Doppelspitze bestätigtKein Neustart nötig: Souveräne Grüne stellen sich mit vorwiegend digitalem Kongress für 2023 auf

Doppelspitze bestätigt / Kein Neustart nötig: Souveräne Grüne stellen sich mit vorwiegend digitalem Kongress für 2023 auf
Fast wie eine Talkshow, nur mit weniger Streit: der (fast) virtuelle Kongress der Grünen in Luxemburg Foto: Screenshot

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Anders als andere Parteien in Luxemburg können bei den Grünen offenbar derzeit alle gut miteinander – von der Basis bis zu den Spitzenpositionen. Beim virtuell abgehaltenen Kongress wurde viel auf die erreichte Wegstrecke verwiesen – und dass man den Kurs beibehalten wolle, wenn auch mit einigen neuen Zielen. Nachdenkliche Töne gab es vor allem hinsichtlich der Grundrechte, die unter den Corona-Maßnahmen leiden.

EXTRA: Die Finanzen

Schatzmeister Serge Faber zeigte sich zufrieden, dass die Budgetplanung nicht nur eingehalten wurde, sondern sogar deutlich über dem Erwarteten lag – was vor allem darin begründet war, dass die im vergangenen Dezember reformierte Parteienfinanzierung auch den Grünen mehr Mittel verschaffte: Statt der erwarteten 444.420 Euro gab es sogar 601.274 Euro.

Letztlich kann die Partei rund eine halbe Million Euro in der Bilanz als positives Resultat verbuchen – und hat jetzt rund 271.400 Euro auf dem Konto. Für dieses Jahr rechnet der Schatzmeister mit einem Überschuss von mehr als 200.000 Euro – und konnte sich am Samstag über seine Wiederwahl freuen.

Alle möglichen Veranstaltungen digital abzuhalten, das musste auch in Luxemburg praktisch überall in der Gesellschaft in den vergangenen zwölf Monaten gemeistert werden – vom kleinsten Kreis im Privaten über Vereine und andere Organisationen bis zu den großen Playern in Kultur und Politik. 

Die Grünen müssen hier besonders sicher auftreten, schließlich gehört es zu ihrem Credo, dass eine gerechtere, nachhaltigere, gesündere Welt möglich ist ohne sauren Verzicht, sondern vielfach durch Hinwendung zu alternativen und effizienteren Lösungen – ob in der Energieerzeugung, dem Wohnungsbau oder eben der Kommunikation und Verwaltung.

Begreift man den am Samstag abgehaltenen virtuellen Kongress von „déi gréng“ in Luxemburg als solchen Lackmus-Test in Sachen digitale Kompetenz, darf die Partei sicherlich zufrieden sein: Die Parteipräsidenten Djuna Bernard und Meris Sehovic führten in rund zweieinhalb Stunden durch ein Programm, das nicht nur durch den Aufbau des Studios an eine kurzweilige Late-Night-Show erinnerte: Statements und Fragerunden mit Parteigrößen, die meist physisch anwesend waren, wechselten sich ab mit Einspielfilmen und Videoclips von der Basis. Der Parteikongress ist das höchste Organ der Partei und fixiert Strategien und Leitlinien und bestimmt alle zwei Jahre die leitenden Organe.

Als eine Hälfte der Doppelspitze mit Djuna Bernard bezeichnete Co-Präsident Meris Sehovic drei Dinge als die großen Themen der Zeit: die Pandemie, den Klimawandel und die Wahrung des gesellschaftlichen Zusammenhalts.

„Schmerzhafte Einschnitte der Grundrechte“

Als Grüne unterstütze man „die Maßnahmen, die notwendig sind, um die Pandemie in den Griff zu kriegen“, weil die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger zu schützen seien. Gleichzeitig schmerze es aber auch, dabei Grundrechte einschränken zu müssen, da es doch eigentliche Kernaufgabe des Staates sei, diese zu schützen: „Wenn die Maßnahmen keinen Beitrag mehr leisten, um die Pandemie einzudämmen, dürfen sie nicht mehr aufrechterhalten werden“, forderte Sehovic.

Djuna Bernard erklärte, der Kampf gegen die Klimakrise erfordere „klare und ambitionierte Ziele“, denn eine intakte Umwelt sei Grundlage für wirtschaftlichen Wohlstand heute und morgen.

Luxemburg sei auf dem richtigen Weg und entwickele sich etwa durch neue Strategien zur multimodalen Mobilität „zu einem weltweiten Leader“. Gleichzeitig sei es aber nach wie vor eine traurige Tatsache, dass Luxemburg so viel Ressourcen verbraucht wie kaum ein anderes Land auf der Welt – wie gerade erst wieder der sehr früh erreichte „Overshoot Day“ gezeigt habe.

Sehovic betonte dann wieder, man müsse besonders die einkommensschwachen Familien „mitnehmen“: Ein so reiches Land wie Luxemburg müsse den Anspruch haben, keine Armut zuzulassen und dass niemand auf der Straße leben dürfe. Bestimmte Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt hätten das Potenzial, „Gift für den sozialen Zusammenhalt zu sein“. Es habe sich als „Illusion“ erwiesen, dass der private Markt alles regelt. Darum brauche es einen „starken Staat“, der erschwinglichen, nachhaltigen Wohnraum schaffe. Bernard plädierte dann aber auch für ebenso „starke Bürger“ und eine „starke Zivilgesellschaft“. Entsprechendes Wirken sei „Kern grüner Politik“. Entsprechend habe man „Kommunikation und Wissensvermittlung auch innerhalb der Partei angestoßen“.

Verweis auf Einbindung der Chamber

Fraktionschefin Josée Lorsché, die in einer Gesprächsrunde zusammen mit der Europa-Abgeordneten Tilly Metz befragt wurde, befasste sich ebenfalls mit der aktuellen Situation: Sie sei stolz, dass man volle 14 Mal die Chamber habe abstimmen lassen über neue Maßnahmen – während viele andere Länder ihre Parlamente bei weitem nicht so einbinden würden. Trotzdem sei zu spüren, dass es immer schwieriger werde, Akzeptanz für weitere Maßnahmen gegen die Krise zu bekommen. Das sei auch „ganz normal“, schließlich widerstrebe es den Menschen aus dem Inneren, sich so lange einschränken zu lassen.

Tilly Metz warnte vor „Europa-Bashing“. Auch wenn natürlich nicht alles perfekt sei, habe doch das gemeinsame Auftreten in der Coronakrise viele positive Effekte gehabt: So habe man beim Kauf von 3,7 Milliarden Impfdosen eine starke Stellung gegenüber den Herstellern einnehmen können. Eine Haltung, die vielen Herstellern kaum gefallen dürfte: Metz plädierte dafür, intellektuelle Besitzrechte in diesem Bereich aufzuheben, damit auch ärmere Länder eine realistische Chance hätten, sich entsprechend zu versorgen.

In einer Runde mit allen Parteigrößen, die derzeit Regierungsverantwortung haben, erklärte auch Sam Tanson als Ministerin für Justiz und Kultur, man habe „unvorstellbare Maßnahmen“ ergriffen, „die nicht normal sind und keine Normalität werden dürfen“. Den Menschen müsse so schnell wie möglich ihre Eigenverantwortung zurückgegeben werden. Paradoxerweise hätten ja die Maßnahmen, die oft zum Schutz der Vulnerablen ergriffen wurden, diese trotzdem noch weiter geschwächt: Verbesserungen im Kinder- und Jugendschutz stünden darum weiter fix in der grünen Agenda, ebenso wie besserer Opferschutz für Frauen, die in der Pandemie wieder häufiger Opfer von Gewalt würden.

Angebot statt Nachfrage

Auch Henri Kox beschrieb als Minister für Wohnungsbau und Innere Sicherheit den Schutz der Schwächsten über einen weiteren Strukturwandel als erste Aufgabe – „weg von der Nachfrage, hin zum Angebot“ sei die Devise. Der Staat habe eine klare Verantwortung, den Wohnungsmarkt offensiv zu subventionieren, Gemeinden und Genossenschaften mit Geld und Knowhow zu unterstützen – und auch dem privaten Sektor entsprechende Impulse zu geben.

Umweltministerin Carole Dieschbourg beschrieb die kommende Dekade als die Zeit, in der man im Kampf gegen den Klimawandel einen Gang höher schalten müsse – wofür man in den vergangenen Jahren eine gute Basis geschaffen habe. Wichtiger Baustein sei hier der Klimapakt mit den Gemeinden. Solche und andere, bereits erfolgreich etablierte, kommunikative Ansätze aus dem Klimaschutz sollten aber auch zunehmend in anderen Bereichen des Umweltschutzes angewandt werden, etwa im Gewässerschutz, den man also nicht gegen, sondern zusammen mit der Landwirtschaft erreichen wolle.

Claude Turmes, Minister für Energie und Landesplanung, fand ebenfalls, dass man doch in den vergangenen Jahre ermutigende Fortschritte gemacht habe: „Wir können Häuser bauen, die praktisch keine Energie mehr von außen brauchen, große Windanlagen, Null-Emissions-Autos!“ Solche Innovationen könnten schon einen Großteil von dem erreichen, was man für den Klimaschutz tun müsse, und doch bringe „Technik allein uns nicht zum Ziel“: Es brauche auch einen „anderen Urbanismus, andere Formen von Konsum, eine andere Haltung zu Lebensmitteln“. Auch hier der Verweis, dass das alles kein Plädoyer für sauren Verzicht sei, sondern im Gegenteil für einen letztlichen Gewinn an Lebensqualität. Es gebe ja beispielsweise nicht von ungefähr weltweit den zunehmenden Willen, „Autos weniger Platz zu geben, damit mehr Platz für den Menschen da ist“.

Vizepremier mit unruhigem Schlaf

Ein Thema, das auch François Bausch am Herzen liegt, der unter anderem Minister für Mobilität ist: Die innovativen Wege, die Luxemburg gehe, und die „Rekordinvestitionen“ in die Infrastruktur (wie 600 Euro pro Jahr und Kopf für das Schienennetz) hätten weltweit Resonanz gebracht: „Ich kann mich nicht mehr retten vor Einladungen aus dem Ausland, unsere Konzepte zu erklären“, sagte der Minister, der als wichtigste Prämisse erklärte, „nicht mehr Gefährte zu bewegen, sondern Menschen“. Er wolle aber „nicht gegen etwas sein, sondern für etwas“. In einem sinnvollen Modal Split könne auch das Auto noch einen Platz haben. 

Abseits von diesen Themen, als Vizepremier, schlafe er „derzeit nicht so gut – solange, wie Freiheiten und demokratische Grundrechte nicht zu 100 Prozent hergestellt seien: Er mache sich Sorgen, welche Kollateralschäden die Pandemiebekämpfung habe. Besonders bedenklich finde er, „dass plötzlich Konzepte aufkommen, die sich orientieren an solchen, die aus autokratischen Regimen stammen“. Zwischen der Gesundheit auf der einen Seite und „Demokratie, Freiheit und Menschenrechten auf der anderen Seite“ müsste ein Gleichgewicht gehalten werden – das dann auch ein Gegengewicht wäre zu autokratischen Ländern, die vielleicht bei der Gesundheit bessere Ergebnisse erzielten – aber doch nur kurzfristig und um einen ungleich höheren Preis.

Eine Pandemie sei jedenfalls nicht mit „Maßnahmen aus dem Mittelalter“ zu bekämpfen: Sich in Lockdown einzusperren, sei aber geradewegs ein Mittel aus der Zeit der Pest. Da müsse es bessere, innovativere Wege geben. Bauschs Forderung „Im digitalen Zeitalter müssen wir alle Möglichkeiten ausschöpfen!“ hat der digitale Kongress der Grünen jedenfalls weitgehend beherzigt: Nach der „Ministerrunde“ standen noch jede Menge Abstimmungen auf dem Programm.

Dabei wurden die nationalen Gremien teilweise neu besetzt, während auf vielen Posten alles beim Alten blieb: Djuna Bernard und Meris Sehovic wurden mit großer Mehrheit an der präsidialen Doppelspitze bestätigt und werden die Partei zusammen mit den neugewählten Mitgliedern des Parteivorstands in die Gemeinde- und Parlamentswahlen im Jahr 2023 führen. Eine komplette Neuerfindung, wie sie manch anderer Partei in Luxemburg wohl bevorsteht, müssen die Grünen jedenfalls nicht vornehmen.

titi
22. März 2021 - 9.17

Herrn Bausch werden hoffentlich in erster Linie die Umweltpolitik oder deren stiefmütterliche Behandlung von Seiten seiner Partei Kopfschmerzen und schlaflose Nächte bereiten.

Nee Merci
21. März 2021 - 15.26

Allen Politiker nur ein Gehalt von 2500€ auszahlen und schnell werden Taxen, Lebenshaltungskosten, das Leben allgemein für die Normalbürger wieder billiger und er kann das Leben wieder genießen.Nach dem Teuro jetzt grüne Ökosteuerabsahne und Ökobevormundung.Nein, Danke!

Gilles Louschetter
21. März 2021 - 15.22

Da die CSV dabei ist sich selbst abzuschaffen, ist eine gefährliche Konstellation Schwarz – Grün nicht mehr möglich. Das ist gut so.

Stiwi
21. März 2021 - 14.28

Kuckt mol nom dem Wunnengsmaart amplatz iech selwer ob Scheller zeklappen, mir stéieren ob eng riesen Katastroph hin.

Jemp
21. März 2021 - 12.18

@Lucilinburhuc: Wie sagte schon Werner Brösel: Glauben Sie ja nur nicht, wen Sie da vor sich haben! Bisher hat nur die die immense Naivität vieler Mitglieder Fäkalexplosionen in der Parteispitze verhindert.

Paul
21. März 2021 - 12.06

Wat ass dann bei den Gringen souverän?

Kedi
21. März 2021 - 10.02

Paradoxe Politik , digitale Konferenz im Bewusstsein des Klimawandel , diese Technik weltweit zu den Top Verursachern von CO2 gehört.

Lucilinburhuc
21. März 2021 - 8.11

Wie erfrischend! Im Gegensatz zur CSV. Alles Gute gewünscht :)

Till Eule vor dem Spiegel
21. März 2021 - 5.58

Aus der Stube des abbezahlten Ökoluxuseigenheimes heraus , über das digitale CO2 Schleuder Medium Internet wird über die Zukunftsrichtlinien einer Politik diskutiert, den Bürger nach CO2 Steuer „ nach ein puer Frang mat neien Öko Steieren aus der Täesch ze klauen“, ihn mit neuen Ökotaxen, Ökovorschriften zu gängeln, den Verzehr von schmackhaften Steaks,Hamburger zu versauern und jeden Bürger von 5 bis 90 Jahre alt auf das Fahrrad zu zwingen.