Covid-19Corona und Senioren: „Auch Depressionen können verschleppt werden“

Covid-19 / Corona und Senioren: „Auch Depressionen können verschleppt werden“
Kontakte sind besonders für alleinstehende Senioren oder ältere Menschen, die in Pflegeeinrichtungen wohnen, von großer Bedeutung. Ihre Situation sollte man auf keinen Fall unterschätzen.  Foto: Cecilia Fabiano/LaPresse via ZUMA Press/dpa

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Kontakte sollen Senioren während der Pandemie tunlichst vermeiden. Allerdings drücken Social Distancing, Kontaktsperren und die Isolation zunehmend aufs Gemüt. Neben einer lebensgefährlichen Krankheit droht den Senioren auch der Rutsch in die Depression. Um das zu vermeiden, hat die Regierung seit Beginn der Pandemie mehrere Maßnahmen ergriffen.

Der Mensch ist von Natur aus ein soziales Wesen. Kontakte zu andern fördern Geborgenheit und animieren den Kreislauf. In der Isolation hingegen bleibt dieses grundlegende Bedürfnis unerfüllt. Was sich wiederum negativ auf die Psyche auswirkt. Kontaktsperren und Ausgangsbeschränkungen sind insbesondere nach den dunklen, langen Wintermonaten nur noch schwer zu ertragen. Dennoch ist es besonders für ältere Menschen wichtig, die sozialen Kontakte stark zu begrenzen, um sich vor einer Ansteckung zu schützen.

So sind es vor allem allein lebende Senioren und ältere Menschen in Pflegeeinrichtungen, die besonders unter den Auswirkungen der Pandemie leiden. Zu den ständigen Gedanken an eine tödliche Infektionskrankheit gesellen sich Gefühle der Einsamkeit und der Verlust an familiärer Aufmerksamkeit. Begünstigt wird der drohende Abrutsch in die Depression durch den Ausfall vieler täglicher Aktivitäten und die Eingrenzung der körperlichen Aktivität: Ehrenamt, Sport, Kunst und Chorproben sind aktuell, wenn überhaupt, nur noch bedingt möglich.

„Eine Priorität der Regierung“

„Das physische und psychische Wohl unserer älteren Mitbürger ist eine Priorität der Regierung. Natürlich auch im Zusammenhang mit der aktuellen Pandemie, während der wir die älteren Menschen ganz besonders schützen müssen“, betont Familien- und Integrationsministerin Corinne Cahen (DP) in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage des Abgeordneten Marc Spautz (CSV). Damit die physische Distanzierung nicht zur sozialen Isolierung mit den damit einhergehenden psychischen Folgen führt, seien gleich zu Beginn der Pandemie zahlreiche Maßnahmen ergriffen worden.

In den Einrichtungen seien etwa keine Mühen gescheut worden, um den Kontakt zwischen Bewohnern und  Freunden sowie Familienmitgliedern aufrechtzuerhalten. So wurden zu Beginn der Pandemie in vielen Heimen technische Kommunikationsmittel bereitgestellt, damit sich die Bewohner digital mit ihren Liebsten austauschen können. Nach Abflauen der ersten Welle wurden auch Möglichkeiten geschaffen, Besucher in entsprechend angepassten Räumlichkeiten empfangen zu können.

Wichtig sei auch die körperliche Betätigung, so Cahen. Die entsprechenden Einrichtungen versuchten deshalb, den Bewohnern im Rahmen ihrer Möglichkeiten auch regelmäßige Aktivitäten anzubieten. „Um sie körperlich und mental zu beschäftigen und einen normalen Alltag zu garantieren“, betont die Ministerin. Nicht selten könnten die Heime dabei auf die Unterstützung Freiwilliger zurückgreifen, die auf ihre Weise Abwechslung in den eingeschränkten Alltag zu bringen versuchten.

„Einrichtungen, die auf Psychologen zurückgreifen, versuchen ihre Bewohner dazu anzuregen, diese Hilfe  anzunehmen“, erklärt Cahen. Leider seien nicht alle Betroffene dazu bereit. Dies gelte auch für die Unterstützungsangebote der „Réseaux d’aide et de soins“, die in den letzten Monaten ebenfalls intensiv mit Psychologen zusammengearbeitet und ihren Patienten sowie ihren Familienangehörigen angepasste Hilfe angeboten haben.

Was die Dienste aber nicht davon abbringt, weiter Unterstützung anzubieten: „Omega90 und die anderen Dienste, die eine Konvention mit dem Familienministerium haben, sind flexibel. Sie haben ihre Angebote angepasst und bieten mitunter auch Sprechstunden im Netz an“, erklärt Cahen. Darüber hinaus zeigten die Freiwilligen vom „Service Iris“ des Roten Kreuzes regelmäßig Präsenz in den Alters- und Pflegeeinrichtungen sowie bei den Betroffenen zu Hause. 

„Eine wichtige Anlaufstelle“

„Ältere Menschen, die nicht in einem Alters- oder Pflegeheim leben und nicht auf die Dienste eines Netzwerkes zurückgreifen, werden nicht vergessen“, verspricht Ministerin Cahen. „Die ,Clubs Senior‘ übernehmen eine wichtige Rolle in der Bekämpfung der sozialen Isolation“, sagt Cahen. „Seit Beginn der Pandemie versuchen sie, den Kontakt zu den älteren Mitmenschen mit sehr viel Engagement und Kreativität aufrechtzuerhalten – auch wenn sie ihre gewohnten Aktivitäten nicht mehr auf die gleiche Art und Weise anbieten konnten.“

Die Verantwortlichen haben schnell umdisponiert und andere Methoden angewandt, um ihre Angebote dennoch an die Frau oder den Mann zu bringen. Etwa übers Telefon oder über Veröffentlichungen mit Denksportaufgaben, Rezepten, Turnübungen und Bastelvorlagen, die den Betroffenen per Post zugestellt wurden. Inzwischen bieten die „Clubs Senior“ auch Kurse und Aktivitäten im Netz an. „Mit kleinen Aufmerksamkeiten zeigen sie ihren Mitgliedern, dass sie weiter für sie da sind“, schlussfolgert Corinne Cahen. „Während der Pandemie bleibt die Vereinigung eine der wichtigsten Anlaufstellen, wo Senioren eine professionelle Begleitung finden und in einem sicheren Umfeld den Kontakt mit Gleichgesinnten beibehalten können.“

Eine weitere Anlaufstelle sei das Seniorentelefon des Familienministeriums. Unter der Rufnummer 24 78 60 00 erhalten Senioren und ihre Familienangehörige nicht nur Informationen, sondern finden dort stets ein offenes Ohr für ihre Sorgen und Anliegen. Information und Beratung erfolgen auf Luxemburgisch, Deutsch oder Französisch, der Dienst kann wochentags von 8.30 bis 11.30 Uhr in Anspruch genommen werden

Gesunde Zweisamkeit: Kontakte zu andern fördern Geborgenheit und animieren den Kreislauf
Gesunde Zweisamkeit: Kontakte zu andern fördern Geborgenheit und animieren den Kreislauf Foto: Joe Giddens/PA Wire/dpa

„Auch Depressionen können verschleppt werden“

Menschen gehen in der Regel ganz unterschiedlich mit Isolation, Alleinsein und Ausgrenzung um. So fällt es vielen Betroffenen schwer, die Hand auszustrecken und um Hilfe zu bitten. Sei es nun aus Scham, Stolz oder Angst, Familienmitgliedern zur Last zu fallen. Umso aufmerksamer sollte man auf Warnsignale achten, empfiehlt Dr. Johannes Mantel vom Bereich Altersmedizin an der Goethe-Universität Frankfurt/Main. Mit einer Depression sei nicht zu spaßen.

„Typische Symptome sind eine andauernde Traurigkeit oder Bedrückung, Gewichtsverlust und Antriebslosigkeit. Auch körperliche Symptome können Anzeichen für eine Depression sein, etwa Magen-Darm-Beschwerden“, so der Forscher. Deshalb sollten sich ältere Menschen aus Angst vor dem Coronavirus nicht scheuen, zum Arzt zu gehen: „Nicht nur Erkältungen, auch Depressionen können verschleppt werden!“

Psychologische Beratungsangebote der Senioreneinrichtungen und Pflegedienste seien wichtige Anlaufstellen. Gleiches gilt auch für Hotlines wie das Seniorentelefon des Familienministeriums (Tel.: 24 78 60 00). „Hier finden Betroffene Rat oder einen Verweis auf andere Hilfsangebote. Einfach mal von den eigenen Sorgen zu sprechen, kann auch Entlastung bringen“, verspricht Dr. Mantel.

Angehörigen empfiehlt der Experte, aufmerksam zu bleiben: „Soziale Isolation ist ein großer Risikofaktor. Wenn sich jemand immer mehr zurückzieht, schweigsamer wird, auch beim Telefonieren, sollten die Angehörigen wachsam sein“, so der Altersmediziner. Sätze wie „Das Leben hat keinen Sinn“ seien deutliche Warnsignale. Vor allem, wenn sie sich häufen, sei Vorsicht geboten. „Auch wenn jemand anfängt, seine persönlichen Sachen zu verschenken oder den Nachlass zu regeln, kann das ein Alarmsignal sein. Angehörige sollten die Gefahr unbedingt ansprechen und nicht unter den Teppich kehren“, unterstreicht Dr. Mantel. Sein Rat: den Hausarzt mit einweihen. Und den Kontakt zu Betroffenen aufrechterhalten.

Moderne Kommunikationsmittel ermöglichen es nicht nur, mit Familienmitgliedern zu sprechen, sondern auch, sie zu sehen. „Das ersetzt zwar nicht den direkten Kontakt, ist aber besser als nichts“, erklärt der Altersmediziner. Auf keinen Fall aber sollte man Senioren stigmatisieren oder deren Ängste schüren: „Ältere sollten sehr wohl das Haus verlassen, wenn sie sich ausreichend schützen und Abstand halten. Bewegung an der frischen Luft und sozialer Kontakt stärken nachweislich das Immunsystem. Damit kann man letztlich auch etwas für die eigene Gesundheit tun.“

de Prolet
24. Februar 2021 - 15.35

Eine verschleppte Depression wird in den meisten Fällen chronisch, was für alte Menschen fatal sein kann. Das Seniorentelefon ist somit durchaus eine notwendige und begrüssenswerte Initiative, vorausgesetzt die Betroffenen machen Gebrauch davon. Es ist jedenfalls eine erste Hilfe.