Wohnungsbauprojekte in der HauptstadtKlein denken war gestern

Wohnungsbauprojekte in der Hauptstadt / Klein denken war gestern
Das Megaprojekt „Cloche d’Or“ aus der Vogelperspektive Foto: Editpress/Julien Garroy

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Quartier Stade, Kirchberg, Hollerich, Stäreplaz, Cloche d’Or: Es vergeht kaum ein Monat ohne Pressekonferenz zu einem der großen Immobilienprojekte in der Hauptstadt. Am Donnerstag z.B. wurde die zweite Phase der urbanistischen Projekte des Viertels Cloche d’Or vorgestellt. Auch beim Projekt „Hollerich“ gibt es Neues. Das Tageblatt nutzt die Gelegenheit zu einem Überblick über die großen Bauvorhaben in der Hauptstadt.

Wenig überraschend entwickelten sich alle Bauprojekte auf Cloche d’Or um das „projet phare“, wie Michel Knepper, „directeur opérationnel“ der Becca-Gruppe, erklärt. Ab Januar 2021 wird das Fitnesscenter „Kieser Training“ seine Türen im Einkaufszentrum Cloche d’Or öffnen. Daneben wird zum Jahresbeginn ein Ärztehaus mit mehreren Praxen und angeschlossener „Imagerie médicale“ im großen Turm, am Boulevard Raiffeisen 21, eröffnen. Die Praxisräume erstrecken sich auf drei Etagen und einer Gesamtfläche von 2.700 Quadratmetern.

Das Bauprojekt Cloche d’Or erstreckt sich über insgesamt 600.000 Quadratmeter. Anfangs waren 52.000 Quadratmeter für Wohnungen vorgesehen. Laut Knepper sei das Verhältnis zwischen Größe und Wohnraum von „Ungleichheit“ geprägt gewesen. Die Reform des PAG („Plan d’aménagement général“) 2017 habe jedoch erlaubt, dass statt den ursprünglichen 52.000 jetzt das Ziel 200.000 Quadratmeter Wohnfläche angestrebt werde, sagt Knepper. „Wir möchten ein Stadtviertel schaffen, das den ganzen Tag lebt.“ Ab 2025 werden rund 25.000 Menschen im neuen Viertel Cloche d’Or leben und arbeiten. Etwas weniger als ein Viertel davon sollen dann auf Cloche d’Or wohnen. In den drei Wohngebieten „Parc“, „Weierbach“ und „Turm Zenith“ werden jeweils 920, 805 und 250 Wohnungen entstehen.

Was die neuerliche Kritik vonseiten der Geschäftsleute des Einkaufszentrums betrifft, versucht Bauunternehmer Flavio Becca, die Lage zu beruhigen. „Ein Einkaufszentrum dieser Größe braucht drei Jahre, bis es den Höhepunkt seiner Kapazität erreicht“, sagt er. Das Shoppingcenter Cloche d’Or feiert gerade sein einjähriges Bestehen.

Becca wehrt sich gegen den Eindruck, Bauunternehmer wie er würden sich die „Taschen voll Geld schlagen“. „Die Preise gehen automatisch in die Höhe, das ist die aktuelle Entwicklung.“ Zwei parastaatliche Akteure, so Becca, die AHBM und der „Fonds du logement“, würden jährlich bis zu 250 Wohnungen bauen. „Wir, als kleiner Betrieb, schaffen es, zwischen 300 und 350 Wohnungen zu bauen“, so der Unternehmer. Er spricht in diesem Zusammenhang von einer „Länge im ganzen Apparat“. Becca fordert, alle wichtigen Akteure aus dem privaten und öffentlichen Bereich an einen Tisch zu versammeln, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen.

Neues aus Hollerich

Als sich der Tabakwarenproduzent Heintz van Landewyck (HvL) vor ein paar Jahren entschied, seine Produktionsstätte aus der Hollericher Straße nach Diekirch (Fridhaff) zu verlegen, wurde damit ein großes Areal mitten in der Hauptstadt frei. Dass sich die Verantwortlichen von HvL dazu entschlossen, das Gelände andersartig zu nutzen, war bei den heutigen Grundstückpreisen keine sonderliche Überraschung. Der Zigarettenproduzent entschied sich, das sechs Hektar große Areal zusammen mit dem Nachbarn Paul Wurth in einem gemeinsamen Immobilienprojekt zu verwerten.

Bereits 2015 präsentierten die Verantwortlichen beider Firmen ihren Plan zur Neugestaltung des insgesamt 18 Hektar großen Areals. Lange Zeit war es ruhig um das Projekt, doch bald dürfte eine weitere wichtige Etappe genommen werden, wie Jürgen Primm vom zuständigen Planungsbüro „Landimmo“ dem Tageblatt sagte. Noch vor Ende dieses Jahres wird der Teilbebauungsplan (PAP) präsentiert werden und seinen Weg durch die Prozeduren antreten. Die großen Ziele des Projekts blieben dabei seit 2015 unverändert: Wohnraum für rund 4.000 Menschen und Platz für rund 2.500 Arbeitsplätze. Es seien nur Details angepasst worden, so habe z.B. der Tamtrasse Rechnung  getragen werden müssen. Der Park mit dem darin befindlichen Schwimmbecken und der „Haaptwuecht“ werden erhalten bleiben und in das Projekt integriert: Sie wurden kürzlich als nationales Denkmal eingestuft.

Dieses Vorhaben ist nicht das einzige in Hollerich. Seit 2003 gibt es Pläne zur Umwandlung des Teils am äußersten Ende bei der Autobahnauffahrt. In der neu zu gestaltenden „porte de Hollerich“ sollen Wohnungen für 6.000 Menschen geschaffen werden. Im Teilbebauungsplan von 2017 ist das 35 Hektar große Areal als „zone mixte urbaine“ eingestuft. Geplant ist ein Ökoviertel. Wie Laurent Langer vom Architektendienst der Hauptstadt in einem Interview mit der Zeitung Le Quotidien sagte, könnten die ersten Bewohner 2030 dort hinziehen.

Seit Jahrzehnten: der Kirchberg

Im Nordosten der Hauptstadt liegt das 337 Hektar große Viertel Kirchberg, das seit den 1970er Jahren ständig im Wandel ist. 1961 wurde der „Fonds d’urbanisation et d’aménagement du Plateau de Kirchberg“ gegründet, um die Entwicklung des Viertels zu koordinieren. Entwickelt wird dort parallel ein Wirtschaftsstandort und ein Wohnviertel. Zurzeit arbeiten 40.000 Menschen dort, langfristig könnten es um die 60.000 sein. Auch die Einwohnerzahl soll steigen. Laut Plänen des „Fonds Kirchberg“ liegt die maximale Entwicklungskapazität bei 27.500 Einwohnern. Momentan sind es um die 4.000.

Auf dem „Domaine du Kiem“ ist das Pilotprojekt „Kiem 2050“ geplant. Verschiedene Wohnformen sollen dort inmitten von Grünanlagen Platz finden. Vorgesehen sind Gemeinschaftsgärten auf Dächern, gemeinschaftliche Ateliers, Waschküchen sowie Spiel- und Gästezimmer. Räumlichkeiten, die zu teuer für einen einzelnen Haushalt wären, sollen allen Bewohnern zur Verfügung stehen. Das soll Kosten sparen und die sozialen Kontakte fördern. Zudem wurde hier ein Konzept ausgearbeitet, welches Wasser- und Energiesparen sowie die Wiederverwertung der Ressourcen als Ziel hat.

Die letzte große Grundstückreserve, über die der Fonds verfügt, ist der „Kuebebierg“ (rund 33 Hektar). Dort und auf „Langfur“ (24 Hektar) sollen langfristig 10.000 Menschen wohnen. Gehört der „Kuebebierg“ dem Fonds, so gehört „Langfur“ teils dem Fonds, teils der Gemeinde Luxemburg und teils Privateigentümern.

Im Viertel Rollingergrund gibt es eine weitere Industriebrache, wo ein größeres Immobilienprojekt geplant ist. 2016 erstand die Gemeinde dort 3,5 Hektar der Industriebrachen von „Villeroy & Boch“ für 14,3 Millionen Euro. Auf insgesamt 8,4 Hektar sollen dort 542 Wohneinheiten entstehen.

Erst Mitte September dieses Jahr wurde das bis dato rezenteste Bauvorhaben vorgestellt: die Umgestaltung der „Stäreplaz“ mit rund 600 Wohneinheiten.

In der Planungsphase befindet sich ebenfalls das Projekt „Wunnquartier Stade“ im Viertel Belair. Auf dem zehn Hektar großen Gelände des Fußballstadions und der umliegenden Grundstücke soll ein Wohnviertel für 1.500 bis 2.500 Einwohner entstehen. Bei einem Ideenwettbewerb wurden voriges Jahr sieben Projekte vorgestellt, die jeder Interessierte im „Bierger-Center“ bis Anfang Februar dieses Jahr begutachten und kommentieren konnte. Die Teilnehmer des Wettbewerbs sollten dann ihre Projekte dementsprechend anpassen, und bis Ende September wieder einreichen. Der Sieger sollte dann im Prinzip Ende des Jahres bekannt gegeben werden, doch wie der Erste Schöffe der Stadt, Serge Wilmes, dem Tageblatt sagte, könnte Corona auch diesen Zeitplan über den Haufen geworfen haben.

Die Immobilien- und Bauagenturen Promobe, die zur Becca-Gruppe gehört, und Extensa veranstalten die „Move Property Expo“, die noch bis zum 12. Oktober im Einkaufszentrum Cloche d’Or stattfindet.