IranAyatollah Ali Chamenei: In Krisenzeiten stets ein Hardliner

Iran / Ayatollah Ali Chamenei: In Krisenzeiten stets ein Hardliner
Ajatollah Ali Chamenei, Irans oberster Führer, sitzt bei einem Treffen mit Irans Präsidenten Ruhani und dem Emir von Katar.  Foto: DPA

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Drei Jahrzehnte lang ist er schon geistliches Oberhaupt der Islamischen Republik Iran. Ayatollah Ali Chamenei hat reformorientierte und ultrakonservative Phasen erlebt. Doch wann immer es in Krisenzeiten zum Schwur kommt, hat sich der Nachfolger von Revolutionsführer Ayatollah Khomeini für die harte Linie entschieden. Das trifft mit Blick auf Menschen- und Bürgerrechte ebenso zu wie in der Außenpolitik. Regierungskritische Demonstranten werden niedergeknüppelt, eingesperrt, wenn nicht erschossen, die USA und Israel werden als „satanische“ Mächte verflucht.

In diesen Tagen erhöhter Eskalationsstufe zwischen dem Iran und den USA ist es ungewöhnlich, wenn sich die iranische Führung aus dem Inneren Protest gefallen lassen muss. Tausende Demonstranten ziehen durch die Straßen, weil sie über den Abschuss eines ukrainischen Passagierflugzeugs durch die iranischen Revolutionsgarden entsetzt sind. „Entschuldigt Euch! Tretet zurück!“, forderte das reformorientierte Blatt „Etemad“. Und die Revolutionsgarden unterstehen nicht etwa dem Präsidenten oder dem Parlament, sondern direkt Chamenei.

Chamenei hat nicht das Charisma des Revolutionsführers und Republikgründers Khomeini. Aber er hat dessen Zeit an der Staatsspitze nun schon um das Dreifache überschritten. Und der Einfluss des Iran als Regionalmacht hat sich in dieser Zeit deutlich vergrößert. An mehreren Fronten bietet die schiitische Führung in Teheran dem sunnitischen Erzfeind Saudi-Arabien die Stirn.

Chamenei, 1939 als Sohn eines Geistlichen in der Pilgerstadt Maschhad geboren, hat sich ursprünglich nicht direkt für eine politisch-strategische Aufgabe qualifiziert. Als Absolvent von Religionsseminaren in Ghom fiel der junge Geistliche durch seine Vorliebe für Poesie und als geschliffener Redner auf. Wegen seiner Aktivitäten in der Opposition gegen das Schah-Regime wurde er wiederholt inhaftiert, doch stieg er nach dem Sieg der Islamischen Revolution 1979 rasch in die Staatsführung auf. Während des nachfolgenden Machtkampfs fiel Chamenei 1981 beinahe einem Anschlag der Volksmudschahedin zum Opfer. An seiner rechten Hand blieben dauerhafte Lähmungserscheinungen.

Konsolidierung der Macht mithilfe der Konservativen

Als Khomeini 1989 starb, wurde Chamenei vom Expertenrat zu seinem Nachfolger gewählt. Zwar gehörte er damals als Präsident zur Führung des Landes, doch hatte er nur den mittleren geistlichen Rang eines Hodschatoleslam. Als er zum Ayatollah erklärt wurde, erkannten Teile des Klerus seine Autorität nicht an – und auch sein politischer Führungsanspruch war zunächst umstritten.

Zwar konsolidierte Chamenei seine Position, doch geschah dies um den Preis, dass er sich auf die Seite der Konservativen schlug. In den Machtkämpfen mit den Reformern, die sich während der Präsidentschaft von Mohammed Chatami von 1997 bis 2005 für die politische und kulturelle Öffnung des Landes einsetzten, stellte sich Chamenei immer wieder hinter die Hardliner.

Auf den Bildern, die im Iran in jedem Amt hängen, erscheint Chamenei mit seinem sanften Lächeln neben dem stechenden Blick Khomeinis wie ein gütiger Großvater. Doch der Ayatollah steht für eine autoritäre Gesellschaftsordnung. Konstanten sind die Verschleierungspflicht für Frauen, das Alkoholverbot und die scharfen Zensurmaßnahmen.

Vor allem aber widersetzt Chamenei sich einer Annäherung an die USA: Weder ist er bereit, ihre Unterstützung für das autoritäre Schah-Regime zu vergessen, noch ihre Schützenhilfe für Iraks Diktator Saddam Hussein im Iran-Irak-Krieg (1980-88).

Proteste lässt er niederschlagen

Die feindselige Politik von US-Präsident Donald Trump hat sein Misstrauen gegenüber dem „Großen Satan“ nur bestätigt. Als der ihm nahe stehende General Kassem Soleimani auf Anweisung Trumps im Irak gezielt getötet wurde, schwor Chamenei „Rache“, als der Iran dann als Vergeltung zwei von den USA genutzte Militärstützpunkte mit Raketen bombardiert hatte, sprach er von einem „Schlag ins Gesicht“ der westlichen Weltmacht.

Auf manchen Feldern ist Chamenei ein kühl kalkulierender Realpolitiker, der sich zu schmerzhaften Kompromissen bereit zeigt. Unter dem Druck der internationalen Wirtschaftssanktionen stimmte er 2015 der Beschränkung von Irans Atomprogramm zu.

Die wohl größte Herausforderung seiner Macht erlebte Chamenei, als nach der Wiederwahl von Präsident Mahmud Ahmadinedschad 2009 hunderttausende Iraner auf die Straße gingen und einen Systemwechsel forderten. Doch die Grüne Bewegung ließ Chamenei ebenso brutal niederschlagen, wie die Proteste, die Ende 2019 nach der Erhöhung der Benzinpreise das Land erschütterten.