WirtschaftBausektor warnt vor einer Krise von historischem Ausmaß

Wirtschaft / Bausektor warnt vor einer Krise von historischem Ausmaß
Patrick Koehnen von der „Fédération des artisans“, und Paul Nathan, Vizepräsident der „Chambre des métiers“ Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Um auf die angespannte Situation im Bauwesen aufmerksam zu machen, haben Handwerkskammer und „Féderation des artisans“ am Freitag zu einer gemeinsamen Pressekonferenz geladen. Die Krise im Bereich Wohnungsbau sei dabei, bei den Unternehmen anzukommen, warnen sie. Der Text der Einladung hat derweil für Aufregung bei den Gewerkschaften gesorgt.

Bereits seit Ende 2022 warnen die Vertreter des Bauwesens vor den Folgen des zusammenbrechenden Wohnungsmarktes auf die Lage der Unternehmen. Im November 2022 mahnten sie, dass dieses Jahr – trotz eines weiterhin hohen Bedarfs – möglicherweise rund 1.500 Wohnungen weniger gebaut werden könnten. Im Dezember wiesen Handwerkskammer und „Féderation des artisans“ dann mittels einer Pressekonferenz auf die „alarmierende Situation“ hin.

Stand heute habe man nun leider feststellen müssen, „dass sich die Tendenzen von Ende 2022 leider bestätigt haben“, sagt Paul Nathan, Vizepräsident der „Chambre des métiers“, am Freitagmorgen vor Journalisten. „Es sieht sogar eher noch schlechter aus.“ Dabei verweist er auf den heftigen Rückgang (72 Prozent) der Verkäufe neuer Wohnungen im ersten Quartal 2023 sowie auf den Rückgang bei dem genehmigten Bauvolumen (33 Prozent): „So wenige wie zuletzt im Jahr 1987.“

„Die Auftragsbücher sind mittlerweile leer“

Die schnelle Verschlechterung am Wohnungsmarkt habe nun Auswirkungen auf das Bauhandwerk, sagt er weiter. Zwar habe sich die Branche nach der Covid-Krise bis heute „wieder etwas Speck aneignen können“, doch die Auftragsbücher seien mittlerweile leer. „Wir sind auf dem Zahnfleisch angekommen.“

Dabei stehe man erst am Anfang der Krise. Aktuell seien Bauingenieurwesen und Rohbau betroffen. Firmen, die beispielsweise im Innenausbau beschäftigt sind, hingegen noch nicht – „doch das wird noch kommen“, warnt er. Sorgen macht er sich diesbezüglich für die Zeit nach dem „congé collectif“. Dann werde in der gesamten Produktionskette das Risiko von Firmenpleiten zunehmen.

In Zukunft rechnet der Sektor derweil mit einer weiteren Verschärfung der Lage. Es werde nicht mehr mit neuen Residenzen und Baustellen begonnen. „Wir müssen mit einem schwierigen Jahr 2024 rechnen“, so Nathan. Dabei stehe viel auf dem Spiel: Im Bauwesen sind rund 4.000 Firmen mit 60.000 Angestellten (davon ein Drittel im Wohnungsbau) aktiv, unterstreicht er. Da man aber nur auf Nachfrage, auf Bestellung, arbeite, „bedeutet dies nichts Gutes für die Beschäftigung“. Einer eigenen Schätzung zufolge könnten bis zu 4.600 Jobs „bedroht“ sein. Bei den Staatsfinanzen riskiere ein Loch von mehr als 300 Millionen Euro zu entstehen.

Vom Staat und den Gemeinden wünschen sich die Unternehmen nun „eine Stabilisierung des Sektors.“ Man frage nicht nach „direkten Hilfen“, sondern „nach Arbeit“, so Nathan. Er erinnert daran, dass der Bedarf an Wohnraum weiter steigt. Luxemburg schafft weiter neue Arbeitsplätze. In den ersten drei Monaten 2023 sind hierzulande im Schnitt 28 neue Jobs pro Tag entstanden.

„Billiger wird es nie wieder werden“

Konkret wünschen sich die Unternehmen, dass die von Staat und Gemeinden angekündigten Projekte und Ausschreibungen nun schnellstens tatsächlich kommen sollen, sagt Patrick Koehnen von der „Fédération des artisans“. Bereits angekündigte Maßnahmen wie etwa das 150-Millionen-Euro-Packet von Ende Juni begrüße man, sehe das aber nur als „ersten Schritt“. Man befürchtet, „dass das alles nicht schnell genug gehen wird“.

„Die Situation ist ernst“, fügt Tom Wirion, Direktor der Handwerkskammer, hinzu. „Wir stehen erst am Anfang. (…) Für das Bauhandwerk ist die Lage dramatischer als nach der Finanzkrise von 2008. (…) Wir können nicht bis auf eine neue Regierung warten.“

Es gehe darum, weiteren Schaden für den Sektor und für die Gesellschaft zu vermeiden. Und die Gelegenheit sei für den Staat mehr als günstig, hebt Nathan hervor: Bedingt durch eine hohe Beteiligung bei öffentlichen Ausschreibungen würden aktuell niedrige Preise angeboten. Er ist sich sicher: „Billiger wird es nie wieder werden. 

Noch vor den Wahlen müssten zusätzliche befristete Maßnahmen getroffen werden, so Koehnen. Es gelte zu verhindern, dass Mitarbeiter, die später wieder benötigt werden, den Sektor verlassen. Neben einer Beschleunigung bestehender Pläne wünsche man sich beispielsweise noch die Abschaffung der „frais d’enregistrement“ auf dem Anteil bereits realisierter Bauvorhaben. Im Bereich der Mehrwertsteuer schlägt die Branche vor, die derzeitige Obergrenze von 50.000 auf 100.000 Euro für alle Investoren anzuheben oder die superermäßigte Mehrwertsteuer auf die Schaffung von Mietwohnungen wieder einzuführen.

Eine zweifelhafte Einladung

In den Tagen zuvor hatte der Text der Einladung zu der Pressekonferenz für Aufregung bei den Gewerkschaften gesorgt. „Um sich auf den Beschäftigungsschock vorzubereiten, haben die ‚Fédération des entreprises de construction’ und das ‚Groupement des entrepreneurs’ Verhandlungen über einen „Plan de maintien dans l’emploi“ für das Bauhauptgewerbe mit rund 20.000 Beschäftigten aufgenommen“, war hier zu lesen.

„So läuft Sozialdialog nicht“, sagt Jean-Luc De Matteis vom OGBL-Syndikat Bau, Bauhandwerk und Metallkonstruktion gegenüber dem Tageblatt. Als man am Mittwoch aus der Presse von der Einladung zur Pressekonferenz am Freitag gehört hatte, sei man überaus überrascht gewesen. „Bis heute hat nichts angefangen.“ Donnerstags habe man dann einen Brief erhalten, um miteinander zu reden. „Es gibt keine Anfrage für einen Gesprächsbeginn.“ Man fühle sich „auf die Füße getreten“.

Man sei sicher nicht gegen Hilfen für betroffene Privatpersonen, sagt er weiter. Aber „dem Sektor geht es nicht unbedingt schlecht“. Auch die letzten Jahre sei es sehr gut gegangen. Es gehe jetzt einfach darum, Druck auf die Regierung auszuüben, um mehr Gewinn machen zu können.

Doch kein „Plan de maintien dans l’emploi“

Der Bereich „Wohnen – Neubau“ stehe gerade mal für 15 bis 25 Prozent des Sektors, erläutert der Gewerkschafter weiter. Der Rest ist gewichtiger, etwa Renovation, Großprojekte, Straßen. Größtenteils boome es dort geradezu. Allein der Staat hat zuletzt Rekordinvestitionen von 1,3 Milliarden Euro angekündigt. „Wenn wirklich etwas ist, dann sind wir auch bereit zum Reden. Aber wir sind gegen Panikmache.“

Während der Konferenz am Freitag war der in der Einladung angekündigte „Plan de maintien dans l’emploi“  kein Thema. Er wurde mit keinem Wort erwähnt. Auf Nachfrage des Tageblatt erklärten die Unternehmensvertreter: „Das wäre nur die allerletzte Option. (…) Wir haben die Gewerkschaften präventiv angeschrieben, um im Falle einer weiteren Verschlechterung der Situation reagieren zu können“, so Koehnen. Einen PME wolle eigentlich niemand. „Das ist nur für den Fall, wenn wirklich alle Stricke reißen“, schließt sich Nathan an.

Für Jean-Luc De Matteis steht der Sektor mittelfristig jedoch vor einem sehr viel größeren Problem. In den nächsten fünf bis zehn Jahren werden rund 30 Prozent der Beschäftigten in Rente gehen. „Es gibt keinen Nachwuchs. Viele Unternehmen finden gesuchte Arbeitskräfte nicht.“ Er ist der Meinung, dass der Sektor besser „eine Geste machen soll, um zu zeigen, dass er attraktiv bleibt“, statt mit einem PME zu drohen. „Kollektivvertragsverhandlungen laufen bereits seit 18 Monaten.“

Sam
13. Juli 2023 - 15.56

"Es gehe jetzt einfach darum, Druck auf die Regierung auszuüben, um mehr Gewinn machen zu können." Also die Grundstückbesitzer machen sicher enormen Gewinn. Ansonsten könntet ihr auch mal an eurer Qualität arbeiten, weil nach 20 Jahren fallen heutige Bauten wieder zusammen. Zumindest hat man Wassereintritt aufm Flachdach. Und was soll eigentlich Ytong bezwecken als erste Ziegelreihe? Damit das Gebäude früher zusammenfällt?

Manuel
13. Juli 2023 - 11.12

Dozou kann ech nëmme soen "déi armen Entrepreneuren aus dem Bausektor di mer éierlech leed".

LUX MBA
11. Juli 2023 - 14.41

Was für ein Unsinn, wenn man in Luxemburg eine Anfrage macht um viel Geld auszugeben, sei es Neubau, Sanierungen etc bekommt man in den Meisten Fällen nicht mal ein Angebot. Ich habe selbst diese Erfahrungen gemacht sei es bei einem Auftrag von 5000€ oder einen von 1000 000€. Einfach nur eine Schande dass ein Kunde diesen Firmen immer hinterherlaufen müssen. MfG

IkenneDie
10. Juli 2023 - 12.32

Viel Spass an der Französischen Riviera, ob auf Euren privaten Yachten oder beim Champagner spritzen in St. Trop gewünscht. Und nicht vergeseen die Rolls, Aston, Rivas und Anderes Spielzeug zu versichern. Den Neidvull

Romain
9. Juli 2023 - 10.22

Hatte bei Baufirmen angefragt um Stützmauer zu errichten. Antwort; kein Interesse, keine Zeit weil zu viele Aufträge, wir werden un melden doch keiner kommt …..So schlecht kann es nicht sein bei den Baufirmen.

Grober J-P.
8. Juli 2023 - 11.41

„Die Auftragsbücher sind mittlerweile leer“ Nachwuchs wollte auch mal versuchen. Preis pro m2 bebaute Fläche zu 5600 €, für Standardbau, Keller, Erdgeschoss, Speicher ohne Ausbau, sei noch sehr günstig sagte man ihm. 6 km über die Grenze weg der selbe Bau für knapp die Hälfte. Versuch einer Erklärung H. Müller? Dann noch die enormen Preisunterschiede für ein und dieselbe Arbeit, einigen scheint es bislang noch sehr gut zu gehen. Andere geben sich nicht mal die Mühe auf Anfragen zu antworten, sind wahrscheinlich nicht an Arbeiten interessiert.

Mcdully
8. Juli 2023 - 11.05

Ma vleit kritt een nom congé collectif da mol och erem méi liicht en Handwierker? Fir eng Garage un Haus unzebauen kruut ech mol knapps en Devis, an et war keen interesséiert. Vun den exorbitanten Präiser net ze schwetzen.