EU-ParlamentEU-Chefdiplomat Josep Borrell verteidigt umstrittenen Moskau-Besuch

EU-Parlament / EU-Chefdiplomat Josep Borrell verteidigt umstrittenen Moskau-Besuch
EU-Chefdiplomat Josep Borrell verteidigte gestern seinen Moskau-Besuch im Europäischen Parlament Foto: AFP/Pool/Olivier Hoslet

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Der Besuch des Hohen Außenbeauftragten der EU, Josep Borrell, vergangenen Freitag in Moskau war in der EU umstritten. Der Verlauf der Visite des EU-Chefdiplomaten habe gezeigt, dass Russland nicht an einem Dialog mit der EU interessiert sei, hieß es gestern während einer Debatte im Europäischen Parlament (EP). Dutzende EP-Abgeordnete hingegen verlangen Borrells Rücktritt.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow und die Führung in Moskau verhielten sich alles andere als freundlich gegenüber dem EU-Chefdiplomaten am vergangenen Freitag. Die EU sei ein „unzuverlässiger Partner“ und in ihren Ländern ginge die Polizei ebenfalls gewaltsam gegen Demonstranten vor, sagte Lawrow während einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Josep Borrell. Gleichzeitig verwies die russische Führung drei Diplomaten aus EU-Staaten des Landes.

Das Vorgehen Russlands wurde gestern von Abgeordneten im EP als eine Demütigung der EU bezeichnet. Entsprechend scharf gingen die Parlamentarier mit der Führung in Moskau zu Gericht. Außer einigen Abgeordneten der extremen Rechten und Linken, denen der deutsche Grünen-Politiker Reinhard Bütikofer daher vorwarf, mehr Verständnis für Putins Diktatur als für die Demokratie in der EU zu haben. Viele EP-Abgeordnete zeigten sich allerdings auch unzufrieden mit Josep Borrell. Mindestens 55 vornehmlich osteuropäische EU-Parlamentarier aus verschiedenen Fraktionen hatten bereits am Dienstag einen Brief (der uns vorliegt) an die EU-Kommissionspräsidentin adressiert, in dem sie dem Hohen Beauftragten vorwerfen, die Interessen und Werte der EU nicht verteidigt und dem Ansehen der Union geschadet zu haben. Sie fordern in ihrem Schreiben Ursula von der Leyen zum Handeln auf, „wenn Herr Borrell nicht aus eigenen Stücken zurücktritt“.

Dieser verteidigte seinen Moskau-Besuch gestern im Brüsseler Plenum und wies unter anderem darauf hin, dass er dafür die Zustimmung der Mehrheit der EU-Staaten hatte. Beim letzten Treffen der EU-Außenminister im Januar wurde die Visite besprochen, gegen die vor allem Abgeordnete von osteuropäischen Ländern waren. Borrells Auftrag sollte es sein, auszuloten, inwieweit eine Wiederannäherung zwischen der EU und Russland wieder möglich sei. Denn die EU-Staats- und Regierungschefs wollen sich bei ihrem Gipfeltreffen im März eingehender mit der strategischen Ausrichtung ihrer Russlandpolitik beschäftigen. Zudem habe er „Auge in Auge“ die Position der EU in Sachen Menschenrechte und politische Freiheiten sowie den Fall des Kremlkritikers Alexej Nawalny ansprechen wollen, erklärte Josep Borrell gestern im EP.

„Naivität“ im Umgang mit Russland

„Die Antwort ist klar: Nein, die wollen nicht“, stellte Borrell gestern in Bezug auf eine Wiederaufnahme eines „konstruktiven Dialogs“ zwischen der EU und Moskau fest. „Ich hatte keine Illusionen vor der Visite, ich bin jetzt noch mehr besorgt“, sagte der EU-Chefdiplomat weiter. Die russische Regierung habe einen „autoritären Weg“ eingeschlagen und die derzeitige „Machtstruktur“ im Lande – wovon Borrell ausdrücklich die russische Bevölkerung ausschloss – biete „keinen Raum für eine demokratische Entwicklung und den Rechtsstaat“, so der Spanier. Dennoch wolle er die Gesprächskanäle mit Moskau offen halten. Zudem müsse die EU weiterhin mit der Bevölkerung und der Zivilgesellschaft in Kontakt bleiben, so der EU-Chefdiplomat und mahnte, die EU-Staaten müssten einig und entschlossen gegenüber Moskau bleiben. Die russische Führung wolle die EU teilen, „wir sollten nicht in diese Falle tappen“, warnte Borrell.

Er selbst aber sei in eine „Medienfalle“ gegangen, die der russische Präsident Wladimir Putin ihm gestellt habe, monierte wie auch andere Redner der Vorsitzende der liberalen Fraktion im EP, Dacian Ciolos. Das Timing für den Besuch sei schlecht gewesen, fand seinerseits der ehemalige estnische Außenminister und liberale Abgeordnete Urmas Paet, der den EU-Europäern insgesamt „Naivität“ im Umgang mit Russland vorwirft. Vor allem polnische Abgeordnete meinten, Borrell habe erst überhaupt nicht nach Moskau gehen dürfen. Er habe das Regime vor den Parlamentswahlen in diesem Jahr gestärkt und der Opposition die Hoffnung genommen, sagte Anna Fotyga von der konservativen EKR-Fraktion. Rufe nach weiteren Sanktionen gegen Russland blieben ebenso wenig aus wie die Forderung, den Bau der russisch-deutschen Gaspipeline „Nord Stream II“ in der Ostsee einzustellen. Bereits im Januar hatte das EP in einer mit großer Mehrheit verabschiedeten Resolution Sanktionen unter anderem gegen Personen gefordert, die mit der Festnahme von Alexej Nawalny in Verbindung stehen.

Diese Forderungen werden am 22. Februar auch wieder Gesprächsthema beim Treffen der EU-Außenminister sein. Er werde von seinem Initiativrecht Gebrauch machen und den Mitgliedstaaten konkrete Vorschläge vorlegen, kündigte Josep Borrell gestern an. Dazu könnten auch Sanktionen zählen.

J.Scholer
10. Februar 2021 - 16.45

„ Nord Stream 2 ist ein Germany -First Projekt. Das ist diese Art von Rücksichtslosigkeit, die dann mit der Behauptung verbrämt wird ,das wäre angeblich eine europäische Angelegenheit.Wenn man in Berlin wirklich auf Europa hören würde, dann hätte man das Ding längst beerdigen müssen.Es schwächt Europa. „Die Aussage zum Borrell Besuch von Reinhard Bütikofer , EU Abgeordneter spricht Bände . Wessen Geistes Kind ist die EU?