ItalienEhemalige Chefs von ArcelorMittal-Werk werden zu jahrzehntelanger Haft verurteilt

Italien / Ehemalige Chefs von ArcelorMittal-Werk werden zu jahrzehntelanger Haft verurteilt
Im Hintergrund das Ilva-Stahlwerk in Taranto Foto: Giulio Napolitano/Bloomberg

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Ein Schwurgericht im süditalienischen Taranto hat die Unternehmer Fabio und Nicola Riva zu hohen Haftstrafen verurteilt. Die früheren Besitzer und Firmenchefs der Ilva-Eisen-und-Stahlhütte waren der Umweltverschmutzung mit vielfacher Todesfolge angeklagt. In dem Maxi-Prozess mit 44 Angeklagten ist auch der frühere Gouverneur von Apulien, der Linken-Politiker Nichi Vendola, zu einer Haftstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt worden.

Mit hohen Haftstrafen endete einer der größten Umweltprozesse Italiens: Die früheren Besitzer und Firmenchefs der Ilva-Hütte in Taranto (Apulien), Fabio und Nicola Riva, wurden in erster Instanz eines Schwurgerichts zu 22 und 20 Jahren Haft verurteilt. Insgesamt standen 47 Angeklagte sowie drei Gesellschaften vor der Anklagebank. In Italiens größtem Umweltprozess – seit fünf Jahren und 329 Gerichtssitzungen wurde verhandelt – wurden weitere drastische Strafen ausgesprochen. So wurde der frühere Betriebsdirektor Luigi Capogrosso ebenso zu 21 Jahren Haft verurteilt wie der frühere Berater der Riva-Group, Girolamo Archinà. Sowohl für die Riva-Brüder als auch für die Topmanager hatte die Staatsanwaltschaft jeweils 28 Jahre Haftstrafe im Verfahren „Umweltverschleuderung“ gefordert.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Riva-Gruppe, die das Ilva-Werk von 1988 bis 2012 betrieben hatte, wesentliche Auflagen zum Umweltschutz nicht beachtet und somit einen großen Schaden im südlichen Apulien angerichtet hatte. Ilva galt seit langem als Umweltgiftschleuder. Ein Drittel des gesamten italienischen Dioxinausstoßes ging aus den Eisen- und Stahlhütten des Riva-Konzerns in Taranto hervor.

Auch nach dem Besitzerwechsel 2012 – in diesem Jahr stieg das luxemburgische Unternehmen ArcelorMittal bei Ilva ein – hatte sich an der dramatischen Situation nichts verändert. Ein Umstand, dem das Gericht Rechnung trug: Der aktuelle Generaldirektor, der von ArcelorMittal eingesetzte Adolfo Buffo, wurde zu vier Jahren Gefängnis verurteilt.

Seit langem Umweltverpester

Dass Ilva seit langem dem Niedergang geweiht war, mag angesichts der katastrophalen Umweltschädigungen nicht verwundern. Das Werk wurde Mitte der Sechzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts errichtet, zu einem Zeitpunkt, als die boomende italienische Wirtschaft großen Stahlbedarf hatte. Bereits 1971 schrieb der Umweltaktivist Antonio Cederna im Corriere della Sera: „Riva produziert 11,5 Millionen Tonnen Stahl in Taranto, doch bei den Investitionen von zwei Billionen Lire ist nicht im Geringsten an Maßnahmen gegen die Luftverschmutzung gedacht, noch je ein Baum zum Schutz der Bevölkerung gepflanzt worden.“

Der Standort entwickelte sich, doch in gleichem Maße nahmen Gesundheits- und Umweltgefährdung zu. Nirgendwo sonst ist die Krebs- und Sterblichkeitsrate unter Kindern so hoch wie im Umfeld der Ilva-Stahlhütte. Die römische Regierung zog 2012 die Notbremse: Das Werk wurde am 26. Juli quasi über Nacht geschlossen. Riva konnte nicht in die Umweltauflagen investieren und meldete Konkurs für das Werk an – das multinationale Konsortium ArcelorMittal übernahm und erhielt zunächst 10.000 der 14.000 Arbeitsplätze.

Seit mehr als zwei Jahren bemüht sich nun das Konsortium, aus dem Unglücksunternehmen auszusteigen. Doch eine endgültige Lösung konnte bislang nicht für die Probleme gefunden werden – schließlich war und ist Ilva der größte Arbeitgeber im südlichen Apulien. So hangelten sich Industrie und Politik von Kompromiss zu Kompromiss, begleitet seit dem 17. Juli 2016 von der juristischen Aufarbeitung.

Auch Politiker verurteilt

Nicht nur die früheren Betreiber der Ilva-Hütte, auch politisch Verantwortliche aus den vergangenen Jahren gehören zu den aktuell Verurteilten. So erhielt der frühere linke Gouverneur von Apulien, Nichi Vendola, eine Haftstrafe von dreieinhalb Jahren. Der ehemalige Direktor der Umweltbehörde Arpa, Giorgio Assenato, wurde zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt.

Die Anwälte der Riva-Gruppe kündigten an, gegen das Urteil in Revision zu gehen. Sie verwiesen darauf, dass das Familienunternehmen nach den Umweltauflagen 4,5 Milliarden Euro in die Ilva-Hütte investiert habe, um den Schadstoffausstoß zu reduzieren. Außerdem habe Riva weitere 1,2 Milliarden Euro für die Beseitigung von Umweltschäden gezahlt. Ob ein Appellationsgericht den Anträgen der Verteidigung folgen wird, ist schwer absehbar. Bewohner der Region um Taranto hatten bereits 2019 erfolgreich vor dem Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg wegen Umweltverschmutzung und Gesundheitsgefährdung gegen den Riva-Konzern geklagt.

Birdie
1. Juni 2021 - 17.31

Und hier bestrafen die Grünen das gemeine Volk mit Steuern, während die Stahlbarone den Golfplatz für sich beanspruchen