SrebrenicaHandke statt Tito

Srebrenica / Handke statt Tito
Der Film „Quo Vadis, Aida“ thematisierte bereits auf dem diesjährigen LuxFilmFest das schwerste Kriegsverbrechen seit Ende des Zweiten Weltkriegs

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Ausgerechnet im bosnischen Srebrenica macht sich eine serbische Initiative für die Umbenennung der Hauptstraße nach Peter Handke stark. Der Grund: Wie Belgrad und Banja Luka leugnet auch der Literaturnobelpreisträger den dort 1995 an über 8.000 muslimischen Bosniaken begangenen Genozid.

Es sind keineswegs seine schriftstellerischen Verdienste, die seine serbischen Fans im fernen Bosnien das Loblied auf den Literaturnobelpreisträger von 2019 anstimmen lassen. Peter Handke sei nicht nur „ein großer Freund des serbischen Volkes“, sondern auch „ein großer Kämpfer für die Wahrheit“, begründet Vojin Pavlovic die Forderung der serbisch-nationalistischen Bürgerinitiative „Östliche Alternative“, dem österreichischen Schriftsteller die bisherige „Marschall-Tito-Straße“ in Srebrenica zu widmen: „Wir glauben, dass ein Mensch von solchen Qualitäten die Hauptstraße verdient – gerade in Srebrenica.“

Über 8.000 muslimische Männer und Jugendliche im Alter zwischen 13 und 78 Jahren wurden in den Tagen nach dem Einmarsch der bosnisch-serbischen Truppen am 11. Juli 1995 in Srebrenica in Massenerschießungen ermordet und in Massengräbern in den umliegenden Wäldern verscharrt. Das Ansinnen, Handke ausgerechnet am Ort von Europas schwerstem Kriegsverbrechen seit Ende des Zweiten Weltkriegs den Namen der Hauptstraße zu widmen, reißt in dem entvölkerten, aber heute mehrheitlich von bosnischen Serben bewohnten Srebrenica die ohnehin kaum verheilten Kriegswunden neu auf.

Von einer „Provozierung“ der Opfer spricht gegenüber dem bosnischen Dienst von „Radio Free Europe“ die Witwe Fadila Efendic, die bei dem Massaker außer ihrem Mann auch ihren Sohn verlor: Genozidleugner Handke verherrliche „die Unwahrheit“. Doch nicht nur die muslimische Minderheit zeigt sich vom Vorschlag einer Handke-Straße wenig erbaut. Als „traurig, hässlich und bedauerlich“ bezeichnet die Serbin Dragana Cvejtinovica die Initiative.

Als vereinsamten „traurigen Clown“, der exhibitionistisch nach Liebe und Aufmerksamkeit dürste, schmäht das Webportal „Aljazeera Balkans“ den in Bosnien wegen seiner Verklärung des serbischen Kriegsherrn Slobodan Milosevic im Kriegsjahrzehnt der 90er-Jahre entweder gefeierten oder verabscheuten Literaten. Bei seiner kürzlichen Visite in Serbien und im bosnischen Teilstaat der Republika Srpska wurde Handke von Würdenträgern zwar mit Lobeshymnen, Preisen und Orden überschüttet und behängt. Doch in Srebrenica scheint eine nach ihm benannte Straße nicht konsensfähig.

Mit dem Gegenvorschlag, die Hauptstraße in die „Straße der Opfer des Genozids von Srebrenica“ umzubenennen, haben die bosniakischen Parteien im Gemeinderat reagiert. Auch den serbischen Mehrheitsparteien in der von Serben und Bosniaken seit kurzem wieder gemeinsam regierten Stadt kommt der Vorstoß der im benachbarten Bratunac registrierten „Östlichen Alternative“ eher ungelegen. Bisher habe die Kommune keiner von deren Forderungen Gehör geschenkt, betont Bürgermeister Mladen Grujicic – „auch dieser nicht“.

Doch auch wenn der Gemeinderat sein Ansinnen ablehnt, will Ultranationalist und Handke-Fan Pavlovic nicht lockerlassen. Auf eigene Kosten werde er 500 Plakate mit dem Namen von Peter Handke drucken lassen und damit die Hauptstraße von Srebrenica „verzieren“, kündigt er an: „Es ist in der heutigen Zeit absurd, dass es in Srebrenica noch immer eine Marschall-Tito-Straße gibt, aber ein Nobelpreisträger nicht seine Straße haben kann.“