AdventszirkusHugo und Samuel: Eine Sprache, die keine Worte braucht

Adventszirkus / Hugo und Samuel: Eine Sprache, die keine Worte braucht
Partner seit 15 Jahren: Samuel Penhastro (links) und Hugo Miró Foto: Editpress/André Feller

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Die beiden spanischen Komödianten Hugo Miró (34 Jahre) und Samuel Penhastro (45 Jahre) sprechen eine Sprache, die keine Worte benötigt. Mit Pantomime, Slapstick, Balance, Jonglage und Humor bindet das Duo im Luxemburger Adventszirkus „Cirque du Lux“ das Publikum in die Show mit ein. Die beiden Künstler agieren zeitgleich als Zuschauer, Regisseur und Akteur. Das Tageblatt unterhielt sich mit zwei außergewöhnlichen Menschen, die seit 15 Jahren als Showpartner zusammen touren.

Tageblatt: Hugo Miró, wie kamen Sie eigentlich als Quereinsteiger zum Zirkus?

Hugo Miró: Als ich 19 Jahre alt war, arbeitete ich als Fremdenführer in Spanien. Durch Zufall lernte ich Samuel und seine Freundin kennen. Beide traten im Zirkus auf, und ich war überraschend angetan von ihrer Lebensweise und der Möglichkeit, im Zirkus seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Kurze Zeit später besuchte ich die Zirkusschule in Madrid und in meinem Heimatort Guadalajara. Mit etwa 23 Jahren stand ich für meinen ersten Job auf der Bühne.

Wieso sind Sie „Comedian“ bzw. Clown und nicht Akrobat oder Jongleur geworden?

Die Welt der Clowns hat etwas ganz Besonderes. Wenn du einen Clown siehst, verliebst du dich dann in ihn? Wenn man in den Zirkus geht, sieht man vielleicht einen Jongleur, einen Akrobaten oder eine Truppe, die viele Dinge tut. Aber wenn man einen Clown erlebt, der einen wirklich zum Lachen bringt – an den wird man sich mit Sicherheit immer erinnern.

Ist ein Clown mehr als ein Mensch mit einer roten Nase?

Clown ist eine Lebenseinstellung. Es ist eine Art, das Leben zu sehen, denke ich. Es ist nicht nur ein Typ auf der Bühne, vielmehr ist etwas zwischen dem Künstler und der Person selbst. Für mich ist es etwas, das tief im Inneren des Menschen liegt.

An wem inspirieren Sie sich für Ihre Shows?

Meine große Inspiration sind Stummfilme, das ist mein Universum. Ich fühle mich als Teil davon. Bereits in meiner Kindheit spielte mein Vater mir die vielen Stummfilme von Charly Chaplin, Laurel & Hardy und vielen anderen vor. Inspirieren tue ich mich von allen Menschen, mit denen ich zusammenarbeitete sowie von meinem heutigen Showpartner Samuel. Ich sammle Erfahrungen von vielen Menschen, ich lerne durch Beobachtung, in unterschiedlichen Staaten und Kulturen, im Theater und im Zirkus.

Samuel Penhastro, Sie sind ebenfalls Quereinsteiger. Wie fanden Sie den Weg in die Zirkusarena?

Samuel Penhastro: Ich habe spaßeshalber im Jahr 2000 meine Karriere als Clown und Comedian mit meiner Freundin Jacqueline begonnen. Ich habe nie über die Möglichkeit nachgedacht, mit Zirkus oder Theater meinen Lebensunterhalt zu verdienen, es hat sich so ergeben. Ich habe vorher Forstwirtschaft studiert. Während des Studiums habe ich immer jongliert und andere Leute aus dem Theater und dem Zirkus getroffen. Ab und zu hatte ich kleine Auftritte. Dann ergab sich die Gelegenheit für Auftritte an spanischen Mittelaltermärkten, das war damals ein Boom. Ich arbeitete zusammen mit Theatertruppen und habe mich immer mehr auf Komödie konzentriert. Comedy liegt einfach in meiner Natur, ich bewundere andere Comedians. Eines Tages verstand ich die Psychologie der Komödie; ich lernte, die Gesellschaft zu verstehen. Nach zwei Jahren Arbeit als Comedian wurde mir bewusst, dass ich einen Traum lebte, von dem ich nie vorher träumte. Ab diesem Zeitpunkt stand für mich fest: Das ist das Leben, das ich mir wünsche. Ich studierte zuerst in erstklassigen Theaterensembles, später entwickelte sich eine Leidenschaft für die Zirkus- und Clownwelt.

Bezeichnen Sie sich selbst als Clown oder doch als Comedian?

Ich konzentriere mich auf Komödie – möchte aber nicht unbedingt sagen, dass ich kein Clown bin. Clown sein ist viel mehr als mit einer roten Nase und großen Schuhen umherzulaufen. Clown sein bedeutet eine Lebenseinstellung, ein Gesamtkonzept. Bustor Keaton ist für mich ein origineller Clown in seinem Charakter, in seinem Wesen, wie er das Leben betrachtet, wie er mit Dingen umgeht, die sich im Leben ereignen. Viele Leute meinen, ich hätte Unrecht, diese Philosophie sei nicht richtig. Ein Clown hat keine konkrete Definition, alle Clowns sind unterschiedlich. Russische Clowns unterscheiden sich von jenen aus Amerika, Europa oder Asien. Jede Kultur definiert einen Clown anders. Doch es gibt „Lehrer“, die schreiben vor, wie ein Clown zu sein hat … er müsse dieses und jenes usw. Aus meiner Sicht ist das falsch, ein Clown darf sich nicht einschränken.

Clown sein bedeutet eine Lebenseinstellung, ein Gesamtkonzept

Samuel Penhastro, Comedian

Kann aus Ihrer Sicht eigentlich jeder Mensch ein Clown sein?

Früher dachte ich, dass jeder einen Clown in sich trägt. Heute habe ich meine Zweifel, aber ich denke, das liegt daran, dass wir nicht frei sind. Wenn die Menschen sich selbst befreien, könnte jeder ein Clown sein. Aber die Gesellschaft legt uns so viele Regeln auf, manipuliert uns derart mit Ängsten, dass wir den Clown in uns verstecken müssen. Viele Clowns sind nicht mal selbst bereit, sich so zu zeigen, wie sie sind. Es ist heutzutage sehr schwierig, sich vor der Welt nackt zu zeigen. Aber wenn wir in der Lage sind, uns von all diesen Ängsten und Regeln zu befreien, dann kann der Clown in uns zum Leben erwachen.

Gibt es für Sie in der heutigen Comedy-Welt ein Vorbild oder gar ein Idol?

Ich kann mich nicht auf eine bestimmte Person festlegen. Sich auf ein Idol, ein Vorbild zu konzentrieren, würde mich als Bühnenkünstler blockieren, meine Authentizität unterbinden. Inspiration und Einfluss, das ist was anderes. Wir beide inspirieren uns viel an Stummfilmen, aber auch an Menschen wie Grock, Charlie Rivel oder Leandro Rivera. Sie und andere Künstler aus der Epoche der Stummfilme haben viel Einfluss auf uns. Wir versuchen, diese Figuren im heutigen Zeitalter koexistieren zu lassen. Trotz aller Inspirationen versuchen mein Bühnenpartner Hugo und ich, unseren eigenen Weg zu gehen.

Auf der Bühne interagiert ihr beiden mit dem Publikum, zum Teil auch mit „Freiwilligen“ auf der Bühne. Wie kommt diese Interaktion zustande?

Wir sind Menschen, jeder Tag bringt etwas Anderes, etwas Neues. Wir arbeiten mit den Emotionen, die in uns stecken, empfangen aber auch die Emotionen aus dem Publikum. Es entsteht eine nonverbale Kommunikation. Jeder gibt, jeder empfängt. Wir versuchen, eine Beziehung mit dem Publikum einzugehen. Die beginnt beim Betreten der Bühne, sie wächst während des Auftritts. Und mit jedem neuen Auftritt entwickeln auch wir uns weiter, wir gewinnen immer weiter an Vertrauen. Das ist wie ein Spiel, wir bauen eine Beziehung zum Publikum auf und schauen, was es uns zurückgibt.

Wie geht ihr mit einem schlechten Tag um? Jeder Mensch hat ja mal Sorgen, Ärger, Trauer?

Das sind Emotionen. Die kann man nicht einfach wegstecken. Also arbeiten wir mit dem, was in uns steckt, wir interagieren mit dem Publikum. Ich erinnere mich an eine solche dramatische Situation, ich fühlte mich schlecht, in vier geteilt, ich war am Boden zerstört. Ich ging trotzdem auf die Bühne, auch wenn mir nicht danach war. Aber auf der anderen Seite ist es eine Therapie. Es gibt diesen Moment, in dem man sich umzieht und rausgeht. Und wenn man dann auf der Bühne steht, lebt man nur diesen Moment. Du denkst nicht darüber nach, was vorher war und nachher sein wird. Du bist einfach mit dem Publikum verbunden, du bist wie in Trance. Und genau das hilft dir, dich in diesem bestimmten Moment zu verändern. Nach dem Auftritt bist du erleichterst, du hast ein anderes Gefühl und kannst die Situation völlig anders bewältigen.

Zum Abschluss unseres Gesprächs hätte ich noch eine Frage. Was ist euer Zukunftstraum?

Wir leben unseren Traum. Unser größter Wunsch ist es, unseren Traum weiterleben zu können.