Pressefreiheit„Das kann alles sehr gefährlich werden!“: Sorge um die Sicherheit von Journalisten

Pressefreiheit / „Das kann alles sehr gefährlich werden!“: Sorge um die Sicherheit von Journalisten
Roger Infalt, Präsident der „Association luxembourgeoise des journalistes professionnels“ (Mitte) und Luc Caregari, Generalsekretär (links), bei einer Kampagne für die Einführung einer Auskunftspflicht gegenüber Journalisten Archivfoto: Editpress/Hervé Montaigu

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Die Chamber ist sich einig: Journalisten müssen besser vor Anfeindungen geschützt werden. Eine entsprechende Erklärung wurde jedenfalls in Luxemburg unterzeichnet. Experten sind aber skeptisch, ob in Luxemburg und Europa genug getan wird, die Presse und ihre Mitarbeiter vor körperlichen und ideellen Nachstellungen zu schützen.

Die Sicherheit von Journalisten war Gegenstand einer zeitweise recht hitzigen Aktuellen Stunde im Parlament. Kein Wunder, schließlich war mehr schlecht als recht in einer zugrundeliegenden Resolution von Guy Arendt (DP) versteckt, dass eine Parlamentspartei durch das Verhalten eines Abgeordneten überhaupt erst Anlass zu Text und Aussprache gegeben hat – jedenfalls zum großen Teil.

Nachdem der Rauch in der Chamber verflogen war, haben zwar alle Parteien die Resolution mitgetragen, die den Schutz von Journalisten etwa vor persönlichen Angriffen fordert – jetzt muss sich zeigen, was das Wert ist.

Luc Caregari, Generalsekretär der Journalistenvereinigung ALJP,  hatte jedenfalls schon im Vorfeld „keine großen Erwartungen“, wie er im Gespräch mit dem Tageblatt verriet: „Im Rahmen der Pandemie haben sich Sachen verschärft, die wir vorher auch schon beobachtet haben: ein gewisses Misstrauen bis zum Hass gegen die sogenannten ‚Mainstream-Medien’.“ Dabei sei die Aggressivität gestiegen auf das jetzige Niveau. „Beleidigungen gehören zu fast jeder Corona-Demo dazu“, stellt Caregari fest. Dazu kämen Morddrohungen oder die Veröffentlichung persönlicher Daten von Journalisten in Foren voller militanter Aussagen – und eben auch noch „eine Partei wie die ADR, die das ‚Lügenpresse’-Narrativ bemüht“.

Da würden weitere noch so schöne Worte durch die anderen Parteien wenig nutzen: „Das Problem ist ja nicht nur, dass wir diese aggressive Haltung gegenüber den Medien haben, sondern auch eine Politik, die weder auf die ALJP noch auf den Presserat hört!“, ärgert sich der Caregari und bezieht sich damit auf die Auskunftspflicht, die man seit gut zwölf Jahren fordert. Ihr Fehlen heize nämlich das gegenwärtige Klima nur an: „Je weniger Information wir haben, desto weniger können wir weitergeben – und das verstärkt dann den fatalen Eindruck des ‚Man sagt uns ja nicht alles’“, glaubt der ALJP-Generalsekretär.

Denn das sei schließlich ein wichtiger Entstehungspunkt von Verschwörungstheorien: der Eindruck, dass man nicht alles weiß oder erfahren kann. „Und das befeuert die Regierung, indem sie diese Auskunftspflicht nicht verankern will!“

Ob sie das mit Absicht mache oder nicht: „Das kann alles sehr gefährlich werden!“, warnt Caregari.

Dass die Lage für Journalisten, zumindest relativ, nicht besser wird, ist messbar: Die rezenten Statistiken von „Reporter ohne Grenzen“ zeigen Luxemburg auf Platz 20 der Weltrangliste der Pressefreiheit. 2020 stand es auf Platz 17, vor neun Jahren noch auf Platz vier. 

ALJP-Präsident Roger Infalt macht auch das fehlendes Gesetz zur Auskunftspflicht verantwortlich: „Luxemburg ist mit Malta eines der zwei einzigen Länder in Europa, die noch keine Auskunftspflicht haben“, stellt Infalt fest. Das derzeitige Transparenzgesetz sei nicht ausreichend. „Das Transparenzgesetz besagt, dass jede Person in Luxemburg Dokumente beantragen kann – nicht nur die Presse.“ Dabei gehe es aber nur um Dokumente und die Regierung kann sich einen Monat Zeit lassen, eine Antwort zu geben – oder es gleich ganz lassen: „Es gibt keine Verpflichtung zur Antwort“, sagt Infalt. Das helfe den Journalisten nicht.

„Circulaire Bettel“ als schlechter Ersatz

Auch das von Premierminister Xavier Bettel eingeführte „Circulaire Bettel“ sei kein adäquater Ersatz für echten Informationsanspruch: „Es besagt, dass ein Beamter nicht sofort mit der Presse reden kann, sondern die Informationen an die Kommunikationsabteilung des zuständigen Ministeriums oder Abteilung weiterleiten muss“, erklärt Infalt. Diese Regelung bringe jedoch mit sich, dass der Leiter der Kommunikationsabteilung nur die Antworten herausfiltert, die ihm passen. 

Caregari hat jedenfalls den Eindruck, „dass die Medien das Narrativ der Regierung aufnehmen sollen, ohne zu viel nachzufragen.“ Wenn man den ökonomischen Druck im derzeitigen Journalismus mit einrechne, passiere dann auch genau das – mit den derzeit erlebbaren Folgen: Den Medien wird vorgeworfen, nur Sprachrohr der Mächtigen zu sein.

„Transparenz gibt es nur bei positiven Nachrichten, nicht bei schlechten“, bringt es Carigari sarkastisch auf den Punkt – und ärgert sich über weitere Nebelkerzen im Umgang mit der Presse: etwa den ständigen Verweis auf „laufende Verfahren“, selbst, wenn die gar keinen Grund darstellten, nicht doch eine Auskunft zu geben. 

Bettel hat am Donnerstag zwar erklärt, er wolle den Journalisten durch eine Anpassung des nach ihm benannten Rundschreibens entgegenkommen, doch das überzeugt bei der ALJP nicht: Ein vorliegender Entwurf sei „quasi dasselbe wie vorher“, meint Infalt. Man fordere ein viel weiter gehendes Informationszugangsrecht oder eine Auskunftspflicht wie in Deutschland, wo jede Auskunft zu erteilen ist, solange sie, beispielsweise, nicht die öffentliche Sicherheit gefährdet.

Ricardo Gutiérrez
Ricardo Gutiérrez Foto: Editpress-Archiv

Mit seinen Problemen ist Luxemburg aber auch nicht alleine. Ricardo Gutiérrez, Generalsekretär des Europäischen Journalistenverbands EFJ, sieht die Pressefreiheit jedenfalls europaweit „im Niedergang“: Er verweist etwa darauf, dass in einer Datenbank zur Sicherheit von Journalisten kein Land mehr ohne einen Eintrag sei. Die Doxing-Attacke auf den Tageblatt-Journalisten hat dort auch zu einem weiteren Eintrag unter „Luxemburg“ geführt. Vor zehn Jahren habe man nur Einträge bei Ländern wie den typischen Problemstaaten gehabt. „Aber jetzt sitzt in Großbritannien mit Julian Assange ein Whistleblower im Gefängnis!“, empört sich Gutiérrez.

Jetzt würden auch in den alten westlichen Demokratien viele Politiker immer aggressiver gegenüber den Medien – das sei der „Trump-Effekt“:  „Die Mächtigen denken, dass sie weniger Probleme bekommen, wenn sie Journalisten ‚Staatsfeinde’ nennen!“ Das führe immer öfter auch zu „Angriffen durch normale Bürger, für die die Journalisten doch eigentlich arbeiten!“

Das alles sei besorgniserregend: „Viele Medien sind in keiner guten Situation, viele wurden finanziell durch Corona weiter geschwächt, jetzt kommt auch noch das feindliche Umfeld dazu“, zählt Gutiérrez auf. Dabei seien Staaten ausdrücklich verpflichtet, die Presse zu fördern und zu schützen, etwa durch grundlegende Texte wie die Europäische Erklärung für Menschenrechte. 

Auch Prof. Dr. Mark Cole, Professor für Medien- und Telekommunikationsrecht, sagt: „Es reicht nicht nur, nicht einzugreifen, indem der Staat etwa keine Presseräume durchsuchen lässt!“ Vielmehr sei dieser ganz klar in einer „Garantenpflicht“. Das könne zum Beispiel auch bedeuten, dass „bei Demos vielleicht mehr Polizeischutz für Journalisten abgestellt wird“. 

Um die Pressearbeit zu schützen, sei es aber auch nötig, wieder klarere Linien zu ziehen, was Presse ist und was nicht: „Um als Medium anerkannt zu werden, muss man sich an Regeln halten. In Luxemburg zum Beispiel an den ‚Code de déontologie’, der verlangt, dass man nicht wissentlich Falschmeldungen verbreitet.“

Mark Cole bei einer Podiumsdiskussion
Mark Cole bei einer Podiumsdiskussion Foto: Editpress

Es gebe aber etwa auch das Phänomen von „Pseudo-Medien“, die oft nur aus einer Person bestehen, die sich an so etwas nicht hielten – oder sich solcher Regeln, wie dass man der Gegenseite zuhören müsse oder für gravierende Aussagen auch entsprechend starke Belege brauche, nicht einmal bewusst seien.

„Viele glauben, sobald ich ‚Presse’ rufe, habe ich alle Freiheiten der Welt. So ist es aber nicht“, stellt Cole fest. Er rechnet damit, dass es in Zukunft auch zu einer Schärfung der Definition kommen müsse, was man von den Medien erwarten kann, die sich vollumfänglich auf Pressefreiheit berufen wollen.

„Auf den ersten Blick ist das nicht gut“, räumt Cole ein, „denn da besteht natürlich wieder die Gefahr der Einflussnahme. Trotzdem sei das wohl letztlich „fast unvermeidlich, wenn man Vertrauen wieder aufbauen will“. 

Und das sei nun mal auch nötig, damit Journalisten wieder weniger Feindseligkeit und mehr Wertschätzung entgegengebracht wird.