DeutschlandKanzlerin Angela Merkel rührt die Werbetrommel für die Impfung

Deutschland / Kanzlerin Angela Merkel rührt die Werbetrommel für die Impfung
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel besuchte gestern mit dem deutschen Gesundheitsminister Jens Spahn (l.) das Robert-Koch-Institut, wo sie von dessen Präsidenten Lothar Wieler (r.) empfangen wurden Foto: dpa/Michael Kappeler

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und Gesundheitsminister Jens Spahn nutzen ihren gemeinsamen Besuch im Robert-Koch-Institut, um eindringlich für das Impfen zu werben. Noch ist Deutschland weit entfernt von der notwendigen Impfquote im Kampf gegen die Delta-Variante. Zur Impfpflicht gibt es eine klare Ansage.

Es war der 18. März 2020, als sich Bundeskanzlerin Angela Merkel mit eindringlichen Worten an die Bevölkerung wandte: „Es ist ernst. Nehmen Sie es auch ernst“ – dieser Satz prägte die Fernsehansprache, die von Beobachtern als historisch beschrieben wird. Heute, 16 Monate später, hat das Land wohl die schwierigste Zeit der Pandemie hinter sich, die Corona-Zahlen liegen auf niedrigem Niveau und der deutsche Sommer ist bisher mehr von Erleichterung denn von Ernst geprägt. Doch Merkel wendet sich erneut an die Bevölkerung. „Die Pandemie ist noch nicht vorbei“, sagt die Kanzlerin am Dienstag bei einem Besuch im Robert-Koch-Institut (RKI).

Statt vor Reichstag und Deutschlandflagge sitzt Merkel diesmal vor blauem RKI-Hintergrund, zu sehen sind Mikroskop-Aufnahmen von Viren und Bakterien. Ihre Worte aber sind wieder eindringlich. Die Kanzlerin appelliert an alle, „die noch unsicher sind, ob sie sich impfen lassen sollen: Eine Impfung schützt nicht nur Sie, sondern auch immer jemandem, dem Sie nahestehen, der Ihnen wichtig ist, den Sie lieben.“

Zuvor hatte sich Merkel mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und RKI-Präsident Lothar Wieler über die Infektionslage ausgetauscht. Vor laufenden Kameras ist man um warme Worte bemüht. Wieler dankt für „die Wertschätzung“, die die Kanzlerin und der Gesundheitsminister dem RKI mit ihrem Besuch entgegenbringen. Merkel betont, das RKI habe sich als „großer Segen“ erwiesen, als Ratgeber nicht nur für Deutschland, sondern auch „für viele in der Welt“. Doch im Kern geht es um das Werben für die Impfung. Denn eine Impfpflicht, wie etwa Frankreich sie für Krankenhaus- und Pflegepersonal einführt, soll es in Deutschland nicht geben. „Wir haben gesagt, es wird keine Impfpflicht geben“, beteuert Merkel. Vertrauen könne man durch Werbung für die Impfung gewinnen.

Noch ist Deutschland aber weit weg von der benötigen Impfquote, um die Delta-Variante zu beherrschen. Das RKI gab in der vergangenen Woche ein Papier heraus, wonach im Kampf gegen Delta mindestens 85 Prozent der 12- bis 59-Jährigen und 90 Prozent der über 60-Jährigen vollständig geimpft sein müssen. Derzeit liegt die Quote der vollständig Geimpften bei rund 43 Prozent, bei den unter 18-Jährigen bei verschwindenden geringen 1,6 Prozent.

RKI-Präsident Wieler zeigt sich am Dienstag dennoch optimistisch, die Zielmarke zu erreichen. „Wir haben eine sehr hohe Impfbereitschaft“, sagt Wieler. Diese liege deutlich über 80 Prozent. Dennoch, der Weg zur erklärten Zielquote ist noch weit. „Es muss uns gelingen, die Impfung zu den Menschen zu bringen“, betont Wieler. Notwendig sei ein „aufsuchendes Impfangebot“. Auch Merkel stimmt ein. „Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt“, sagt die Kanzlerin. Berlin wolle etwa auf dem Parkplatz von IKEA, in Moscheen und Kirchen impfen – Merkel findet all das gut: „Das ist glaube ich schon sehr wichtig.“

Zunehmender Impffortschritt

Gesundheitsminister Spahn erneuert dann auch das Versprechen der Bundesregierung, allen Bürgern in diesem Sommer ein Impfangebot zu machen. „Dieses Versprechen werden wir halten“, sagt Spahn. Der Impfstoff dafür stehe zur Verfügung. Wenn sich alle Bürger noch frühzeitig im Sommer impfen lassen würden, werde bis zum Sommerende nicht nur ein Angebot zur Erstimpfung erfolgen können. Dann könnten bis dahin auch alle eine Zweitimpfung erhalten haben, erklärt Spahn.

Mit zunehmendem Impffortschritt wurde zuletzt die Aussagekraft der Inzidenzwerte infrage gestellt. Denn je mehr Betagte und Risikopatienten geschützt sind, desto mehr sinkt die Gefahr von schweren Covid-19-Verläufen und Krankenhauseinweisungen. „Man kann heute mit höheren Inzidenzen leben, ohne dass das Gesundheitssystem überfordert wird – durch das Impfen“, erklärt Merkel. Zugleich aber bleibe die Inzidenz nach wie vor „eine wichtige Größe“, weil sich aus ihr auch der Grad der Überlastung des Gesundheitssystems ablesen lasse, so Merkel.

Wie bei der TV-Ansprache vor 16 Monaten untermauerte Merkel ihren Appell auch am Dienstag mit dem Verweis auf die Freiheitsrechte. Die Pandemie habe gezeigt, „dass wir wechselseitig verwundbar sind und dass wir aufeinander angewiesen sind“, sagte die Kanzlerin. „Je mehr wir geimpft sind, desto freier werden wir sein.“