OGBL„Die Pflegerinnen und Pfleger hatten keine Zeit zum Durchatmen“

OGBL / „Die Pflegerinnen und Pfleger hatten keine Zeit zum Durchatmen“
Ein Pfleger mit Handschuhen hält die Hand eines Covid-19-Patienten Symbolbild: dpa/Belga/Dirk Waem

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Das Personal des Gesundheits- und Pflegesektors will sich nicht länger bloß mit Dankesworten für die Arbeit während der Covid-19-Krise abspeisen lassen. Von der Politik fordert die Belegschaft klare Zusagen zur Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen. Zentrale Forderung ihrer Gewerkschaft OGBL: eine sofortige Aufstockung des Personals um 10 Prozent, und zwar in allen Bereichen.

Nach der ersten Welle habe man sich schnellstens wieder der Betreuung anderer Patienten widmen müssen. Die Dienste in den Krankenhäusern seien wieder schnell hochgefahren worden. Das Personal habe sich nicht von der ersten Covid-Welle erholen können. So schildert Chantal Gantrel, Vizepräsidentin des Syndikats Gesundheit und Sozialwesen des OGBL, die aktuelle Lage in diesem auch laut Politik zentralen Bereich der Gesellschaft. „Da kommt der Moment, in dem man sein Bestes nicht mehr geben kann“, sagt Gantrel. „Da kommt der Moment, in dem die Leute sagen: Mir geht die Puste aus.“

Gantrel, die auch Präsidentin der Personaldelegation im „Centre hospitalier Emile Mayrisch“ (CHEM) ist, erzählte am Donnerstag aus der Sicht jener Frauen und Männer, denen vor einigen Wochen noch allabendlich vom Balkon aus oder auf der Straße Beifall gezollt wurde. Die Situation sei auch für sie belastend gewesen. Die Covid-Patienten hätten intensivere Pflege gebraucht. Nach Hause zu ihrer Familie seien sie oftmals mit der bangen Frage zurückgekehrt, ob sie alles richtig gemacht hätten. Da auch dem Pflegepersonal Menschen aus Risikogruppen angehören, hätten viele Kollegen die Arbeitszeit verlängert und Überstunden gemacht. Die Gesellschaft habe nach der ersten Welle durchatmen können, das Personal jedoch nicht, stellt auch der OGBL-Zentralsekretär Pitt Bach fest.

Es fehlt an Pflegekräften

Der Gewerkschaft ist die Lage im Gesundheits- und Pflegebereich bereits seit Langem bekannt. Es mangele an Personal, und das in allen Berufsgruppen, sei es Krankenpfleger, Reinigungskräfte oder administrative Mitarbeiter, sagt Bach. Die Corona-Krise habe dies konkret vor Augen geführt. Der Mangel allein bei den Pflegekräften in den Krankenhäusern beträgt laut OGBL 18 Prozent. Ermittelt wird der Personalbedarf seit den 1990er Jahren anhand der erstmals in Kanada angewandten PRN-Methode („projet de recherche en nursing“). Sie berechnet das anfallende Arbeitsvolumen pro Haus aufgrund der in den vergangenen Jahren gesammelten Erfahrungen. Doch die Ausstattung mit Personal entspricht lediglich 82 Prozent des errechneten Arbeitsumfangs, so die Gewerkschaft. Sie befürchtet eine akute Unterversorgung mit Fachkräften. Wenn die Nachbarregionen die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte verbessern, werde die sanitäre Krise recht schnell eintreten, befürchtet Bach. Ein Großteil des Fachpersonals stammt aus unseren Nachbarländern.

Die Gewerkschaft fordert eine Personalaufstockung von 10 Prozent, und zwar für sämtliche Berufsgruppen in den Krankenhäusern, Pflegeheimen und sozial-erzieherischen Einrichtungen. Von der Politik seien konkrete Signale erfordert, sagt Bach. Man wolle sich mit den einzelnen Parteien treffen, um ihnen die Situation vor Ort zu schildern. Die Personalaufstockung würde Mehrausgaben von 15 bis 20 Prozent bedeuten, schätzt er.

Die Frage, ob zusätzlich gefordertes Personal – die Rede ist von Hunderten benötigter Pflegerinnen und Pfleger – überhaupt vorhanden ist, scheint Pitt Bach nicht sonderlich zu stören. Kapazitäten seien vorhanden, sagt er. Syndikatspräsident Thomas Klein spricht von vielen Personen, die wegen der Arbeitsbedingungen den Beruf verlassen hätten. Eine Verbesserung Letzterer würde dazu beitragen, dass Fachkräfte bleiben.

Bessere Ausbildung

Langfristig würde eine Aufwertung des Berufs zusätzliche Mitarbeiter anziehen, so Bach. Dazu gehört der Gewerkschaft zufolge auch eine Reform der Ausbildung. Derzeit schließt ein Berufsanfänger seine Ausbildung als Krankenpfleger mit einem im Ausland nicht anerkannten Bac +2 ab. Eine typisch luxemburgische Lösung, meint Bach. Die Schaffung eines Bachelors mit möglichem anschließendem Master für spezialisierte Pflegekräfte würde zusätzlichen Schülern den Zugang zum Beruf ermöglichen. Aufgewertet werden müsste ebenfalls die Ausbildung der Hilfspflegekraft.

Schließlich sollten in allen Gesundheits- und sozioedukativen Bereichen dieselben Arbeits- und Gehaltsbedingungen herrschen, folglich ein gemeinsamer Tarifvertrag, fordert die Gewerkschaft. Grundlage sollte der aktuelle Kollektivvertrag für das Krankenhauswesen bilden, der vorteilhafter als das Abkommen im Sozial- und Pflegesektor ist.

Seinen Forderungen will der OGBL mit gewerkschaftlichen Aktionen Nachdruck verleihen. Wegen der Corona-Krise sind Großdemonstrationen jedoch vorerst ausgeschlossen.

Hexe
16. Juli 2020 - 16.21

Solle mir normal Patienten dann elo an d'Ausland goen fir eis behandelen ze loossen?