Luxemburg„Ändert sich jetzt Europas Landkarte?“ – Athénée-Schüler befragen EU-Parlamentspräsidentin zum Krieg

Luxemburg / „Ändert sich jetzt Europas Landkarte?“ – Athénée-Schüler befragen EU-Parlamentspräsidentin zum Krieg
Roberta Metsola bat die Schüler des „Kolléisch“, sie beim Vornamen zu rufen Foto: Editpress/Julien Garroy

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Welche Rolle spielt unsere Abhängigkeit von russischem Öl und Gas im Ukraine-Konflikt? Ist die EU bereit, die vielen Flüchtlinge aus der Ukraine aufzunehmen? Diese und andere Fragen stellten die Schülerinnen und Schüler des „Athénée de Luxembourg“ der EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola, die am Dienstag auf  offizieller Visite in Luxemburg war.

„Hallo, ich bin Roberta. Bitte nennt mich bei meinem Vornamen und nicht Präsidentin oder so.“ Das waren die ersten Worte, die Roberta Metsola im Festsaal des hauptstädtischen „Athénée“ vor mehr als 60 Schülerinnen und Schülern sprach. Metsola wurde am 18. Januar dieses Jahres zur Nachfolgerin des verstorbenen David Sassoli als Präsidentin des Europäischen Parlaments gewählt. Die Malteserin gehört der Europäischen Volkspartei an, jener Parteifamilie, der auch die Luxemburger CSV angehört. „Ich bin 43, stamme aus Malta und bin Mutter von vier Söhnen“, stellte sich Metsola den Schülerinnen und Schülern vor. Ihr Ehemann stamme aus Finnland, also aus der komplett anderen Seite Europas, wie sie sagte.

Nach einigen Einführungsworten von „Kolléisch“-Direktor Claude Heiser waren die Jugendlichen an der Reihe. Einige wollten wissen, welche Rolle unsere Abhängigkeit von russischem Öl und Gas im Ukraine-Konflikt spielt. „Wir hätten uns niemals vorstellen können, dass wir im Jahr 2022 einen Krieg in Europa haben“, sagte Metsola. Sie gab zu, dass Europa nicht genug getan habe, um autonom in der Energieversorgung zu sein. Eine absolute Energieunabhängigkeit sei nicht sofort möglich. Sie erinnerte daran, dass manche Länder bereits großer Fortschritte bei der Versorgung mit erneuerbaren Energien erzielt haben.

EU zu lange in energetischer Abhängigkeit

Andere EU-Länder wiederum seien zu hundert Prozent von russischem Gas abhängig. „Wir haben das zu lange getan“, sagte Metsola und stellte die Frage: „Wie viel müssen wir jetzt in erneuerbare Energien investieren?“ Die komplette Umstellung auf Erneuerbare und die damit einhergehende Lösung aus der russischen Abhängigkeit werde sehr teuer und schmerzhaft sein. Metsola betonte, dass sie dies keinesfalls auf die nächste Generation abwälzen wolle. „Lasst uns die Umstellung jetzt angehen.“

Wir sind diesmal besser darauf vorbereitet und vor allem auch politisch mehr gewillt, besser darauf vorbereitet zu sein

Roberta Metsola, EU-Parlamentspräsidentin

Ein anderes Thema, das die Schüler beschäftigte, war die hohe Zahl der Flüchtlinge aus der Ukraine. Eine Schülerin fragte: „Ist die EU generell bereit, Flüchtlinge auf mentaler, physischer und finanzieller Ebene zu unterstützen?“ Eine andere Schülerin wollte wissen, welche langfristigen Lösungen für jene Flüchtlinge vorgesehen seien, die nun von Privatleuten provisorisch aufgenommen werden. „Wir sind diesmal besser darauf vorbereitet und vor allem auch politisch mehr gewillt, besser darauf vorbereitet zu sein“, antwortete Metsola. In der Vergangenheit seien wir viel zögerlicher gewesen. Flüchtlinge hätten um ihren Schutz kämpfen müssen. „Diesmal ist es anders. Die Umstände sind anders“, so Metsola.

Die Präsidentin des Europäischen Parlaments im Festsaal des „Athénée de Luxembourg“ 
Die Präsidentin des Europäischen Parlaments im Festsaal des „Athénée de Luxembourg“  Foto: Editpress/Julien Garroy

Auf die Frage einer Schülerin, ob sich die Karte Europas durch den Krieg verändern werde, antwortete Metsola: „Die Karte hat sich bereits verändert“, und erinnerte an die Annexion der Krim im Jahr 2014 durch Russland. Die territoriale Integrität der Ukraine sei demnach bereits angegriffen worden. Ein Schüler machte sich Sorgen um einen möglichen EU-Beitritt der Ukraine. „Wie können wir sicher sein, dass Russland das nicht als Aggression wertet und dementsprechend handeln wird?“ Jedes Land habe das Recht, einen EU-Beitritt anzufragen. Die EU sei eher offen und inklusiv als exklusiv, so Metsola.

„Alles tun zum Deeskalieren“

„Was könnte unsere Strategie sein, um den Frieden in Europa wiederzuerlangen?“, wollte ein weiterer Schüler wissen. „Wir sollten immer alles tun zum Deeskalieren“, antwortete Metsola. Jedes Land habe das Recht auf seine Unabhängigkeit und territoriale Integrität. „Was 2014 in der Krim passierte, war in den darauffolgenden Jahren vergessen.“ Sie spricht vom CNN-Effekt. Drei Monate lang würde jeder den Krieg verfolgen und alles darüber lesen. Danach würde man zum nächsten Thema übergehen.

Wir sind sehr besorgt über die Falschinformationen und Propaganda, die in Russland verbreitet werden

Roberta Metsola, EU-Parlamentspräsidentin

Die EU-Parlamentspräsidentin erinnerte daran, dass viele Russen gegen den Krieg seien. Tausende seien im Gefängnis gelandet, weil sie sich gegen den Krieg ausgesprochen hätten. „Wir sind sehr besorgt über die Falschinformationen und Propaganda, die in Russland verbreitet werden“, sagte Metsola. „Ihr solltet immer ein Recht darauf haben, zu entscheiden, wer euch vertritt.“ Bevor „Roberta“ den Saal unter tosendem Applaus verließ, erzählte sie den Schülerinnen und Schülern über ihre ersten erfolglosen Schritte ins EU-Parlament. Sie sei 2005 und 2009 jeweils nicht ins Parlament gewählt worden. Doch sie habe nicht aufgegeben, bis es schließlich so weit war. „Vergisst niemals, wer ihr seid“, sagte sie. Und: „Gebt niemals auf.“

DanV
16. März 2022 - 16.40

"„Wie können wir sicher sein, dass Russland das nicht als Aggression wertet und dementsprechend handeln wird?“ Jedes Land habe das Recht, einen EU-Beitritt anzufragen. " "„Was könnte unsere Strategie sein, um den Frieden in Europa wiederzuerlangen?“... „Wir sollten immer alles tun zum Deeskalieren“" Tosender Applaus? Für diese blabla-Antworten? Das kann doch nicht alles gewesen sein.

Filet de Boeuf
16. März 2022 - 12.33

Sehr gutes Interview. Also liebe Schüler, wenn ihr ein gutes Gehalt haben wollt, erzählt den Leuten Geschichten damit ihr ins Parlament kommt. Dann wird auch die Energieunabhängigkeit nicht so schmerzhaft.