LuxemburgDr. Samuel Luyasu berichtet von der Covid-Hilfsmission in Portugal

Luxemburg / Dr. Samuel Luyasu berichtet von der Covid-Hilfsmission in Portugal
Dr. Samuel Luyasu ist überzeugt, dass sich der Einsatz der Luxemburger Teams vor Ort in Portugal auch langfristig bewähren wird. Ihm selbst wird vor allem der herzhafte Empfang der Kollegen in Erinnerung bleiben. Foto: Samuel Luyasu

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Anfang des Jahres setzt eine dritte Corona-Welle Portugal ganz besonders zu. Das Gesundheitssystem des südeuropäischen Landes steht kurz vor dem Kollaps, die Behörden beantragen internationale Hilfe. Luxemburg sagt zu und entsendet zwei Teams nach Evora. Dr. Samuel Luyasu (53) ist Teil der zweiten Mannschaft, die am 21. Februar im Krankenhaus „Espirito Santo“ ihren Dienst antritt. Der Intensivarzt weiß, dass sein Beitrag zwar wichtig, aber nur Bruchteil einer großen gemeinsamen Anstrengung ist. An Symbolik aber sei die Luxemburger Unterstützung nicht zu überbieten.

„Ich“ kommt im Vokabular von Dr. Samuel Luyasu nur selten vor. Im Singular tritt das Personalpronomen in der ersten Person in Luyasus Ausführungen tatsächlich kaum in Erscheinung. Wenn überhaupt, dann spricht der Intensivmediziner von „wir“ und von „uns“, von den Anstrengungen einer gesamten Mannschaft, die weit über die Grenzen Evoras hinausgehen, in der Luyasu mit drei weiteren Kollegen aus Luxemburg die Intensivpflege der unter großem Druck stehenden Krankenhäuser Portugals vor einem Monat zu unterstützen versuchte.

„Dieser sanitäre Tsunami bietet eine einmalige Gelegenheit, zu zeigen, dass auch die Solidarität zwischen Gesundheits- und Pflegekräften innerhalb Europas möglich ist. Die Verbundenheit im Gesundheitswesen ist eine menschliche Besonderheit“, unterstreicht Dr. Samuel Luyasu. Schwache, kranke Jungvögel werden beispielsweise von ihrer Mutter zugunsten der stärkeren Geschwister vernachlässigt. Hier dominiere der Überlebensinstinkt der Arten, so der Arzt mit 20 Jahren Erfahrung in Intensivmedizin. „Der Mensch hingegen ist das einzige Lebewesen, das sich gegen seine Instinkte sträubt und Schwächeren unter die Arme greift.“

Dieses Solidaritätsempfinden sei dem Menschen nicht angeboren. „So wage ich auch zu hoffen, dass die Anwendung von Solidarität unsere Gesellschaft auf Dauer positiv beeinflusst. Dennoch sollten wir uns nichts vormachen: Solidarität ist und bleibt ein täglicher Kampf“, betont der Arzt gegenüber dem Tageblatt.

Am Rande des Kollaps

Samuel Luyasus Aussagen sind gepflegt, seine Worte wählt der wortgewandte Belgier aus dem „Centre hospitalier du Luxembourg“ (CHL) mit Bedacht. Er weiß um die besondere Stellung des Quartetts in dieser beispielhaften Mission, die vier Profis aus dem Luxemburger Gesundheitswesen Mitte Februar nach Evora führt, um den Kollegen im Süden Portugals in dieser beispiellosen Krise beizuspringen.

Das südeuropäische Land zählt zu diesem Zeitpunkt zu den „am schlimmsten betroffenen Ländern der Welt“, Medien sprechen von einem „Corona-Tsunami“. Allein am letzten Samstag im Januar werden bei 10,3 Millionen Einwohnern mehr als 12.430 Neuinfektionen und fast 300 Corona-Tote festgestellt. Auf Luxemburg heruntergebrochen wären dies rund 750 Infektionen und fast 20 Tote innerhalb von 24 Stunden. Die Krankenhäuser sind überlastet, das Gesundheitssystem steht am Rand eines Kollaps. Die portugiesische Regierung weiß sich nicht mehr anders zu helfen, als um internationale Hilfe zu bitten.

Nach Deutschland und Frankreich ist Luxemburg das dritte Land, das dem Hilferuf Folge leistet. Am 14. Februar fliegen Dr. Modesta Dargeviciute und Krankenschwester Filomena Silva Costa nach Portugal. Sieben Tage später folgen Dr. Samuel Luyasu und Krankenpflegerin Monica Valente.

Als Mitglied der „Réserve sanitaire“ habe er keinen Moment gezweifelt und dem Aufruf des Gesundheitsministeriums sofort Folge geleistet, unterstreicht der Arzt. Ohne die Unterstützung der Direktion und seiner Kollegen aus dem CHL sei dies jedoch nicht möglich gewesen, so Luyasu weiter. Auch ihnen gelte sein Dank: „Die Kollegen haben indirekt zum Erfolg dieser Mission beigetragen, indem sie mit vereinten Kräften während meiner Abwesenheit für mich eingesprungen sind.“

Auf die Gründe seiner Teilnahme angesprochen, antwortet der Mediziner mit einem knappen Wort: „Solidarität!“ Die Widerstandsfähigkeit sämtlicher europäischer Staaten werde von dieser „beispiellosen Krise“ auf die Probe gestellt. „Als überzeugter Europäer weiß ich, dass eine Krise Gefahr und Chance zugleich ist. Einerseits droht der Rückzug in den Alleingang, andererseits tragen Krisen zum europäischen Aufbauwerk bei.“

Nach ihrer Rückkehr am 8. März werden Dr. Samuel Luyasu (M.) und seine drei Mitstreiter von Premierminister Xavier Bettel und Gesundheitsministerin Paulette Lenert für ihr Engagement in Portugal geehrt
Nach ihrer Rückkehr am 8. März werden Dr. Samuel Luyasu (M.) und seine drei Mitstreiter von Premierminister Xavier Bettel und Gesundheitsministerin Paulette Lenert für ihr Engagement in Portugal geehrt Foto: SIP

Ein gemeinsamer Kraftaufwand

Seinen eigenen medizinischen Beitrag versucht Luyasu weitestgehend aus dem Rampenlicht zu halten. Dieser verblasse gegenüber der Symbolik dieser Mission, erklärt der Mediziner. Die Anerkennung gelte vielmehr den Mannschaften vor Ort. Sie waren es, die der Krise über Monate hinweg die Stirn geboten und aus einem kleinen regionalen Krankenhaus in der Provinz Alentejo ein regelrechtes Fachzentrum aufgebaut haben. Aus fünf Intensivbetten seien deren 22 entstanden, auf mehrere Stationen verteilt.

Auch wenn sich die dritte Welle bei seiner Ankunft wieder etwas geglättet hatte, so war die Intensivstation des „Espirito Santo“ noch immer komplett ausgelastet. Der Einsatz der Mannschaften vor Ort dürfe deshalb nicht unerwähnt bleiben. Die Aufstockung der Kapazitäten auf 22 Intensivbetten sei das Resultat eines gemeinsamen Kraftaufwandes sämtlicher Mitarbeiter, die das Team aus Luxemburg sofort mit offenen Armen empfangen haben.

Besonders beeindruckt habe ihn die Geschwindigkeit, mit welcher er als integraler Bestandteil des Teams aufgenommen wurde. „Die Mannschaft hat mir sofort Vertrauen geschenkt. Das wiederum hat es mir erleichtert, die Patienten in aller Autonomie zu betreuen und gleichzeitig erschöpfte Kollegen zu entlasten“, so der Arzt, der zwei Wochen lang in einer Einheit mit acht Covid-Betten zum Einsatz kam. Keine einfache Aufgabe: Sechs Patienten waren an Beatmungsgeräte angeschlossen. Zwei weitere benötigten eine fortwährende Dialyse. „Die Patienten waren sehr krank … und nicht besonders alt“, betont der Facharzt.

Die Erfahrung aus 20 Jahren Intensivmedizin kamen ihm dabei durchaus zugute. „Die Aufgaben waren eigentlich die gleichen wie auf sämtlichen anderen Intensivstationen der Welt: rapport du matin, analyse des résultats et des tendances évolutives, examen des patients, définition des objectifs, adaptation des traitements, pose de gestes techniques, anticipation et traitement des déstabilisations …“

Nicht zu vergessen die zahlreichen Gespräche unter Kollegen. Bei einer Gelegenheit habe er sogar Dr. Monique Reiff, eine Neurologin aus dem CHL, mit einbezogen und um ihre professionelle Einschätzung gebeten. Ein weiterer Beweis für eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit, die im „Espirito Santo“ überaus geschätzt worden sei, so Luyasu, der sich kurz vor seinem Abflug noch auf der Covid-Station des Universitätskrankenhauses Mont-Godinne in Belgien auf seine Mission in Evora vorbereiten konnte. „Damit hat die gesamte Mission erst recht eine erweiterte europäische Mission angenommen“, sagt der Mediziner augenzwinkernd.

Die größte Herausforderung sei indessen die Sprachbarriere gewesen. Doch auch diese habe man recht pragmatisch überwinden können: Mit den Ärzte-Kollegen habe er sich auf Englisch verständigt, mit den Krankenpflegern auf Englisch und – dank „Google Translate“ – auch auf Portugiesisch. Dabei konnte der Arzt auch auf die Unterstützung der Teamkollegin aus Luxemburg zurückgreifen. Monica Valente spricht nicht nur fließend Französisch, sondern als gebürtige Portugiesin natürlich auch die eigene Muttersprache. Für ihn als Frankofonen seien die Fachbegriffe auf Portugiesisch auch recht verständlich gewesen. „Sodass ich ab der zweiten Woche bereits meine Notizen in den Patientenakten auf Portugiesisch verfassen konnte. Natürlich immer noch mit der Hilfe von Google – und dem Korrekturlesen meiner portugiesischen Kollegen“, ergänzt der Arzt mit einem Lachen.

Keine Zukunftsmusik

Der Erfolg der Mission sei denn auch vor allem auf die Solidarität der Kollegen und die rasche Integration vor Ort zurückzuführen, meint Samuel Luyasu. Er habe persönlich und beruflich von diesen zwei Wochen profitiert. Auch seien trotz der relativ kurzen Aufenthaltsdauer Bande geknüpft worden, die sich langfristig bezahlt machen. Ganz besonders am Herzen aber liege Luyasu der warmherzige Empfang vor Ort: „Unsere portugiesischen Freunde wurden damit zum eigentlichen Urheber des Erfolges“, betont der Intensivarzt aus dem CHL.

Auf die Frage, welche persönliche Schlussfolgerung er aus der Mission ziehe, antwortet Samuel Luyasu: „L’ésperance qu’un autre chemin que le repli sur soi en temps de crise est possible.“ Diese Mission habe ihm bewiesen, dass man sich überall in Europa zu Hause fühlen könne. „Und dass Solidarität keine leere Floskel ist“, fügt er hinzu. „Vielmehr nährt sie die Hoffnung, dass wir nicht wieder in Zeiten verfallen, in denen das europäische Aufbauwerk nur Zukunftsmusik war.“

Krankenschwester Monica Valente (2.v.l.) und Dr. Samuel Luyasu (2.v.r.) werden von Premier Xavier Bettel (DP) und Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) empfangen
Krankenschwester Monica Valente (2.v.l.) und Dr. Samuel Luyasu (2.v.r.) werden von Premier Xavier Bettel (DP) und Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) empfangen Foto: SIP

Zur Person

Dr. Samuel Luyasu ist Experte für Innere Medizin und Intensivmedizin. Der 53-Jährige hat die belgische Staatsbürgerschaft und arbeitet seit 2017 in der Notfallaufnahme des „Centre hospitalier de Luxembourg“ (CHL). Dr. Luyasu ist gleichzeitig auch Berater im „Service d’immuno-allergologie“ des CHL. Mit mehr als 20 Jahren Erfahrung im Bereich der Intensivmedizin gilt er zu den Experten seines Faches. Im „Espirito Santo“ war der Arzt zusammen mit der Krankenschwester Monica Valente vom 21. Februar bis zum 8. März im Einsatz.