ReaktionenLuxemburgische EU-Parlamentarier zu den Gipfelbeschlüssen

Reaktionen / Luxemburgische EU-Parlamentarier zu den Gipfelbeschlüssen
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel waren gestern in der Früh froh, dass die Verhandlungen abgeschlossen werden konnten Foto: Stephanie Lecocq/Pool/AFP

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Mit der Einigung zwischen den EU-Staats- und Regierungschefs ist das Kapitel der Verhandlungen über den mehrjährigen EU-Haushalt sowie über die Corona-Hilfen noch nicht abgeschlossen. Das Europäische Parlament (EP) hat auch ein Wort mitzureden. Wir fragten bei luxemburgischen EU-Parlamentariern nach, wie sie zum Gipfel-Ergebnis stehen.

Im Europäischen Parlament werden heute die politischen Fraktionen über die Einigung der EU-Staats- und Regierungschefs zu den Budgetplänen für die Jahre 2021 bis 2027 sowie den Wiederaufbauplan im Zuge der Corona-Pandemie beraten. Am morgigen Donnerstag werden sie in einer eigens dazu einberufenen Sondersitzung im EP Stellung beziehen. Ganz zufrieden dürften die europäischen Volksvertreter nicht mit dem vorliegenden Ergebnis sein, worauf zumindest die Reaktionen von EP-Abgeordneten aus Luxemburg hindeuten.

Positiv wird die schon als „historisch“ bezeichnete Tatsache bewertet, dass die Union erstmals Schulden aufnehmen wird, um damit die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Doch sieht Charles Goerens die Demokratie bei der Einigung der 27 als „großen Verlierer“. „In den nächsten sieben Jahren werden 40 Prozent der Ausgaben der EU getätigt, ohne das Europäische Parlament zu fragen. Das ist inakzeptabel“, sagt der liberale Politiker der Renew-Fraktion. Damit würden die Rechte des EP beschnitten. Skepsis meldet Charles Goerens zudem bei der ausgehandelten Klausel zur Rechtsstaatlichkeit an, da der ungarische Regierungschef Viktor Orban in Bezug auf diese „jubiliere“. Er wolle daher nun wissen, ob es sich dabei bloß um „eine leere Floskel“ handele und nach welchen Kriterien die EU-Kommission vorgehen wolle, wenn ein EU-Land die Grundwerte nicht mehr einhält und dennoch Geld von der EU erhalten soll. Zur Debatte beim EU-Gipfel stand eine Regelung, nach der Mitgliedstaaten EU-Gelder gestrichen werden sollten, wenn sie sich nicht an Grundrechte und -werte sowie an demokratische Prinzipien halten.

Hart ins Gericht geht Charles Goerens schließlich mit den sogenannten „sparsamen vier“. Er finde es „wirklich schäbig, jämmerlich“, dass der Rabatt für Österreich und die anderen in der Runde auf ihren Beiträgen zum EU-Budget erhöht wurde. „Das wirft ein ganz schlechtes Licht auf die Europäische Union als Solidar- und als Rechtsgemeinschaft“, so der Liberalen-Abgeordnete. 

Auch Marc Angel findet es „ganz schlimm“, dass die Rabatte, die manchen Mitgliedstaaten bisher gewährt wurden, auch nach dem Brexit nicht abgeschafft, sondern im Gegenteil noch weiter erhöht werden. Dass anstatt der vorgeschlagenen 500 nur mehr 390 Milliarden Euro an Zuschüssen für die am meisten von der Corona-Pandemie betroffenen Ländern bereitstehen, damit könne er leben, sagte der EP-Abgeordnete der sozialdemokratischen S&D-Fraktion. Allerdings kritisiert er, dass „im EU-Haushalt vor allem bei zukunftsorientierten Programmen gekürzt wurde, wie der Gesundheit, Erasmus und dem Forschungsprogramm Horizon Europa“. Zudem bedauert er, dass die Forderungen zur Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit „verwässert“ wurden. „Das ist weit von der ursprünglichen Position der Kommission  entfernt, die vom Parlament mit unterstützt wird“, so Marc Angel. Positiv hingegen findet der S&D-Politiker, dass das EU-Budget mehr Eigenmittel erhalten soll, die entweder von einer Digital- oder CO2-Grenzsteuer oder einer Abgabe auf den Plastikverbrauch herstammen soll.

„Total falsche Botschaft“

Für Isabel Wiseler-Santos Lima gehe die Einigung der 27 „in die richtige Richtung“, obwohl auch sie sich „enttäuscht“ darüber zeigt, dass von den geplanten 500 nur mehr 390 Milliarden Euro an Zuschüssen bei den Corona-Hilfen übrig blieben. Die EVP-Politikerin meint jedoch, dass vor dem Gipfeltreffen „hohe Hoffnungen“ gesetzt worden seien. Sehr entschieden zeigt sie sich jedoch, wenn es um die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit geht. „Das muss ganz klar sein, die Rechtsstaatlichkeit muss garantiert werden“, fordert Isabel Wiseler-Santos Lima, die sich das noch im Detail ansehen will. Für sie ist zudem die in die Wege geleitete Möglichkeit von mehr Eigenressourcen für das EU-Budget von großer Wichtigkeit. Allerdings mache sie sich Sorgen über die Rückzahlung der nun beschlossenen Schulden. Sie hoffe, dass daraus keine Gefahr für den EU-Haushalt erwachse, so die EVP-Politikerin.

Die Diskussionen über die Eigenmittel bewertet Tilly Metz von den Grünen ebenfalls positiv, vor allem da hier konkret eine Plastik- und CO2-Steuer angesprochen werde. Ansonsten bedauert sie, dass manche EU-Staaten mit geringen Ambitionen in die Verhandlungen gingen und es im Budget zu Abstrichen etwa bei Investitionen im Gesundheitssektor, der Bekämpfung des Klimawandels, der Forschung oder der Entwicklung des ländlichen Raums gekommen sei. „Alles, was zukunftsorientiert ist, dort wird gespart. Das tut weh“, meint die Grünen-Politikerin. So sei der „Just Transition Fund“, über den die Energiewende in der EU mitfinanziert werden sollte, auf ein Drittel von 30 auf 10 Milliarden Euro gekürzt worden. Doch auch sie ärgert sich darüber, „dass Ländern, denen es nicht so schlecht geht“, weiterhin Rabatte auf ihren EU-Beiträgen gewährt werden. „Ich finde das eine total falsche Botschaft nach außen“, so Tilly Metz.