Weltrekordfund„Cenoceras rumelangense“ und warum Rümelingen das Epizentrum der Paläontologie ist

Weltrekordfund / „Cenoceras rumelangense“ und warum Rümelingen das Epizentrum der Paläontologie ist
Robert Weis vom MNHN posiert mit dem Rekordfund aus Rümelingen, dem „Cenoceras rumelangense“  Foto: MNHN

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Es ist eine kleine Sensation: In Rümelingen wurde das bisher größte Nautilus-Fossil der Welt gefunden. Der „Cenoceras rumelangense“ hat einen Durchmesser von 61 Zentimetern und stammt aus dem Zeitalter des Mitteljuras. Er lebte vor rund 168 Millionen Jahren. Damals war das Gutland ein recht flaches, subtropisches Meer und das Ösling eine Insel.

Rümelingen ist das Epizentrum der Erforschung ausgestorbener Lebewesen, der Paläontologie. Nachdem 2018 ein Dinosaurier nachgewiesen werden konnte, wurde nun bestätigt, dass in der Stadt der roten Erde das weltweit größte Fossil eines Nautilus gefunden wurde. Die Nautiliden gehören den Kopffüßern (Cephalopoda) an, sind also entfernte Verwandte der Tintenfische. Die nun gefundene Art wurde, ganz passend, „Cenoceras rumelangense“ getauft.

Dass das größte Fossil dieser Art weltweit ausgerechnet in Rümelingen entdeckt wurde, ist kein Zufall. „Luxemburg war damals von einem relativ flachen, subtropischen Meer bedeckt, lediglich das heutige Ösling ragte als Insel aus dem Meer empor. Der Strand dürfte auf der Höhe von Ettelbrück gewesen sein“, erklärt Ben Thuy, Paläontologe aus dem „Naturmusée“ (MNHN). Ungefähr auf dem 30. nördlichen Breitengrad war das. Dort, wo heute Kairo in Ägypten oder Houston in Texas, USA, liegt. Durch das subtropische Klima konnten sich Korallenriffe bilden. Gut möglich also, dass Rümelingen vor 160 Millionen Jahren ein Korallenriff war, zumindest lässt die heutige Bodenbeschaffenheit darauf schließen. Die hat nämlich eine Schicht Korallenkalk, die in Luxemburg sonst nur im Steinbruch von Tetingen und bei Lasauvage zu finden ist.

Korallen aus Rümelingen

Ben Thuy während der Ausgrabungen im vergangenen Jahr in Bascharage
Ben Thuy während der Ausgrabungen im vergangenen Jahr in Bascharage Foto: Editpress-Archiv/Alain Rischard

Da Korallenriffe zu den artenreichsten Lebensräumen auf der Welt zählen, findet man in früheren Riffen auch die meisten Fossile. Dass Rümelingen das Epizentrum der Paläontologie der Großregion ist, hat aber auch mit dem hiesigen Steinbruch zu tun, der ständig neues Gestein offenlegt. Und natürlich mit dessen Betreiber, der eine gewisse Affinität zur fossilen Forschung hat und somit auch Hobby-Paläontologen erlaubt, sich auf dem Gelände auf die Suche zu begeben. „Ich schätze, im Rümelinger Steinbruch wurden bis jetzt mehr als 100 Arten von Organismen gefunden, in erster Linie Meerestiere“, sagt Ben Thuy. Dass 2003 eine Hautschuppe aus dem Knochenpanzer eines Dinosauriers dort entdeckt wurde, ist eher dem Zufall zu verdanken. Der Saurier war wahrscheinlich vor etwa 180 Millionen an oder in einem Fluss gestorben. Der trug den Kadaver ins Meer, wo er schließlich im Boden liegen blieb.

Es war der Bürgerwissenschaftler und Hobby-Paläontologe Jo Simon, der das rekordträchtige Fossil des „Cenoceras rumelangense“ fand. Das ist etliche Jahre her, seitdem hatte Simon das Fundstück in seiner Privatsammlung. Letztes Jahr gab er es an das „Naturmusée“ zwecks Untersuchung weiter. Mit dem nun bekannten Resultat. Robert Weis und Julian Wittische vom MNHN untersuchten das Fossil zusammen mit Günter Schweigert aus dem Museum für Naturkunde Stuttgart. Sie verfassten den Artikel, der in den letzten Monaten von Experten geprüft, für gut befunden und in einem Fachmagazin publiziert wurde. Erst als diese Schritte vollzogen waren, war der Rekord offiziell.

„Für die Öffentlichkeit ist die Größe des Fundes und der damit verbundene Rekord natürlich interessant“, erklärt Ben Thuy, „die Fachwelt interessiert sich jedoch eher für die Art des Fundes.“ Dennoch sei es interessant, dass in Rümelingen schon ein paar Mal außergewöhnlich große Fossilien gefunden wurden. Das könnte Rückschlüsse auf nahrungsreiche Riffe in dieser Gegend zulassen. Der „Cenoceras rumelangense“ liegt nun im Depot des MNHN in Kehlen. „Die Menschen, die ihn sehen wollen, sollen ins Museum kommen, weil wir dort ein kleineres Exemplar dieser Art in unserer Dauerausstellung haben“, unterstreicht Thuy.

Derweil verspricht der Paläontologe weitere kleine Sensationen. 70.000 Fossilien befinden sich in der Sammlung des Museums. Bei 20 Prozent von ihnen lohnt sich laut Thuy eine genauere Untersuchung. Dazu zählen auch die 250 Stücke, die vor gut einem Jahr bei Ausgrabungen in Bascharage gefunden wurden. „Wir wissen inzwischen, dass darunter zwei neue Arten sind“, verrät Thuy.

Fundort: der Steinbruch in Rümelingen
Fundort: der Steinbruch in Rümelingen  Foto: Editpress-Archiv/Fabrizio Pizzolante

Jurassic Luxemburg

Vor rund 180 Millionen Jahren etwa scheinen in Luxemburg geradezu paradiesische Zustände geherrscht zu haben. Besser gesagt auf dem Flecken Erde, auf dem später das Großherzogtum entstehen sollte. „Wie auf den Bahamas“ heißt es jedenfalls auf einer Schautafel im Nationalmuseum für Naturgeschichte, und Ben Thuy ergänzt: „Es war immer schön warm und der Strand war nie weit weg.“

Letzteres lag aber vor allem daran, dass das heutige Luxemburg damals, als Teil des Superkontinents Pangäa, vor allem den Meeresboden des Pariser Beckens bildete, das bis in die heutige Eifel reichte und aus dem nur vereinzelt Land herausragte: Das waren die Ausläufer des London-Brabant-Massivs. Vor dessen südlichen Küste sollte Millionen Jahre später auch die Stadt Rümelingen entstehen, in dessen Steinbruch eifrig nach Fossilien gesucht werden kann.

Aber wo der Strand nie weit weg war, sind heute natürlich die Voraussetzungen eher schlecht, um auf Skelette von Dinosauriern zu stoßen. Der Begriff bezeichnet schließlich nur die „schrecklichen“ (Dinosaurier ist altgriechisch für „schreckliche Echsen“) Landtiere, die rund 160 Millionen Jahre lang die Erde bewohnten. 2018 aber wurde bekannt, dass in Rümelingen 2003 die Hautschuppe (korrekt: Osteoderm) aus dem Knochenpanzer eines Thyreophea-Dinosauriers gefunden worden war.
Nach 2014 war dies der bereits dritte Fossilienfund aus Luxemburg, der als Dinosaurier-Überbleibsel identifiziert wurde.

Im Gegensatz dazu sind Funde von Fossilien lange ausgestorbener Meeresbewohner gar nicht so ungewöhnlich – obwohl sich ein Fund aus den 1990er-Jahren im November 2017 als echte Sensation erwies. Bei dem 1,20 Meter langen Tier handelte es sich um eine bisher unbekannte Plesiosaurus-Spezies. Plesiosaurier waren Meeresreptilien. Und jetzt, sechs Jahre später, kann das MNHN die nächste Sensation vermelden: das größte je gefundene Nautilus-Fossil. (fgg, P.M.)

Upps
11. Oktober 2023 - 19.24

Könnte sein dass sich das Ösling heuer wieder zu einer Insel entwickelt wenn wir die 1000 000 erreicht haben.