StandpunktEndlich vorbei! Überlegungen zur Abschaltung der drei letzten Atomkraftwerke in Deutschland

Standpunkt / Endlich vorbei! Überlegungen zur Abschaltung der drei letzten Atomkraftwerke in Deutschland
Die letzten drei deutschen Reaktoren Isar 2, Neckarwestheim 2 sowie Emsland (Bild) gehen am Freitagabend beziehungsweise Samstag vom Netz Foto: AFP/Ina Fassbender

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Jeder kann mal eine schlechte Entscheidung treffen. Auch wenn es gut gemeint war. Beim Beginn von Projekten weiß man halt weniger als nach Jahren der Erfahrung. Wenn sich dann aber herausstellt, dass eine Technik zu teuer, zu aufwendig, zu langwierig und zu risikobehaftet ist, dann braucht es trotzdem noch Mut zum Umsteuern. Deutschland hat den Mut nun gezeigt.

Und endlich ist es vorbei! Das Zeitalter der stromerzeugenden Atomkraftwerke in unserem Nachbarland. Während Jahrzehnten hatten zigtausende Menschen dafür gekämpft. Den schlussendlichen Ausschlag für den Ausstieg hatte der Unfall im japanischen Fukushima gegeben. Es wird nun zwar noch dauern, ehe die letzten Kraftwerke ganz abgekühlt sind und abgebaut werden können, doch die Entscheidung steht. Wieder angefahren dürften sie aber nicht mehr werden.

Manche äußern nun Angst vor Problemen mit der Versorgungssicherheit. Doch im schlimmsten Falle scheint in diesem Sommer nicht genug die Sonne oder es weht nicht genug Wind. Oder vielleicht gibt es noch nicht genügend Stromspeicher? Dann wird Deutschland kurzfristig auf Importe oder auf fossile Energien zurückgreifen müssen.

Die Regierung verneint das Risiko für die Versorgungssicherheit. Sie könnte recht behalten. Geht es wie im letzten Sommer, dann wäre es wieder Frankreich, das wegen Qualitätsmängeln an den Anlagen oder wegen zu wenig Wasser in den Flüssen auf Importe aus dem Ausland zurückgreifen muss.

Für Luxemburg ist es noch nicht vorbei

Mittel- und langfristig wird Deutschland mit dieser Strategie mit Sicherheit zu den Gewinnern zählen. Das Land zwingt sich nun, die Erneuerbaren und das dafür benötigte Umfeld schnell auszubauen. Teure Importe von Energie dürften somit bald der Vergangenheit angehören. Das wird das Land wirtschaftlich stärken. Bereits 2030 will Deutschland 80 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Energien erzeugen.

In Frankreich hingegen fehlt es an der Einsicht, dass diese Art der Energiegewinnung nicht die Lösung ist. Nicht nur, dass tausende Bürger dagegen protestieren, es bei den Rohstoffen eine Abhängigkeit von Russland gibt und die Frage der Abfälle immer noch ungeklärt bleibt. Auch mit der Wirtschaftlichkeit klappt es nicht. Der Energiekonzern EDF, Betreiber der Nuklearkraftwerke, hat eine derart hohe Schuldenlast angesammelt, dass der ganze Betrieb verstaatlicht werden musste.

Dabei müssen die Betreiber von Atomkraftwerken nicht einmal echte Versicherungen zum Abdecken potenzieller Risiken abschließen. Das wäre zu teuer. Im Falle eines Unfalls (unrealistisch, aber nicht auszuschließen) ist völlig unklar, wie und ob die Betroffenen entschädigt würden. Auch beim Bau von neuen Atomkraftwerken zeigt sich, dass diese Industrie nicht mehr wettbewerbsfähig ist. Die Erneuerbaren haben das Rennen gewonnen. Für den Bau von neuen Werken finden sich kaum noch private Investoren.

Das Erbe des Stroms von gestern bleibt

Man stelle sich vor, die Erneuerbaren wären in den letzten Jahrzehnten genauso stark gefördert worden wie die Nuklearenergie. Heute gäbe es dann bereits auf allen Dächern Solarplatten und Windanlagen an den passenden Orten. Auch die Batterie-Technik und die Netze könnten bereits weiter fortgeschritten sein. Die Abhängigkeit von Energieimporten wäre deutlich kleiner.

Für Luxemburg sind die Risiken des Atomzeitalters leider noch nicht vorbei. Von den drei Nachbarländern laufen immer noch Werke in zweien weiter. In Frankreich versucht man sogar, von einer „Renaissance der Atomkraft“ zu träumen. Dazu kommen wird es wohl nicht mehr. Der Kampf gegen den Klimawandel wird jetzt geführt – doch der Bau eines Nuklearkraftwerks dauert mehr als zehn Jahre.

Im gleichen Sinne: Selbst wenn in Cattenom tatsächlich irgendwann noch zwei neue Reaktoren geplant werden würden … dann bleibt es bei derartigen Bauzeiten und den hohen Kosten nicht sicher, ob der Bau überhaupt irgendwann fertig wird. In den kommenden Jahren dürften die Preise für Erneuerbare zudem weiter zurückgehen. Deutschland steht nun in der Verantwortung: Der Welt zeigen, dass es auch ohne geht.

Trotzdem werden auch in Deutschland noch viele künftige Generationen mit dem Erbe der Atomstromproduktion von gestern zu leben haben. Die vermeintlich billige und klimafreundliche Energie hat hunderttausende Tonnen radioaktiven Mülls hinterlassen. Doch wenigstens werden es nun nicht noch mehr. Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.

Lesen Sie hier das Interview mit Energieminister Claude Turmes zu den geplanten Atomreaktoren in Frankreich.

JJ
16. April 2023 - 9.26

Es gehört schon eine Menge Selbstvertrauen dazu Deutschland und Luxemburg als die einzigen Allwissenden zu stempeln. Deutschland hat die höchsten Strompreise und die Industrie zieht ins Ausland. So schaut's doch aus. Wind und Sonne sind unzuverlässig und Biogas wird nicht langen. Noch alle ein E-Auto und die Steckdosen bleiben leer. Was dieser Alleingang für's Klima bedeutet ist mehr als nebensächlich. Die Großen machen nicht mit und bauen sogar weitere Kohlewerke. DAS ist die Realität. Wer hier verliert liegt auf der Hand.

Robert Hottua
16. April 2023 - 6.57

Die 1933 vom päpstlichen "Luxemburger Wort" begeistert begrüßte und bejahte toxische "Kaiser-Wilhelm" Mentalität beschert uns Luxemburgern bis heute ebenfalls unsichtbare, unkontrollierbare Risiken und Belastungen. MfG Robert Hottua

Jemp
15. April 2023 - 17.22

"ein Ende mit Schrecken", also ein Blackout? das wäre der Tod für 99% der Bevölkerung und die Steinzeit für den Rest. Lieber nicht!