ArbeitsrechtVeröffentlichung der CSL: Kollektivverträge verdienen mehr Aufmerksamkeit

Arbeitsrecht / Veröffentlichung der CSL: Kollektivverträge verdienen mehr Aufmerksamkeit
Kollektivverträge spielen hierzulande eine wesentliche Rolle bei Gehalt, Urlaubstagen und Arbeitszeit. Mehr als 200.000 Beschäftigte haben dank ihnen Arbeitsbedingungen, die besser sind als die vom Gesetz vorgesehenen Mindestkriterien.  Foto: Chriatian Muller

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Ein Thema, das das Leben Tausender arbeitender Menschen täglich betrifft, sind Kollektivverträge. Trotzdem erhält es wenig Aufmerksamkeit in Politik und breiter Öffentlichkeit. In einer Veröffentlichung erinnert die „Chambre des salariés“ an Zahlen und Entwicklungen.

„Kollektivverträge (KV) gehören zu den wichtigsten Instrumenten des Arbeitsmarktes, um einen angemessenen sozialen Dialog und menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu gewährleisten“, schreibt die Arbeitnehmerkammer (CSL) in ihrer Econews Nr. 4. Sie seien, als Ergänzung zum Arbeitsgesetzbuch, ein leistungsfähiges Instrument, insbesondere für bessere Löhne und bessere Arbeitszeiten.

Diese Behauptung untermauert die Kammer mit Zahlen. Mit Ausnahme von Direktoren (deren Verdienst nur selten über KV geregelt ist), sind die Median- und Durchschnittsgehälter für tarifgebundene Arbeitnehmer, unabhängig von der Position, erheblich höher als die von nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern.

So ist bei Verwaltungsangestellten (beispielsweise Kassierer, Rezeptionisten) der Medianlohn bei Beschäftigten, die von einem Tarifvertrag erfasst werden, um satte 50 Prozent höher als bei Beschäftigten ohne Tarifvertrag. Ähnlich verhält es sich bei den Beschäftigten im Bereich der persönlichen Dienstleistungen (Verkäufer, Friseure …). Hier ist der Durchschnittslohn von denen, die einem KV unterliegen, um mehr als 30 Prozent höher als bei denen ohne KV.

„Es ist daher notwendig, dass die Zahl der Beschäftigten, die unter einen KV fallen, steigt, um ihre Lohn- und Arbeitsbedingungen im Allgemeinen zu verbessern“, so die Arbeitnehmerkammer.

In manchen Berufen verdienen Arbeitnehmer ohne Kollektivvertrag fast die Hälfte weniger
In manchen Berufen verdienen Arbeitnehmer ohne Kollektivvertrag fast die Hälfte weniger

„Die Bedeutung von Kollektivverträgen hat in den letzten Jahren für eine große Zahl von Arbeitnehmern stetig zugenommen“, schreibt die Kammer weiter. So werde der Lohnunterschied zwischen Arbeitnehmern, die unter einen KV fallen, und solchen, bei denen das nicht der Fall ist, immer größer. Der Unterschied, zum Beispiel, zwischen dem Medianlohn von Verwaltungsangestellten betrug 2018 50 Prozent, während er 2010 nur 16 Prozent betragen hatte. Ebenso ist der Unterschied bei Anlagen- und Maschinenführern von einem Prozent auf 14 Prozent gestiegen.

Gleichzeitig bemängelt die CSL jedoch, dass Luxemburg im europäischen Vergleich nicht besonders gut da stehe. Im Jahr 2018, dem letzten Zeitpunkt, für den Daten aus der Lohnstrukturerhebung im europäischen Vergleich vorliegen, war in Luxemburg gemessen worden, dass nur ein Anteil von 62 Prozent der Beschäftigten von einem KV abgedeckt ist. Belgien, Frankreich oder die skandinavischen Länder haben eine Abdeckung von über 90 Prozent.

Die Position Luxemburgs habe sich seit 2010 leicht verbessert, von Platz 17 im Jahr 2010 auf Platz 15 im Jahr 2018, so die CSL weiter. Dies sei jedoch eher auf gefallene Abdeckungsquoten in einigen anderen europäischen Ländern zurückzuführen. Der Deckungsgrad blieb hierzulande in den letzten Jahren unverändert.

Im EU-Vergleich schneidet Luxemburg nicht sonderlich gut ab
Im EU-Vergleich schneidet Luxemburg nicht sonderlich gut ab

Die Kammer erinnert weiter daran, dass es eine EU-Richtlinie gibt, die einen Deckungsgrad von Kollektivverträgen von 80 Prozent zum Ziel hat. Und betrachte man Statec-Zahlen, so zeige sich, dass die Gesamtquote der Arbeitnehmer, die unter einen KV fallen, nur bei 59 Prozent liege. Schließe man die öffentliche Verwaltung und das öffentliche Bildungswesen (100 Prozent Abdeckung) aus, dann falle der Deckungsgrad sogar auf nur noch 53 Prozent.

„Mit anderen Worten, nur etwas mehr als jeder zweite Arbeitnehmer im Privatsektor ist durch einen Kollektivvertrag abgedeckt“, so die CSL. Sie wünscht sich von der Regierung neue gesetzliche und organisatorische Maßnahmen, um den Deckungsgrad zu erhöhen.

Je nach Sektor und Berufsstand ist der Deckungsgrad von KV derweil sehr unterschiedlich. So ist die Branche der Verwaltungs- und unterstützenden Dienstleistungen die einzige, in der der Deckungsgrad dem EU-Ziel von 80 Prozent nahe kommt, während die Deckungsquoten in der Branche der sonstigen Dienstleistungen, der Branche der freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Tätigkeiten (bspw. Rechtsanwälte, Forschung, Marketing), des Immobilienwesens oder der IT-Branche bei unter 20 Prozent liegen. In der Industrie sind es 64 Prozent, im Handel 38 Prozent und im Hotel- und Gaststättengewerbe wieder nur 21 Prozent.

In einigen Sektoren sei die Deckungsquote in den letzten Jahren derweil deutlich zurückgegangen, warnt die Kammer. Etwa im Bereich des Gesundheits- und Sozialwesens (Rückgang von fast zehn Prozentpunkten zwischen 2010 und 2018) und im Bereich des Kredit- und Versicherungsgewerbes (fast sieben Prozentpunkte). Gleichzeitig stieg die Quote im Hotel- und Gaststättengewerbe um acht Punkte und im Sektor Verkehrswesen und der Logistik um vierzehn Punkte.

Je nach Sektor gibt es große Unterschiede beim Abdeckungsgrad
Je nach Sektor gibt es große Unterschiede beim Abdeckungsgrad

Der Deckungsgrad hängt meist auch von der Größe des Unternehmens ab. Je größer ein Unternehmen ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass seine Beschäftigten durch einen Tarifvertrag abgesichert sind. In der Vergangenheit nahm der Deckungsgrad meist mit dem Bildungsniveau der Arbeitnehmer ab.

„Kollektivverträge bleiben ein wichtiges Mittel, um für die Arbeitnehmer gute und faire Arbeitsbedingungen zu garantieren“, heißt es auf Nachfrage aus dem Arbeitsministerium. Es sei daher sicher das Ziel, den Deckungsgrad zu erhöhen. Um dies zu erreichen, werde derzeit an einer Studie gearbeitet.

In einer ersten Phase werde die aktuelle Gesetzgebung unter die Lupe genommen, so das Ministerium. In einer zweiten Etappe werde es dann Gespräche mit den Verhandlungspartnern geben, um so das Zustandekommen von KV besser zu verstehen. Die Resultate sollen „demnächst“ vorliegen und als Basis für die Diskussion über mögliche Gesetzesänderungen dienen. Das werde aber wohl eine Aufgabe für die kommende Regierung.

Kollektivverträge

Kollektivverträge (auch Tarifverträge genannt) sind Verträge zwischen Arbeitnehmergewerkschaften und Arbeitgebern, die sich auf die Arbeitsbedingungen der betroffenen Mitarbeiter beziehen. In diesen Abkommen werden unter anderem Arbeitsorganisation und Arbeitszeit geregelt, Lohntabellen und berufliche Laufbahnen festgelegt, Prämien und Arbeitszeitregelungen definiert, Möglichkeiten zur Weiterbildung erläutert und Regeln gegen Mobbing festgelegt. Als Ergänzung zum Arbeitsrecht. Standardmäßig gilt ein Tarifvertrag für alle festen Beschäftigten eines Unternehmens. Leitende Angestellte sind vom KV ausgeschlossen.

Nach luxemburgischem Recht gibt es zwei Arten von Tarifverträgen. Erstens: „Normale Kollektivverträge“, wo der Arbeitgeber (Unternehmen, Organisation) mit einer Gewerkschaft verhandelt hat und ein Abkommen erzielt wurde. Zweitens: Tarifverträge für spezifische Berufsgruppen, die von repräsentativen Gewerkschaften mit der betreffenden Arbeitgeber-Vereinigung ausgehandelt wurden und die für einen ganzen Sektor bindend sind.

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Dani
18. April 2023 - 13.43

Etwas mit Zahlen zu untermaueren ist auf keinen Fall glaubwürdig es ist auf jeden Fall einfacher anstatt sich Gedanken zu machen oder innovativ zu denken, denn Direktoren stecken sich das meiste Geld in die Tasche...siehe Pflegesektor...dort sind die Bedingungen ja eine totale Katastrophe...Dieser Bereich müsste mal ordentlich geleert werden. Besetzte Direktorenplätze wo viele sehr unkompetent sind, Leute die ihre Arbeit anständig machen entlassen werden ohne Grund, Mobbing, ältere Personen die tagelang in ihrem Urin sitzen weil eine Aide Socio Familiale keine Pflege machen kann oder darf. Könnte noch weitere Beispiele geben...Stimmen die Bedingungen dann kann man sofort über den Kollektivvertrag reden!