MotorsportDylan Pereira: „Ich wäre den Mechanikern am liebsten in die Arme gesprungen“

Motorsport / Dylan Pereira: „Ich wäre den Mechanikern am liebsten in die Arme gesprungen“
Eine Siegesfeier ohne Maske, wie hier 2019 am Sachsenring, gab es 2020 bislang nicht  ATP

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Dylan Pereira feierte am Sonntag beim dritten Lauf des Porsche Mobil 1 Supercup einen Start-Ziel-Sieg auf dem Hungaroring in Ungarn. Ob der Luxemburger Pilot vom Team Lechner Racing einen Motorsport-Hype in Luxemburg auslösen wird, wie er sich den aktuellen Erfolg in der Serie erklärt und was ein Rennfahrer eigentlich montags macht – das sind die Themen im Tageblatt-Interview.

Tageblatt: Nach fünf Wochen Quarantäne in der Motorsport-Blase sind Sie am Sonntagabend als Gesamtführender zurück nach Luxemburg aufgebrochen. Wie fühlt es sich an, ein paar Tage zu Hause verbringen zu können?

Dylan Pereira: Diese Quarantäne war für uns die einzige Möglichkeit, überhaupt wieder fahren zu dürfen. Wer positiv war, durfte gar nicht erst anreisen. Vor Ort angekommen, wurden wir an jedem dritten Tag getestet. Insgesamt war ich während einem Monat nur mit meinen Teamkollegen unterwegs. Klar vermisst man die Familie und die Freunde, aber es ist mein Job – und den mache ich sehr gerne. Jetzt genieße ich aber die paar freien Tage.

Ist diese Rückkehr an bestimmte Auflagen des internationalen Automobilverbands FIA gebunden? 

Im Moment können wir, zumindest offiziell, tun und lassen, was wir wollen. Am Tag vor dem nächsten Abflug, also kommenden Mittwoch, werde ich mich wieder testen lassen, damit ich das Resultat am Donnerstagmorgen habe. Ich bin vorsichtig und habe beispielsweise gestern (am Sonntag) beim Rückflug genau auf die Maske und die Desinfektion aufgepasst. Obwohl ich jetzt zu Hause bin, werde ich nur meine Familie und ein paar enge Freunde treffen. Es kommt jetzt nicht infrage, jeden zu umarmen. Wäre ich nämlich positiv, wäre meine Saison bereits zu Ende.

Wann werden Sie nach Silverstone aufbrechen und wieder in Quarantäne sein? 

Grundsätzlich ist es beim Porsche Cup nicht so streng wie in der Formel 1. Es gibt unterschiedliche Regeln. Mein Teamkollege (Jaxon Evans) ist Neuseeländer und durfte am Hungaroring beispielsweise nur vom Hotel bis zur Strecke. Ich dagegen hätte auch in Budapest essen dürfen. Da muss man sich also genau nach den Regeln, die für die einzelnen Staaten gelten, erkundigen. Wäre er in Budapest in einem Restaurant erwischt worden, wären 15.000 Euro Strafe fällig geworden. Wir könnten zwar in Silverstone auch wieder abreisen, aber vor Ort zu bleiben, ist für mich einfacher. Nach den zwei Rennen in Silverstone soll es danach eigentlich in Barcelona weitergehen. Aufgrund der vielen Infektionen in Spanien ist das allerdings noch nicht ganz sicher. 

Wie regeneriert und entspannt eigentlich ein Motorsportler in dieser kurzen Pause?

Ein bis zwei Tage kann man es etwas entspannter angehen. Montags mache ich so wenig wie möglich und genieße es, auszuschlafen. Ich hatte heute (gestern) Morgen ein Mentaltraining, denn man kann sich in so einer kurzen Zeitspanne zwischen den Rennen nicht erlauben, einfach mal gar nichts zu machen. Wir haben dabei über die vergangenen drei Wochen gesprochen. Morgen (heute) wiederholen wir das, zudem werde ich ein Lauftraining absolvieren. Ab Mittwoch stehen dann wieder Krafttraining, Stabilisations- und Reaktionstraining auf dem Programm. 

Sie führen zum ersten Mal in Ihrer Karriere das Feld des Supercups an. Wie wurde dieser Erfolg gefeiert und stört es Sie, dass die Party auf dem Podium im Moment kleiner ausfällt?

Ein bisschen gefeiert wurde das schon. Wir haben mit den Mechanikern und dem Team gemeinsam gegessen. Auf der Strecke müssen die zwei Meter Abstand immer eingehalten werden, deshalb genießt man es, dass am Tisch alles etwas lockerer ist. Wir haben uns ja nicht mit anderen Leuten vermischt und werden regelmäßig getestet, sodass kein Risiko bestand. Eigentlich wäre ich den Mechanikern ja am liebsten in die Arme gesprungen, doch da muss man sich auf dem Podium dann zurücknehmen. Es ist anders, es gibt keine Zuschauer an der Strecke, aber traurig macht es mich nicht. Ich weiß nämlich, dass sehr viele Leute die Rennen im Fernsehen verfolgen. 

Sind Sie der Meinung, dass sich nach diesen drei ersten Wettkampfwochen bereits weitaus mehr Luxemburger für Ihre Rennen interessieren?

Nach meinen Siegen in der vergangenen Saison kamen abends zwei bis drei Follower auf Instagram hinzu, jetzt sind es jedes Mal 50. Nach dem Rennen am Sonntag habe ich etwa 700 Nachrichten bekommen und noch immer nicht auf alle einzelnen antworten können. Ich kann mir also vorstellen, dass ein paar Luxemburger mehr zusehen. Es wird ja auch wesentlich mehr darüber berichtet. Die Schwimmer Julien Henx und Raphaël Stacchiotti haben mir geschrieben, und auch Bogenschütze Pit Klein, den ich erst vor wenigen Wochen bei der Maskenverteilung der Armee kennengelernt habe. 

Sie hatten vor dem Saisonstart erwähnt, dass 20.000 Zuschauer Ihnen mitten in der Nacht bei den virtuellen 24 Stunden von Le Mans zugesehen haben. Wie viele Menschen sitzen denn sonntags vor dem Fernseher, um die Porsche-Serien zu verfolgen?

Genaue Zahlen habe ich nicht, allerdings wurde uns berichtet, dass unsere ersten drei Rennen mehr Views hatten als die besten Zuschauerzahlen der DTM-Rennen, die der Sender vorher gezeigt hatte. Auf der Strecke sind es meist 300.000. Diese sitzen eben jetzt vor einem Bildschirm. Hinzu kommen ja auch alle, die jetzt wegen mir zuschauen.

Sie knüpfen auf der Strecke nahtlos an die Erfolge auf dem Simulator an, die Sie im Frühling feierten. Hat Ihnen die Zeit am Computer geholfen, sich zu verbessern? 

Ich weiß es nicht, aber geschadet hat es mir jedenfalls nicht. Meine Reaktionszeiten, die wir davor und danach getestet haben, sind besser geworden. Es hilft also auch im Rennen auf der Strecke. Dass das allerdings der einzige Schlüssel zum Erfolg ist, glaube ich nicht. Der Lockdown hat mir ermöglicht, mich gut vorzubereiten, auch mental. Meiner Familie und mir geht es gut, niemand ist krank. Ich habe fast keine Fehler gemacht. Mit den Erfahrungswerten der letzten vier und fünf Jahre weiß ich, was verlangt ist. Mein Team war perfekt eingestimmt. Es kam also alles zusammen. 

Hat Sie der Erfolg überrascht? 

Ich muss zugeben, dass es so ist. Klar habe ich mit ein paar Tagessiegen gerechnet, aber dass es gleich so gut laufen würde, hatte ich nicht erwartet. Ich kann mir vorstellen, dass die Konkurrenz verärgert ist und mich vom Thron stoßen will. Ich wäre es jedenfalls. In Silverstone habe ich das freie Training auf dem zehnten Platz beendet. Es hat geregnet, dass es nicht so gut lief, lag zum Teil an mir und an dem Auto. Wir haben abends noch viel Arbeit reingesteckt, um tags darauf auf der Pole abzuschließen.

Wie lässt sich die Konkurrenz im Moment einschätzen und mit dem Fahrerfeld aus den vergangenen Jahren vergleichen?

Es sind bis auf wenige Ausnahmen nach wie vor die gleichen. Es ist nicht so, als wären nur Neue hinzugekommen. Mein Teamkollege Jaxon Evans hat das erste Rennen gewonnen, ich war auch nicht viel schneller als er. Jetzt geht es nach Silverstone, auf eine sehr lange Strecke. Das bedeutet, dass einem viele Fehler unterlaufen könnten. Ich stand dort schon ein paar Mal auf dem Podium und mag den Circuit eigentlich sehr gerne. 

Motorsportler müssen bekanntlich Perfektionisten sein. Was können Sie in den nächsten Rennen noch besser machen?

Ein eindeutiges Problem gibt es nicht. Vielmehr muss man stets weiterarbeiten. Keiner im Feld kann sich erlauben, sich auszuruhen. Es liegen erst drei von acht Rennen hinter uns. Natürlich habe ich ein kleines Polster herausgefahren und könnte mir eigentlich erlauben, einmal Zweiter oder Dritter zu werden. Bei einem Ausfall würde es aber wiederum ganz schnell nach unten gehen. 

Porsche Mobil 1 Supercup

Stand nach 3 von 8 Rennen:
1. Dylan Pereira (LUX/BWT Lechner Racing) 70 Punkte
2. Ayhancan Güven (TUR/Martinet by Alméras) 48 Punkte
3. Larry ten Voorde (NL/Team GP Elite) 48 Punkte