Energiekonzern EnovosMittelstand will fairen Wettbewerb 

Energiekonzern Enovos / Mittelstand will fairen Wettbewerb 
Marc Thein und Michel Reckinger befürchten, dass der staatlich kontrollierte Energiekonzern Enovos viele Mittelständler aus dem Markt drängen könnte Foto: Editpress/Didier Sylvestre

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Mittelständischen Unternehmen aus dem Energiebereich ist der Kragen geplatzt. „Was für ein Spiel treibt die Regierung bei der Enovos?“, lautete am Montag der Titel einer Pressekonferenz, zu der die „Fédération du génie technique“ (FGT) geladen hatte. Die Unternehmer fordern faire Wettbewerbsbedingungen.

Zum Hintergrund: Als der Energiekonzern Enovos im Jahr 2009 (durch den Zusammenschluss von Cegedel, Soteg und SaarFerngas) gegründet wurde, gab es nicht nur positive Kommentare. So manch ein Beobachter wunderte sich, wie es wohl mit dem Wettbewerb auf dem luxemburgischen Strom- und Gasmarkt weitergehen würde, da nun ein Unternehmen den Markt beherrscht. Doch in den ersten zehn Jahren blieb alles relativ ruhig.

Im Jahr 2018 gab sich Enovos jedoch eine neue Strategie. Der Konzern wollte nicht mehr nur in den Bereichen Verkauf und Produktion von Energie sowie Verwaltung der Energienetze (Strom und Gas) tätig sein. Der Konzern, mittlerweile in Encevo umbenannt, wollte ein drittes Standbein (Dienstleistungen, „Enovos Services“) aufbauen. Zu diesem Zweck kaufte da Unternehmen 2018 mit Paul Wagner & Fils einen der größten Elektriker-Betriebe des Landes. Enovos wird zu fast 75 Prozent vom Luxemburger Staat (Staat, BCEE, Post, SNCI und Luxemburg-Stadt) kontrolliert.

Die mittelständischen Wettbewerber von Paul Wagner & Fils begannen sogleich, sich Sorgen zu machen. Bereits kurz nach der Übernahme teilte die „Fédération des artisans“ in einem offenen Brief an den damaligen Wirtschaftsminister Etienne Schneider mit, dass das Luxemburger Handwerk nicht glücklich über den Kauf von Paul Wagner & Fils durch den quasi-staatlichen Energiekonzern Enovos/Encevo sei. Das Handwerk befürchte, dass der Wettbewerb in der Branche nicht mehr gewahrt bleibe. Die Unternehmer wiesen darauf hin, dass Enovos nicht irgendeine Firma sei, sondern diejenige, die die Energiebranche dominiere. Man mache sich Sorgen über Wettbewerbsverzerrungen. Kleinere, private Betriebe würden aus dem Markt gedrängt werden.

Enovos erklärte damals, Wettbewerbsverzerrungen vermeiden zu wollen. Die neue Sparte werde nicht „vertikal“ in die Gruppe integriert, versprach der Konzern. Der Bereich Dienstleistungen solle separat von den anderen Bereichen arbeiten; Informationen (beispielsweise über Kunden) sollten nicht zwischen den einzelnen Bereichen ausgetauscht werden. Gleichzeitig fuhr das Unternehmen jedoch unbeirrt mit der Wachstumsstrategie von „Enovos Services“ fort. In einem weiteren Zukauf übernahm man Powerpanels, Luxemburgs größten Hersteller von Schalttafeln und Regelungstechnik.

„Will die Regierung das Handwerk kaputtmachen?“

„Es kommt nicht oft vor, dass wir die Presse rufen“, so Marc Thein von der „Fédération du génie technique“ (FGT) am Montag. „Aber es geht um etwas, was für uns sehr wichtig ist.“ Vor wenigen Tagen sei bekannt geworden, dass sich Enovos nun zudem die Mehrheitsanteile am marktführenden Zulieferunternehmen Minusines gesichert habe.  Damit kontrolliere Enovos nun vom Einkauf über den Vertrieb, die Installation von Anlagen bis hin zum Verkauf von Energie die gesamte Wertschöpfungskette der Branche, so Thein. Das quasi-staatliche Unternehmen verschaffe sich so einen Vorteil gegenüber allen anderen, die in der Branche tätig sind. Enovos versuche aggressiv in Märkte vorzudringen, auf denen hunderte mittelständische Unternehmen aktiv sind.

Der Verband FGT stehe für 500 Betriebe mit 13.000 Mitarbeitern, so Thein weiter. Gemeinsam habe man alle notwendigen Kompetenzen, um die vom Staat geplante Energiepolitik voranzubringen, und um die Klimaziele zu erreichen.

„Geht es darum, die anderen aus dem Markt zu drängen?“, fragt Michel Reckinger, Präsident der „Fédération des artisans“. „Was ist die Strategie hinter diesem staatlichen Konglomerat? Will die Regierung das Handwerk kaputtmachen? (…) Es ist eine höchst ungesunde Konzentration. Der Sektor ist verunsichert. Wir wollen Erklärungen.“

Keine Kontrollen vor Zusammenschlüssen

Reckinger sieht den befürchteten Ablauf, im schlimmsten Fall, so: Falls eine Firma einen zu hohen Stromverbrauch hat, erkenne Enovos dies in den eigenen Daten. Hausinterne Berater könnten dann hingeschickt werden. Gemeinsam mit ihren Ratschlägen könnten sie erklären, dass Enovos auch eigene Firmen hat, um die Vorschläge umzusetzen. Das Material könne sich Enovos gleich beim eigenen Zulieferer besorgen. „Sie haben den kompletten Sektor in der Hand“, so Reckinger.  „Der Privatsektor wird ausgehöhlt. Er kann komplett kaputtgemacht werden.“ Bereits heute sehe man Kunden, die zu Enovos wechseln.

Doch in Luxemburg – im Gegensatz zu Europa – sind Unternehmen, die den Markt dominieren, nicht verboten. Luxemburg sei das einzige Land in Europa, wo vor einem Unternehmenszusammenschluss nicht im Vorfeld analysiert werde, ob es zu einer marktbeherrschenden Stellung kommen wird, so Romain Schmit von der „Fédération des artisans“. Hierzulande werden die Wettbewerbsbehörden erst aktiv, wenn eine marktbeherrschende Situation missbraucht wurde. Das nachzuweisen, sei jedoch nicht so einfach.

Aktuell werde derweil das Wettbewerbsrecht hierzulande überarbeitet, so Romain Schmit weiter. Der Branchenverband wünscht sich, dass eingehende Kontrollen auch in Luxemburg künftig vor Zusammenschlüssen getätigt werden. Doch auch in dieser Version sei keine derartige Prozedur vorgesehen. „Wir wollen vermeiden, dass es immer wieder zu solchen Konzentrationen kommt. Doch bisher will niemand auf uns hören. (…) Wo ist unsere Mittelstandspolitik?“