WeltwirtschaftEuropas Handelsbilanz leidet unter den Folgen des Krieges

Weltwirtschaft / Europas Handelsbilanz leidet unter den Folgen des Krieges
Im August haben die Länder des Euroraums im internationalen Warenverkehr ein Defizit von 50,9 Milliarden Euro verbucht Foto: dpa/Daniel Bockwoldt

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Zwischen 2012 und 2021 hat Europa stetig für mehr Geld Waren ins Ausland exportiert, als es Waren im Ausland eingekauft hat. Die Handelsbilanz wies Überschüsse auf. Damit ist es seit Ende 2021 jedoch vorbei.

Während mehr als zehn Jahren war Europas Handelsbilanz eine Stütze für die Volkswirtschaft der Europäischen Union (EU). Jahr für Jahr konnte sich die Ländergemeinschaft darüber freuen, für mehr Geld Waren in der Welt verkauft zu haben, als man selber Waren importiert hat. Im Monat Juli 2021 beispielsweise war es ein Plus von immerhin 20,7 Milliarden Euro, das allein die Euro-Länder in ihrem Handel mit dem Rest der Welt verzeichnet hatten.

Doch seit November 2021 ist es mit den guten Zahlen vorbei. In dem Monat haben die Länder des Währungsraums ein Defizit von 3,2 Milliarden Euro im Warenhandel verbucht. Das letzte Mal, dass die Länder der Eurozone im Warenhandel ein ähnlich hohes Defizit erwirtschaftet hatten, war im Januar 2013. Im Gegensatz zu damals handelte es sich im November jedoch nicht um einen monatlichen Ausreißer, sondern um eine Trendwende.

Bereits im Dezember 2021 war das monatliche Defizit im Warenhandel auf 7,6 Milliarden gestiegen. Im März 2022 betrug das Defizit dann 17,4 Milliarden, im Juni 26,1 Milliarden Euro. Über den Sommer haben sich die Zahlen dann nicht verbessert. Im Gegenteil. Im Juli stieg das Defizit auf 33,2 Milliarden und im August auf einen neuen, nie dagewesenen historischen Höchststand von 50,9 Milliarden Euro. Ein Jahr zuvor war noch ein Überschuss von 2,8 Milliarden verbucht worden.

Laut den jüngsten Eurostat-Schätzungen lagen die Warenausfuhren des Euroraums in die restliche Welt im August 2022 bei 231,1 Milliarden Euro. Die Einfuhren aus der restlichen Welt beliefen sich auf 282,1 Milliarden Euro. Zugelegt haben derweil sowohl die Importe als auch die Exporte. Die Länder des Währungsraums haben demnach im August 24 Prozent mehr für verkaufte Waren erhalten als vor einem Jahr – jedoch gleichzeitig noch viel mehr für importierte Waren bezahlt (plus 53,6 Prozent).

Hohe Preise für Energie treiben Defizit

Im Zeitraum Januar-August 2022 stiegen die Warenausfuhren des Euroraums in die restliche Welt auf 1.859,8 Milliarden Euro (ein Anstieg von 18,7 Prozent gegenüber Januar-August 2021) und die Einfuhren auf 2.088,6 Milliarden Euro (ein Anstieg von 44,7 Prozent gegenüber Januar-August 2021). Infolgedessen verzeichnete der Euroraum in den ersten acht Monaten des Jahres ein Defizit von 228,8 Milliarden, so Eurostat weiter. Im Vorjahreszeitraum war noch ein Überschuss von 124 Milliarden Euro verbucht worden.

Hintergrund dieser Entwicklung sind vor allem die stark gestiegenen Energiepreise. Insgesamt haben die Länder der Europäischen Union in den ersten acht Monaten des Jahres für 543,8 Milliarden Euro Energie importiert. Das sind 154 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Jahres 2021. Das Defizit im Bereich „Energie“ ist so von 152,5 auf 423,4 Milliarden Euro gestiegen.

Nicht hilfreich dürfte auch der schwache Euro sein. Dieser war vor kurzem auf ein 20-Jahres-Tiefststand zum US-Dollar gefallen. Die Gemeinschaftswährung befindet sich bereits seit Monaten auf Talfahrt. Vor rund einem Jahr erhielt man für einen Euro 1,20 US-Dollar. Am Montag waren es 0,98 US-Cent. Das macht Importe, etwa Energie, teurer.

Der wichtigste Handelspartner in den vergangenen acht Monaten war China. Mit dem Land hat Europa ein großes Handelsdefizit von 259 Milliarden Euro (Vorjahr: Defizit von 139,8 Milliarden). Danach folgen die Vereinigten Staaten, Großbritannien und die Schweiz. Mit den dreien erwirtschaftet die EU jeweils einen Handelsüberschuss.

Der fünftwichtigste Handelspartner der EU ist Russland. In den letzten acht Monaten sind die europäischen Exporte in das kriegsführende Land um 34,3 Prozent auf 38 Milliarden Euro zurückgegangen. Für Importe hingegen hat Europa deutlich mehr bezahlt als im Vorjahreszeitraum: 60,9 Prozent mehr, 153 Milliarden Euro.

Rückblick auf die letzten 20 Jahre: das monatliche Saldo der Handelsbilanz der Eurozone (in Millionen Euro)
Rückblick auf die letzten 20 Jahre: das monatliche Saldo der Handelsbilanz der Eurozone (in Millionen Euro) Screenshot: Eurostat