EditorialWie der Rechtsdrall der EVP die CSV in die Bredouille bringt

Editorial / Wie der Rechtsdrall der EVP die CSV in die Bredouille bringt
Ursula von der Leyen und die EVP wollen mit einem stramm konservativen Kurs die Wahlen gewinnen – der CSV kommt das nicht gelegen Foto: dpa/Marcel Van Hoorn

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Daheim als Brandmauer gegen rechts auftreten, während die europäische Parteienfamilie sich zum Brückenbauer hin zur extremen Rechten macht. Keine Frage, der Europawahlkampf wird für die CSV zum Spagat und bringt die Kandidatinnen und Kandidaten auf der CSV-Liste zu den Europawahlen in die Bredouille: Sie müssen entweder eine Politik verteidigen, die sie nicht gutheißen – oder eine Politik kritisieren, die sie im eigenen europäischen Wahlprogramm stehen haben. Das schadet der Glaubwürdigkeit und macht es nicht leichter, das erklärte Ziel zu erreichen: Den dritten Sitz wiedergewinnen, den man 2019 an die DP verloren hatte.

In Luxemburg grenzen sich die Christdemokraten klar gegen rechts ab. Was man den Kandidatinnen und Kandidaten wie Isabel Wiseler-Lima, Martine Kemp und Christophe Hansen auch noch abnehmen könnte. Am rechten Rand der EVP bewegen sich die drei sicher nicht. Doch Europas Christdemokraten erleben seit Jahren einen Rechtsruck. Auch jetzt hat die Europäische Volkspartei EVP ihrer Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen einen stramm konservativen Kurs verordnet.

Der Startschuss fiel in Bukarest beim Kongress der EVP Anfang März, wo man sich einer harten Linie in der Migrationspolitik verschrieb. Stichwort: Asyl in Ruanda. Beim ersten Rededuell der Spitzenkandidaten und -kandidatinnen am Montag in Maastricht unterstrich von der Leyen, wohin die weitere Reise gehen könnte. Eine Zusammenarbeit im Europaparlament mit der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) wollte die deutsche Kommissionspräsidentin nicht ausschließen. Dort tummeln sich unter anderem die nationalkonservative polnische PiS, die italienischen Postfaschisten der Fratelli d’Italia und die rechtsextreme spanische Vox-Partei. Die ADR ist ebenfalls Mitglied der EKR und will mit Fernand Kartheiser als Spitzenkandidat erstmals einen Platz im Europaparlament erkämpfen.

Allgemein gehen Beobachter von einem Rechtsruck beim Urnengang am 9. Juni aus. Sowohl der sehr rechten EKR wie der rechtsextremen „Identität und Demokratie“ (ID) werden Sitzgewinne vorausgesagt. Während die ID, mit unter anderem der deutschen AfD, dem französischen Rassemblement national und der österreichischen FPÖ, für eine Zusammenarbeit mit der EVP nicht infrage kommt, sieht die Sache bei der EKR schon anders aus, wie auch von der Leyens Aussage in Maastricht unterstrich. Und sollte die EVP nach den Wahlen im Europaparlament tatsächlich mit der EKR zusammenarbeiten, dürfte sie freie Hand bekommen, die Einwanderungspolitik so zu verschärfen, wie sie das auch in ihrem Wahlprogramm ankündigt. Die luxemburgischen EVP-Abgeordneten würden daran nichts mehr ändern können.

Die CSV wird im Wahlkampf, der am kommenden Montag beginnt, ziemlich herumeiern müssen. Für die anderen Parteien im Luxemburger Rennen um die sechs Sitze im Europaparlament ist das ein gefundenes Fressen. Die CSV kann so sehr fremdeln mit der EVP, wie sie will – die politische Konkurrenz wird ihr spielend leicht einen für luxemburgische Verhältnisse unüblichen Rechtsdrall auf europäischer Ebene vorwerfen können. Und die CSV wird sich immer wieder mit demselben Widerspruch konfrontiert sehen: Die Europapolitik, die sie den Wählerinnen und Wählern in Luxemburg andrehen will, ist nicht die, die die EVP nach den Wahlen in Europa machen will.

Grober J-P.
3. Mai 2024 - 9.13

@ Müller "politische Mitte rücken weg vom linken Sozialdumping." Ich glaube H. Müller, Sie haben dem Mischi und seinem CEO Luc nicht richtig zugehört. Die wollen noch mehr Sozialdumping um ihre Firmen wieder lukrativer zu machen.

Phil
2. Mai 2024 - 17.40

Ich glaube, dass von der Leyens "Betonfrisur" abends am 9. Juni einer milden Dauerwelle weicht.

Frau Müller-Lüdenscheid
2. Mai 2024 - 16.37

Wie weit sind wir denn mit Links Grün gekommen? Auch nicht weit, meiner Meinung nach.

Müller Erwin
2. Mai 2024 - 14.57

Ein interessanter Artikel, welcher das momentane Demokratieverständnis sehr gut unterstreicht. Es lebe der freie Wählerwille, es sei denn dieser entspricht nicht meiner eigenen Ansicht, dann ict es natürlich gefährlich! Welche Brücken zur Extremen sollen denn gebaut werden genau? Details bitte. Und sind diese wirklich gefährlicher für die Zukunft der kommenden Generationen als die ultraextreme Linkspolitik der vergangenen Jahre, welche all unsere soziale, post-WW2 Errungenschaften errodiert hat und nun die Renten der Alten, sowie die Zukunft dank Inflation, Biildungs- und Wohnungsnot der neusten Generation gefährden? Also ich habe keine angst vor einem kleinen Rechtsruck, dies kann uns nur wieder näher in die politische Mitte rücken weg vom linken Sozialdumping.

DanV
2. Mai 2024 - 13.36

Und wir Wähler sind erst recht in der Bredouille, denn wer hat sich überhaupt schon mal mit den Wahlprogrammen der Europa-Parlament-Parteien beschäftigt? Nun denn, dann gehen wir mal auf die Suche, um diese enorme Wissenslücke zu füllen. Und bitte, es wäre nützlich, wenn das Tageblatt kurzfristig eine Serie "Europäische Parteienlandschaft" schalten würde, um dabei zu helfen. Danke für den Weckruf.