EUNach Aufforderung zur Geheimhaltung: Fokus kritisiert Europaparlament

EU / Nach Aufforderung zur Geheimhaltung: Fokus kritisiert Europaparlament
Fokus-Sprecher Frank Engel wirft dem Europaparlament das vor, was man anderen Regimen auf der Welt vorwerfe: Intransparenz und Verstöße gegen rechtsstaatliche Verfahrensweisen Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Fokus wollte die Anklagepunkte gegen ihre designierte Kandidatin Monica Semedo öffentlich machen. Das EU-Parlament beharrt hingegen auf die Vertraulichkeit der internen Prozeduren. Parteisprecher Frank Engel kritisiert dies – und legt Hoffnungen in ein anstehendes Gerichtsverfahren.

Fokus musste sein erstes Versprechen in der laufenden Europawahlkampagne brechen. „Wir werden das gesamte Dossier veröffentlichen, damit sich die Wähler selbst ein Bild davon machen können“ – das kündigte Frank Engel, Parteisprecher von Fokus, infolge der Nominierung von Monica Semedo auf einer Pressekonferenz an. Die ehemalige DP-Europaabgeordnete gilt nach zwei Sanktionierungsverfahren im EU-Parlament wegen „Mobbings“ als politisch gebranntes Kind. Zu Unrecht, wie Frank Engel und Fokus nach Einsicht der Dokumente um das Sanktionsverfahren befanden und entschieden, die Dokumente öffentlich zu machen.

Fühlt sich vom Europaparlament zensiert: Monica Semedo
Fühlt sich vom Europaparlament zensiert: Monica Semedo Foto: Marc Ruppert

Daraus aber wird vorerst nichts. Denn: Die Pressekonferenz von Fokus am 2. März hatte für Aufsehen in Brüssel gesorgt. Sowohl der Personal-Direktor des EU-Parlaments Kristian Knudsen als auch ein Mitarbeiter der EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola haben sich innerhalb weniger Tage an Monica Semedo gewandt und auf die Vertraulichkeit der Prozeduren hingewiesen. „J’aimerais vous rappeler le caractère strictement confidentiel de tous les documents ou informations liés aux procédures internes du Parlement européen […]“, schreibt Knudsen in einer Mail an Semedo. „Pour cette raison, je vous prie de bien vouloir vous abstenir à l’avenir, de manière directe ou indirecte, de toute mention ou divulgation relatives à ces procédures internes, par voie de presse ou de médias sociaux“. In dem Schreiben des Personaldirektors verlinkt waren unter anderem das Interview von Frank Engel und Monica Semedo beim Radiosender 100,7 und der Bericht des Tageblatt der vorangegangenen Pressekonferenz. Aus dem Büro der Parlamentspräsidentin Metsola wird von „Legal Adviser“ Serfio Alonso de Leon in einer E-Mail ebenfalls auf die geheimen Prozeduren und die bei einer Umgehung derselben möglichen Sanktionen hingewiesen.

Gang vor den EuGH

„2019 war überhaupt nichts geheim“, echauffiert sich hingegen Frank Engel. Noch lange bevor irgendwelche Sanktionen gesprochen wurden, hat sich das Politikmagazin Politico in seiner Berichterstattung auf Mitarbeiter des damaligen Präsidenten Sassoli berufen. Gleichzeitig aber werde auf Monica Semedo Druck ausgeübt, nicht über die Prozeduren und daraus resultierenden Sanktionen zu reden. Für Monica Semedo sei infolge ihrer zweiten Sanktionierung einzig und allein der Weg an den Europäischen Gerichtshof übrig geblieben. „Dort wird sich der Inhalt der Anklage nicht verstecken lassen“, sagt Frank Engel. Semedo hat aus prozeduralen Gründen Klage eingereicht, weil sie bei dem Hearing vor dem zuständigen Ausschuss ihren Anwalt nicht dabeihaben konnte.

„Ich würde mich gerne den Fragen der Wähler und der Presse stellen“, sagt Monica Semedo. Sie habe besonders im Rahmen ihrer zweiten Sanktionierung Transparenz schaffen wollen – was ihr aber unter Androhung weiterer Sanktionen verwehrt bleibe. Bei ihrer ersten Sanktionierung habe sie keinen Einspruch eingelegt, weil sie das Kapitel mit ihrer Entschuldigung habe abschließen wollen. „Ich wollte mich auf meine parlamentarische Arbeit konzentrieren“, sagt Semedo. Sie habe Fehler gemacht – wenngleich sie sich gewünscht habe, dass ihre Mitarbeiter versucht hätten, diese in einem persönlichen Gespräch, statt mit dem Gang vor das „Harrassment-Comittee“ anzusprechen. Gegen ihre zweite Sanktionierung aber wolle sie sich nun wehren und sie hoffentlich vor Gericht aufheben lassen.

Fokus hat jedoch nicht nur gegen das EU-Parlament Vorwürfe erhoben, sondern auch gegen die DP-Parteiführung. Diese habe weitaus früher von der Affäre gewusst, als nach außen kommuniziert worden sei. So sollen die damalige Parteipräsidentin Corinne Cahen, der damalige Premierminister Xavier Bettel und auch der DP-Europaabgeordnete Charel Goerens recht früh von den Problemen in Monica Semedos Büro gewusst haben.

Dass Fokus trotz Androhung von Sanktionen nicht doch mit dem Dossier an die Öffentlichkeit geht, habe vor allem damit zu tun, dass man „keinen Krieg mit dem Parlament anfangen will, für das man kandidiert“, so Engel. Der ehemalige EU-Abgeordnete verstehe auch nicht, warum Vorgänge im kleinen Luxemburg das Europäische Parlament auf einmal dermaßen interessieren. In einem Brief an Knudsen und Alonso de Leon kritisieren Engel und Semedo die offensichtlich gebrochenen Geheimhaltungsregeln der Prozedur und kritisieren, dass eine Abgeordnete sich nicht öffentlich verteidigen dürfe. „Es kann nicht sein, dass einzig und allein Monica Semedo die Geheimhaltung der Prozeduren respektiert habe, während andere das offensichtlich nicht getan haben“, schreiben Engel und Semedo. Und enden mit dem Satz: „Heureusement, les temps de l’Inquisition espagnole sont révolus.“


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