E-SportsLuxemburgische Nationalmannschaft ist für UEFA eEuro 2020 qualifiziert

E-Sports / Luxemburgische Nationalmannschaft ist für UEFA eEuro 2020 qualifiziert
Steve Wissmann (links) und Gianluca di Marco (rechts) haben sich nach Siegen über den Kosovo, Weißrussland, Georgien, Nordirland und Litauen für die eEuro 2020 qualifiziert.  Foto: FLF

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Die luxemburgische E-Fußball-Nationalmannschaft hat sich für die eEuro 2020 qualifiziert. Nach einer soliden Hinrunde gelang Steve Wissmann und Gianluca di Marco ein Durchmarsch in der Rückrunde. Zum ersten Mal richtet die UEFA eine eEuro aus, bei der alle 55 Verbände eine Mannschaft in die Qualifikation schickten. Gespielt wird dabei das von der japanischen Firma produzierte „Pro Evolution Soccer“, der Hauptkonkurrent des Marktführers „FIFA“. Neben den Luxemburgern haben sich bis jetzt neun weitere Länder qualifiziert – sechs werden noch über die Play-offs ermittelt.

Es sind lange Tage, die Gianluca di Marco vor dem Bildschirm seines Fernsehers verbringt, wenn es darum geht, virtuelle Fußball-Turniere auszuspielen. Bei der Qualifikation zur eEuro 2020 saß der 32-Jährige vergangenen Montag etwas mehr als fünf Stunden an der Konsole. Er ist in seinem Zimmer, wirkt ruhig – doch der Schein trügt. Das Videospiel „Pro Evolution Soccer“, das nichts anderes als ein Fußball-Videospiel ist, lässt di Marco in ganz verschiedene Gefühlswelten eintauchen. Von der absoluten Konzentration hin zur kompletten Fassungslosigkeit, nicht selten kommt es bei den Zockern auch zu Aggressionen. „Es ist vor allem eine mentale Sache“, erklärt di Marco. „Auch wenn es nicht immer einfach ist, musst du im Kopf ruhig bleiben.“ Wochenlang hat er sich auf die Qualifikation zur eEuro2020, die von der UEFA organisiert wird, vorbereitet.

Angefangen hat alles im November und Dezember 2019, als die FLF mehrere Turniere organisierte, um die zwei besten Spieler in die E-Fußball-Nationalmannschaft berufen zu können. Di Marco qualifizierte sich für die Endphase, bei der er jedes Spiel gewann. Auch gegen seinen jetzigen Spielpartner, Steve Wissmann, gewann er. Wissmann und di Marco sind zudem seit einigen Jahren gute Freunde.  „Wir sind sehr stolz, das Land repräsentieren zu dürfen. Dass wir es beide in die Nationalmannschaft geschafft haben, ist ein tolles Gefühl“, sagt di Marco. 

Platz drei nach der Hinrunde

Richtig ernst wurde es dann am 16. März, als die Hinrunde der Qualifikation begann. Der Modus ist schnell erklärt: Zwei Spiele werden über die virtuelle Länge von 90 Minuten absolviert. Die Spieler dürfen dabei entscheiden, wer die erste und wer die letzte Partie bestreitet – oder ob ein Spieler beide Spiele übernimmt. Die Anzahl der Tore der beiden Spiele werden addiert und bilden dann das Endergebnis. Die jeweiligen Gruppenersten qualifizieren sich direkt für die Endrunde, die Tabellenzweiten müssen über die Play-offs ran. In der ersten Phase musste das Duo Niederlagen gegen Georgien und Litauen hinnehmen, gegen Weißrussland gab es ein Unentschieden und gegen den Kosovo sowie gegen Nordirland wurden Siege gefeiert. Mit einem dritten Platz nach der Hinrunde wahrte das Duo die Chance, sich für die Endrunde zu qualifizieren.

Insgesamt trainiert der in Remich lebende E-Sportler drei bis vier Stunden am Tag. Im letzten Jahr hat er versucht, einen Vertrag bei der E-Sport-Abteilung des FC Nantes zu bekommen, doch am entscheidenden Tag konnte er wegen einer Krankheit nicht seine beste Leistung abrufen. In Luxemburg bietet noch kein Verein eine E-Sports-Mannschaft für „Pro Evolution Soccer“ an. Zwar hat der FC Differdingen 03 einen E-Sportler unter Vertrag, der sich aber nur in der Spiele-Reihe von EA, „FIFA“, auf dem virtuellen Rasen mit anderen Spielern misst. Zwischen den beiden Videospielen gebe es jedoch große Unterschiede, erklärt di Marco. 

Wechsel im System

Vergangenen Montag ging es dann darum, die Chance zu ergreifen, an der eEuro 2020 teilnehmen zu können. „Ich war nach der Hinrunde sehr frustriert“, erklärt di Marco. „Wir haben zwar gut gespielt, aber ich konnte mein bestes Niveau nicht abrufen. Ich war froh, dass Tristan meine Fehler ausbügeln konnte.“ Am Montag änderte die luxemburgische E-Fußball-Nationalmannschaft aber ihre Taktik. Statt, wie in der Hinrunde, sich abzuwechseln, übernahm di Marco den Controller. „Ich habe mich mit meinem Partner darauf geeinigt, dass ich die komplette Verantwortung übernehme“, sagt der 32-Jährige. „Ich bin etwas stärker als er und hatte nach dem ersten Tag ziemlich viel Wut im Bauch. Wir waren aber ständig in Kontakt, damit er übernehmen könnte, wäre ich mental nicht mehr auf meinem besten Niveau gewesen.“

Noch im ersten Spiel haperte es, als es am Ende 4:4 gegen Litauen hieß, doch dann gelang dem Luxemburger der Durchmarsch: 7:0 gegen Weißrussland, 5:2 gegen Nordirland, 13:3 gegen Georgien und ein 5:4 gegen den Kosovo. Damit belegte Luxemburg den ersten Tabellenplatz und qualifizierte sich für die eEuro 2020. „Ich bin über das Ergebnis mehr als glücklich“, sagt der Remicher. „Man muss allerdings dazu sagen, dass wir nicht die beste Gruppe hatten. Wir hatten starke Gegner, aber in den anderen Gruppen waren bessere Teams.“ Auf stärkere Teams trifft das luxemburgische Duo bei der Endrunde der Europameisterschaft, die am 23. und 24. Mai stattfindet. Ursprünglich sollte das Turnier zwischen den Halbfinal- und Finalspielen der Europameisterschaft im Londoner Wembley-Stadion ausgetragen werden, doch aufgrund der Corona-Krise müssen die Spieler den Europameister aus ihren Zimmern unter sich ausmachen. Neben Luxemburg sind auch Frankreich, Deutschland, Italien, die Niederlande, Rumänien, Serbien, Bosnien & Herzegowina, Griechenland und Israel für die Endrunde qualifiziert.

Eine grundlegende Veränderung betrifft dabei den Spielmodus. „Es ist noch nicht offiziell, aber ich glaube, dass wir bei der Endrunde zwei gegen zwei spielen“, meint di Marco. Eine komplexere Spielart, so müssen di Marco und Wissmann Laufwege einstudieren und sogar ganze Spielsysteme vorbereiten. „Das ist ein Vorteil für uns. Ich weiß, wie er spielt und er kennt mich ziemlich gut.“ Ein weiterer Vorteil ist für die Luxemburger außerdem, dass Konami die Spielstärke der einzelnen Fußballspieler im Videospiel anpasst. So haben die E-Sportler aus dem Großherzogtum beinahe eine gleichwertige Mannschaft wie größere Nationen auf dem Feld stehen. Lediglich einzelne Spieler haben besondere Fähigkeiten – so hat Luxemburgs Maurice Deville beispielsweise das Attribut „Joker“. „Er ist sehr effizient, wenn er eingewechselt wird“, sagt di Marco. Aber vor allem ein anderer Spieler hat es dem Zocker angetan. „Gerson Rodrigues ist sehr schnell und hat ein starkes Dribbling. Er hat mir sehr viel geholfen.“ Auch wenn es nur ein virtueller Charakter ist, betont di Marco: „Ich werde ihm nach der Europameisterschaft ein Bier anbieten.“ Viel Kontakt habe der E-Sportler noch nicht, ab und an teilen die Fußball-Nationalspieler seine Videos auf Instagram. Sollte er bei der Europameisterschaft allerdings weit kommen, wird er sicherlich die eine oder andere Spiel-Anfrage der Fußballprofis bekommen – denn auch sie beschäftigen sich bekanntlich gerne mit den Konsolen. 

Im Überblick

Ergebnisse: 
Luxemburg – Litauen 3:5/4:4  (Hinrunde/Rückrunde)
Luxemburg – Weißrussland 2:2/7:0
Luxemburg – Nordirland 3:0/5:2 
Luxemburg – Georgien 5:6/13:3 
Luxemburg – Kosovo 5:3/5:4

Tabelle: 
1. Luxemburg 20 Punkte/+23 Tordifferenz, 2. Litauen 16/+2, 3. Weißrussland 15/-4, 4. Kosovo 13/+9, 5. Georgien 13/-16, 6. Nordirland 8/-14

Steckbriefe

Name: Gianluca di Marco
Geboren am: 15.11.1987
Wohnort: Remich
Nationalität: Luxemburgisch/italienisch
Spielname: golf_rrrrracer
Beruf: Kfz-Mechatroniker 
Spielt PES seit: 1995 

Name: Steve Wissmann 
Geboren am: 17.8.1989
Wohnort: Eischen
Nationalität: Luxemburgisch
Spielname: lux_tristaan89
Beruf: Mitarbeiter einer Sicherheitsagentur
Spielt PES seit: 2008