Abschöpfung von „Übergewinnen“Rede zur Lage der Union: Ursula von der Leyen präsentiert teils radikale Ideen

Abschöpfung von „Übergewinnen“ / Rede zur Lage der Union: Ursula von der Leyen präsentiert teils radikale Ideen
Olena Zelenska (links), die First Lady der Ukraine, wird empfangen von Roberta Metsola, Präsidentin des Europäischen Parlaments (Mitte), und Ursula von der Leyen (CDU), Präsidentin der Europäischen Kommission, vor der Sitzung im EU-Parlament Foto: AP/dpa/Jean-François Badias

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Die EU-Kommission verspricht den Mitgliedsländern hohe Einnahmen durch die geplante Abschöpfung der Gewinne von Stromerzeugern. Dieser „Vorschlag wird den Mitgliedstaaten mehr als 140 Milliarden Euro einbringen“, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch in Straßburg in ihrer Rede zur Lage der EU. Das Geld werde „denjenigen zugutekommen, die es am meisten brauchen“.

Die EU-Kommission hat den 27 Mitgliedstaaten eine Gewinn-Deckelung für Stromerzeuger als eine von mehreren kurzfristigen Maßnahmen gegen die hohen Energiepreise vorgeschlagen. Hintergrund ist, dass billig produzierende Stromerzeuger etwa im Bereich der erneuerbaren Energien satte Gewinne einfahren, weil auf dem europäischen Strommarkt das Merit-Order-Prinzip gilt: Der Preis wird durch das am teuersten produzierende Kraftwerk bestimmt, derzeit also durch Gaskraftwerke.

Die übermäßigen Gewinne von Produzenten von Öko- oder Atomstrom sollen die Regierungen umleiten, um Haushalte und Betriebe zu unterstützen. Darauf hatten sich die Energieminister der EU-Länder vergangene Woche in Brüssel grundsätzlich geeinigt und die Kommission aufgefordert, diese Idee auszuarbeiten.

Die Kommission will dies laut bislang bekannt gewordenen Plänen in Form einer Verordnung umsetzen, also mit einem für alle Mitgliedstaaten gültigen Gesetz. Am Mittwochnachmittag will die Kommission ihren Vorschlag mit mehr Details offiziell vorstellen. Die EU-Energieminister kommen dann Ende September erneut zusammen, um darüber zu beraten.

„Umverteilung“

Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, Franziska Brantner (Grüne), begrüßte von der Leyens Vorschläge zur Umverteilung übermäßiger Gewinne. „Haushalte und Unternehmen müssen europaweit spürbar entlastet werden“, erklärte Brantner.

Von der Leyen kündigte zudem an, dass Stromerzeuger, die aus fossilen Brennstoffen ihren Strom gewinnen, einen „Krisenbeitrag“ zahlen sollen. Die Mitgliedstaaten sollen zu Spitzenzeiten ihren Stromverbrauch senken.

Die Kommissionspräsidentin bekräftigte vor den Parlamentariern, dass ihre Behörde neben diesen kurzfristigen Maßnahmen „eine tiefgreifende und umfassende Reform des Strommarktes“ plane. „Das derzeitige Strommarkt-Design, das auf dem Merit-Order-Prinzip beruht, ist nicht mehr zweckmäßig“, sagte sie. „Wir müssen den dominierenden Einfluss von Gas auf den Strompreis entkoppeln.“

„Ohne Zerstörung der Marktmechanismen“

Länder wie Frankreich, Tschechien und Österreich hatten sich schon länger für eine Entkopplung ausgesprochen, was eine solche Reform voraussetzen würde. Auch der deutsche Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte sich vergangene Woche für eine Entkopplung des Strompreises vom Gaspreis ausgesprochen, „ohne dass wir die Marktmechanismen zerstören“.

Von der Leyen betonte zudem, dass die EU verstärkt auf Wasserstoff setzen wolle. Bislang ist die Infrastruktur für Wasserstoff in Europa wenig ausgebaut. Dafür solle eine europäische Wasserstoff-Bank gegründet werden, sagte die Kommissionspräsidentin. Diese werden dabei helfen, „den Kauf von Wasserstoff zu sichern“. Drei Milliarden Euro sollen der Bank für Investitionen zur Verfügung stehen. (AFP)


„Lage der Union“: Von der Leyens Weg durch die Krise

Es war Ursula von der Leyens dritte Rede dieser Art, seit sie den Posten an der Spitze der Brüsseler Behörde im Dezember 2019 übernommen hat. Und noch nie waren die Aussichten seitdem so düster. Grund dafür ist der russische Angriffskrieg. Gekleidet in den Farben der Ukraine – blaues Oberteil, gelber Blazer – schwor von der Leyen die Bürgerinnen und Bürger auf harte Zeiten ein. „Die bevorstehenden Monate werden nicht leicht“, sagte sie. „Weder für Familien, die nur schwer über die Runden kommen, noch für Unternehmen, die schwierige Zukunftsentscheidungen treffen müssen.“

Diese Aussichten sind Grundlage für von der Leyens teils radikale Vorschläge, die in dieser Form noch vor kurzem kaum denkbar gewesen wären. Sie sehen etwa vor, dass Firmen, die Elektrizität nicht aus Gas herstellen, einen Teil ihrer Gewinne abgeben. Weil der Strompreis derzeit durch den hohen Gaspreis getrieben wird, verdienen auch Produzenten von billigerem Strom aus Sonne, Wind oder Atomkraft deutlich mehr als noch vor kurzem. Damit hätten sie „in ihren kühnsten Träumen nie gerechnet“, sagte von der Leyen.

Details nannte sie zwar noch nicht, einem öffentlich gewordenen Gesetzesentwurf zufolge könnten jedoch Einnahmen ab 180 Euro pro Megawattstunde an den Staat gehen. Davon würden die Entlastung der Bürger finanziert. Die Bundesregierung hatte sich für ähnliche Schritte starkgemacht.

„Krisenabgabe“

Doch auch Gas- und Ölkonzerne sollen von der Leyen zufolge über eine Krisenabgabe einen Beitrag leisten. Dem Entwurf zufolge sollen sie auf Profite des laufenden Jahres, die 20 Prozent über dem Schnitt der vergangenen drei Jahre liegen, eine Abgabe von 33 Prozent zahlen. Die Mehrheit der Fraktionsvorsitzenden im Parlament begrüßte die Vorschläge in ihren Reaktionen auf von der Leyens Rede. Als nächstes beraten nun die EU-Staaten über den Gesetzesvorschlag – das nächste Krisentreffen der EU-Energieminister ist am 30. September.

Als Ehrengast war am Mittwoch die First Lady der Ukraine, Olena Selenska, im Parlament. Von der Leyen sicherte dem von Russland angegriffenen Land die langfristige Solidarität zu. Auch der Druck auf Russland werde nicht nachlassen, versicherte sie: „Ich möchte keinen Zweifel daran lassen, dass die Sanktionen von Dauer sein werden.“ Moskau trage selbst die Schuld daran, dass die russische Wirtschaft den Anschluss verliere.

„Hätten auf Warnrufe hören sollen“

Zur Unterstützung der Ukraine kündigte von der Leyen zudem an, noch an diesem Mittwoch erneut in die Hauptstadt Kiew zu reisen. Man müsse darauf hinarbeiten, dass die Ukraine einen Zugang zum europäischen Binnenmarkt habe und umgekehrt. „Unser Binnenmarkt ist eine der größten Erfolgsgeschichten Europas. Nun ist es an der Zeit, ihn auch für unsere ukrainischen Freundinnen und Freunde zu einer Erfolgsgeschichte zu machen.“ Von der Leyen war bereits zweimal in der Ukraine, seit Russland das Land am 24. Februar angegriffen hatte.

Im Umgang mit Russland gestand von der Leyen auch Fehler ein. „Wir hätten auf die Warnrufe innerhalb der Union hören sollen“, sagte sie und verwies auf Polen und die baltischen Länder. (dpa)

Phil
15. September 2022 - 12.37

@Jeff "Och gutt dass mir an esou engem Demokrateschen Europa liewen, an déi Fra mat enger grousser Majoritéit vum Vollek als EU Cheffin gewielt ginn ass." Dee Witz ass traureg, awer gutt!

jeff
15. September 2022 - 7.33

@w.d. - Wéi soot de Martin Sonneborn - " Wir sollten Europa nicht den Laien überlassen ....!!! " Mä an der Westlecher Politik ass et mëttlerweil Usus dass Inkompetenz befërdert gëtt, fir se vun enger platz ewech ze kréien. Esou dass déi gutt Fra elo eben ganz uewen steet. Och gutt dass mir an esou engem Demokrateschen Europa liewen, an déi Fra mat enger grousser Majoritéit vum Vollek als EU Cheffin gewielt ginn ass. 

Phil
14. September 2022 - 22.09

Déi 3 Ladies schengen sech jo köstlech op der EU-Party ze amuséieren. Sollen sech schummen, well dat ass an der aktueller Situation pietätslos! Et géif een net mengen, dass iwwerdeems d'Mme. Selinski sech bespaßen léisst, hire Mann mat däitschen Panzeren vun der Ex-Armeeministerin von der Leyen, an mat amerikaneschen Himars Rakéiten op Leit schéisst. Dat Sponsoring vun militäreschem Material an finanziellen Mëttel un d'Ukrain huet opzehéieren - direkt!

w. d.
14. September 2022 - 17.32

Das ist alles so peinlich mit dieser Frau v. d. Leyen, was anderes fällt einen dazu nicht mehr ein! Wie soll das mit der EU nur weitergehen?