KoalitionsverhandlungenDie Phase des Zuhörens – Gespräche mit Sozialpartnern und Umweltverbänden

Koalitionsverhandlungen / Die Phase des Zuhörens – Gespräche mit Sozialpartnern und Umweltverbänden
Von links nach rechts: Lex Delles, Xavier Bettel, Luc Frieden, Claude Wiseler, Elisabeth Margue, Claude Meisch  Foto: Editpress/Julien Garroy

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Bevor die Koalitionsgespräche heute in die Phase der Arbeitsgruppen gehen, trafen sich die Delegationen von CSV und DP unter Leitung von Formateur Luc Frieden mit Vertretern von Gewerkschaften, Arbeitgebern und Umweltverbänden. 

Auf den ersten Blick war der Eindruck am Senninger Schloss idyllisch: Auf dem Teich reckte ein schwarzer Schwan seinen langen Hals in die Richtung der Besucher, die sich am gestrigen Tag der Koalitionsverhandlungen trafen. Dabei war vor allem Zuhören angesagt, denn Luc Frieden und die beiden Delegationen von CSV und DP wollten sich den Forderungen der Gewerkschaften OGBL, LCGB und CGFP sowie der Patronatsvertreter und am Nachmittag jenen der Umweltorganisationen vergewissern. Dass ein schwarzer Schwan für Finanzwissenschaftler nicht unbedingt ein gutes Omen sein muss, dürften die Gesprächspartner dabei ignoriert haben.

Vorhandenes Konfliktpotenzial

Am Vormittag waren die Sozialpartner zu den Gesprächen eingeladen worden. „Wir konnten heute unsere Kernthemen, die uns am Herzen liegen, den beiden künftigen Koalitionspartnern auf den Weg geben“, sagte OGBL-Präsidentin Nora Back nach der etwa einstündigen Unterhaltung mit den Vertretern der beiden Parteien. „Nun hoffe ich, dass sie auch das meiste davon übernehmen. Wir mussten unser Programm auf das Wichtigste reduzieren. Das betraf vor allem Fragen zum Arbeitsrecht, zur Lohnpolitik, zu den Pensionen, zum Gesundheitssystem und Logement sowie zur Ökologie.“ Die größte Gewerkschaft des Landes hatte bereits im Vorfeld festgestellt, dass angesichts der Wahlprogramme der beiden Parteien große Unterschiede zu den Vorstellungen der Gewerkschaften bestehen. Eines der wichtigsten Konfliktpotenziale dürften die Arbeitszeiten darstellen, weil CSV und DP dabei weiter in Richtung Flexibilisierung gehen wollen. „Für den OGBL ist wichtig, eine Work-Life-Balance herzustellen“, so Nora Back, „so dass die Menschen eine Voraussehbarkeit ihrer Arbeitszeiten haben. Aber jetzt geben wir der neuen Regierung erst mal eine Chance und sind zumindest froh darüber, dass sie uns anhören und großen Wert auf den Sozialdialog legen – und ebenso, dass sie auf das Instrument der Tripartite zurückgreifen wollen.“

Nora Back (OGBL) und Patrick Dury (LCGB)
Nora Back (OGBL) und Patrick Dury (LCGB) Foto: Editpress/Hervé Montaigu

LCGB-Chef Patrick Dury zeigte sich zufrieden über die Gespräche. „Wir haben mit dem Sozialdialog angefangen – und haben mit ihm auch aufgehört. Für uns ist es wichtig, dass das Luxemburger Modell funktioniert.“ Dafür müssten die drei Partner Regierung, Gewerkschaften und Patronat miteinander sprechen, so der Präsident der christlichen Gewerkschaft. Für den LCGB sei es wichtig, „dass wir so schnell wie möglich eine stabile Regierung bekommen“. CGFP-Präsident Romain Wolff sprach das Thema Steuerreform an: „Diese wurde lange angekündigt. Nun ist der Moment gekommen, dass sie umgesetzt wird. Unsere Steuerwünsche bleiben gleich: Die Anpassung der Steuertabelle an die Inflation und die Abschaffung der Steuerklasse 1A. Wir können uns vorstellen, dass man die Reform vielleicht nicht auf einmal machen kann, in mehreren Etappen ist es jedoch möglich.“

Derweil sagte der Präsident des Unternehmerverbandes Michel Reckinger, dass auf dem Programm der Gespräche mit den Arbeitgebern unter anderem die Fonds standen und es darum gegangen sei, wie man diese in Luxemburg halten könne. Weitere Themen waren Logement und Konstruktion, Steuern und Beschäftigung. Allgemein sei die Stimmung positiv gewesen, meinte Reckinger, und fügte hinzu: „So hoffen wir, dass es auch positiv weitergeht. Im Logement sind unsere Forderungen eher kurzfristig, weil der Bau momentan am Boden liegt, weil wir in den nächsten Monaten riskieren, eine Reihe von Unternehmen zu verlieren. Das Problem müssen wir kurzfristig lösen, ohne dass man gleich Gesetze ändert. Langfristig muss man eine Vision entwickeln, etwa wieviel wir bauen wollen. Wir müssen viel mehr bauen als heute und uns fragen, wie das möglich ist. Wenn es im Logement nicht läuft, hat dies eine direkte Konsequenz auf alles.“

Am Nachmittag waren schließlich der Mouvement écologique und der Nachhaltigkeitsrat zu Gast im Schloss von Senningen. Nach den Gesprächen nannte Romain Poulles, der Präsident des Nachhaltigkeitsrates die Forderungen seiner Delegation: „Wir wollen, dass die Nachhaltigkeit zur Chefsache wird, mit der koordinierenden Rolle eines Staatssekretärs, der dem Premierminister unterstellt ist. Außerdem muss viel in der Kommunikation getan werden. Wir brauchen viele Daten, um die Nachhaltigkeit zu steuern.“ Nicht zuletzt seien neue Indikatoren notwendig, so Poulles. Er habe auch darauf bestanden, dass der vom Nachhaltigkeitsrat entwickelte „PIB du Bien-être“ und der ökologische Foodprint zu Steuerungsinstrumenten werden. Poulles Fazit: „Ich fand, dass es ein reger Austausch war und bin mit den Gesprächen von heute ganz zufrieden.“

Kritische Fragen statt Gefälligkeit

Die Präsidentin des Mouvement écologique, Blanche Weber betonte, dass auf jeden Fall die Klima- und Biodiversitätsziele eingehalten werden müssten. „Wie wir die erhalten, darüber können wir diskutieren. Jedenfalls dürfen wir sie nicht in Frage stellen, nur weil es heute vermeintlich dringendere Frage gebe“, so die Umweltschützerin „Zwar müssten wohl in der Frage der Akzeptanz bei der Bevölkerung Anpassungen gemacht werden, aber wir sollten nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Als positiv betrachtete Blanche Weber ihren Eindruck nach den anderthalb Stunden, dass die Gesprächspartner kritische Fragen und nicht nur „Gefälligkeitsfragen“ stellten. „Wir müssen aber auch den Mut haben, fundamentale Herausforderungen unserer Gesellschaft aufzuwerfen, etwa wie unsere Sozialsysteme unabhängiger vom Wachstum werden.“

Gegen 16 Uhr sprach der Formateur schließlich zur Presse: „Wir hatten einen interessanten und intensiven Austausch zuerst mit den Sozialpartnern“, so Luc Frieden, „danach aber nicht minder intensiv und bereichernd mit dem dem Mouvement écologique und dem Nachhaltigkeitsrat.“ Luxemburg brauche starke Betriebe, interessante Arbeitsplätze und einen gut funktionierenden öffentlichen Dienst. Der CSV-Politiker betont die Bedeutung des Sozialdialogs. Eine große Herausforderung sei die Situation auf dem Bauwesen, weil in diesem Sektor Tausende von Arbeitsplätzen betroffen seien, sagte er. Im Finanz- und Fondssektor stehe Luxemburg in immer stärkerer Konkurrenz zu anderen Standorten, besonders zu Irland, aber auch zum Teil mit London. Hier gehe es darum, dass Luxemburg wettbewerbsfähig bleibe. Die künftigen Koalitionspartner seien sich auch der Klima- und Biodiversitätskrise bewusst, so der Formateur, aber auch damit, „dass die Betriebe funktionieren und wir Wohnungen bauen müssen. Dabei muss auch die Akzeptanz bei der Bevölkerung erhalten bleiben.“

Nächste Phase beginnt

In den kommenden Tagen sowie nächste Woche werden die Wahlprogramme von CSV und DP in den einzelnen Arbeitsgruppen „zusammengelegt“. In einigen Punkten gebe es dabei Überschneidungen, betonte Luc Frieden, andere seien komplementär zueinander und bei anderen Fragen wiederum gebe es Divergenzen. Die Personen, die an den Arbeitsgruppen teilnehmen, gehören nach Friedens Worten der CSV oder der DP an oder stehen den Parteien nah. Am Freitag wird ein Zwischenbericht der Arbeitsgruppen erwartet. Bis zu den Allerheiligenferien sollen die Gruppen ihre Arbeiten abschließen sein. Ein erstes Fazit des Formateurs: „Wir haben noch nicht verhandelt, sondern vor allem zugehört.“ Zum Teil sind die Gruppen noch nicht ganz konstituiert. Die beteiligten Personen könnten am Freitag genannt werden. Dass sich schließlich neben einem schwarzen auch ein weißer Schwan zeigt, dürfte auch die Finanzmathematiker beruhigt haben.