichen; Trifonow und Babayan machten zudem die Ähnlichkeiten zu Rachmaninows 2. Klavierkonzert deutlich. Für Trifonow, so ist im Programmheft zu lesen, ist diese Suite eine Vorstudie zu eben diesem 2. Klavierkonzert. Auch hier konnte man erstklassiges Klavierspiel gepaart mit einem wohldosierten Ausdruck und einer immer stimmigen Klangbalance erleben.

Nach der Pause ging es dann weiter mit den Symphonischen Tänzen in Rachmaninows eigener Fassung für 2 Klaviere. Ich persönlich ziehe diese Fassung der Orchesterversion vor, weil sie die vielen Einzelheiten, Hauptmelodien und Nebenstränge besser zur Geltung bringt. Die Symphonischen Tänze, 1940 komponiert, sind Rachmaninows letztes und nach seinen eigenen Aussagen auch bestes Werk. Wer sich allerdings schwungvolles Tanztheater à la Ungarische Tänze von Brahms oder Slawische Tänze von Dvorak erwartet hatte, wird enttäuscht. Vielmehr sind die mit einigen Zitaten versehenen Symphonischen Tänze ein melancholischer Rückblick auf Rachmaninows kompositorisches Leben. Trifonow und Babayan nehmen dann auch diesen melancholischen, ja traurigen und intimistischen Charakter sehr ernst, zeichnen in ihrem Spiel eher ein Psychogramm als ein klangopulentes Meisterstück, das es de facto auch nicht ist. Insgesamt ein wunderbar gespieltes Klavierrezital zweier großartiger Pianisten, die die Musik und nicht die Virtuosität in den Mittelpunkt stellten und so das Publikum an einer außerordentlichen Konzertdarbietung teilhaben ließen. Eine Reverenz vor Rachmaninow. Als Zugabe spielten beide den langsamen Satz aus Rachmaninows 2. Symphonie, dem der perkussive Charakter der beiden Klaviere eigentlich viel besser zu Gesicht stand als das doch sehr süßliche Original.