AusstellungAls der portugiesische Konsul Aristides de Sousa Mendes Tausenden das Leben rettete

Ausstellung / Als der portugiesische Konsul Aristides de Sousa Mendes Tausenden das Leben rettete
 Foto: Editpress/Didier Sylvestre

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Im Nationalarchiv in Luxemburg-Stadt ist derzeit eine sehr sehenswerte Ausstellung zu besichtigen, in deren Mittelpunkt Aristides de Sousa Mendes steht, ein portugiesischer Konsul, der zu Beginn des Zweiten Weltkrieges seiner Regierung den Gehorsam verweigerte und damit tausenden Menschen auf der Flucht das Leben rettete. Darunter auch prominenten Luxemburgern.

Damals wurde er der „Engel von Bordeaux“ genannt, später bezeichnete man ihn als „der portugiesische Schindler“, in Anlehnung an den deutschen Industriellen Oskar Schindler, der im Zweiten Weltkrieg an die 1.200 Juden vor den Vernichtungslagern der Nazis bewahrt hat. Aristides de Sousa Mendes verdankten nach dem Zweiten Weltkrieg allerdings weit mehr Menschen ihr Leben. An die 30.000 Menschen – unter ihnen bis zu 10.000 Juden – soll der damalige portugiesische Generalkonsul in Bordeaux mit seinem selbstlosen Handeln im Mai und Juni 1940 vor den in Frankreich heranrückenden Truppen der Wehrmacht gerettet haben, indem er ihnen ein portugiesisches Visum für die Flucht in sein Heimatland und von dort in andere Weltgegenden ausstellte. Damit setzte er sich über ausdrückliche Vorgaben des autoritären Machthabers in Lissabon, Antonio de Oliveira Salazar, hinweg. Was Aristides de Sousa Mendes später die Karriere kostete.

Insofern passt die Ausstellung in unsere Zeit, in der zunehmend versucht wird, Flüchtlinge von Europa fernzuhalten und Menschen zu kriminalisieren, die diesen helfen. So, wie es in Ungarn oder Hilfsorganisationen im Mittelmeer, die in Seenot geratene Migranten aufnehmen, bereits geschieht. 

Die Ausstellung im Nationalarchiv zeichnet den Weg, den Aristides de Sousa Mendes bis zu seinem Wirken in Bordeaux zurückgelegt hat, nach. Beginnend mit seiner Familiengeschichte, die sich in einem konservativ-katholischen und ländlichen Milieu abspielt. Die Eltern sind aristokratischer Herkunft. Aristides und sein Zwillingsbruder César schlagen nach ihren Studien in Coimbra eine diplomatische Laufbahn ein, ihren jüngeren Bruder zieht es zum Militär. Als Konsul ist Aristides, der inzwischen seine Kusine Angelina Amaral de Abranches geheiratet hat, viel unterwegs: Britisch Guayana, Sansibar, Brasilien, San Fransisco, Spanien und das belgische Antwerpen sind Stationen seiner beruflichen Laufbahn. Fotografien, Dokumente und persönliche Gegenstände veranschaulichen diesen Weg. Dass Aristides de Sousa Mendes später das tun würde, wofür er später berühmt und gerühmt wurde, war aus seinem Lebenslauf erst nicht abzulesen. Mit dem seit 1910 installierten republikanischen Regierungssystem hatte er Schwierigkeiten, weshalb der Konsul wiederholt seines Amtes enthoben wurde. Mit der 1926 an die Macht gekommenen Militärdiktatur kam er besser aus, denn Aristides de Sousa Mendes erhält 1927 einen bedeutenden Posten im spanischen Vigo.

Visa für die großherzogliche Familie

Die Ausstellung geht ein auf die neben Portugal auch in anderen Ländern entstandenen autoritären und totalitären Regime und das aufziehende Unheil, von dem auch Luxemburg nicht verschont bleibt. 1938 übernimmt Aristides de Sousa Mendes das Generalkonsulat in Bordeaux. Ein Jahr später am 1. September überfällt Nazideutschland den polnischen Nachbarn, rund acht Monate später beginnt der Krieg im Westen. Viele Menschen flüchten und kommen in Bordeaux an, von wo aus sie versuchen, über Spanien nach Portugal zu gelangen, um von dort aus den sich im Krieg befindlichen Kontinent zu verlassen. Alle hoffen, ein portugiesisches Visum zu ergattern, ohne das sie feststecken, nicht wegkommen. Unter ihnen ist ebenfalls die großherzogliche Familie. Großherzogin Charlotte und Prinz Felix samt den drei Kindern wird Aristides de Sousa Mendes ebenso die nötigen Visen ausstellen wie den Ministern Pierre Dupong, Joseph Bech und Victor Bodson. Sie werden über Spanien – wo ihnen von Diktator Franco persönlich mitgeteilt wird, dass sie nicht willkommen sind – nach Portugal weiterreisen, wie andere luxemburgische Familien auch. Fotografien, Pässe, Reisedokumente und andere Schriftstücke aus den Beständen des Nationalarchivs und andere Gegenstände wie ein großer Reisekoffer, der Prinz Felix gehörte, veranschaulichen diese für die Geschichte Luxemburgs bedeutende Episode.

Unter den vielen, die dank der Visen von Aristides de Sousa Mendes fliehen konnten, waren auch so bekannte Namen wie der Maler Salvador Dali und seine Ehefrau, Hélène de Beauvoir, Malerin und Schwester der Schriftstellerin Simone de Beauvoir, Otto von Habsburg sowie die Verlegerin Simone Gallimard. Aber auch die Familie Ermann aus Luxemburg. Wie herzlich sie in Portugal aufgenommen wurden, davon erzählt Renée Ermann in einer von mehreren Videoaufnahmen mit Zeit- und Augenzeugen, die in der Ausstellung zu sehen sind. Renée kam 1940 mit ihren Eltern Henri und Elise Ermann nach Portugal, wo sie sich zwei Jahre aufhielten, um dann weiter über Jamaika und Kuba in die USA zu gelangen und 1946 wieder nach Luxemburg zurückzukehren. 

Im Register des Konsulats, das 2017 im Weltdokumentenerbe der Unesco aufgenommen wurde, werden die vielen tausende Visa, die Aristides de Sousa Mendes gegen die strikten Vorgaben aus Lissabon ausstellt,  irgendwann aus Zeitgründen nicht mehr eingetragen. Denn der Generalkonsul hat wegen des Andrangs der Bittsteller längst andere in sein Werk eingebunden, unter anderem zwei seiner Söhne sowie Angestellte des Konsulats. In Lissabon wurde Salazar über das Treiben seines Generalkonsuls in Bordeaux unterrichtet. Aristides de Sousa Mendes muss Anfang Juli unverzüglich zurück nach Portugal. Dort wird er vorerst vom Dienst suspendiert, dann zwangsweise in den Ruhestand versetzt. Verarmt stirbt er am 3. April 1954 in einem Krankenhaus in Lissabon.

Die Ausstellung hebt ebenfalls die Beziehungen zwischen Luxemburg und Portugal hervor und entstand im Rahmen der Aufnahme Portugals in die „International Holocaust Remembrance Alliance“ (IHRA), in der Luxemburg derzeit noch den Vorsitz innehat. Zu besichtigen ist die Ausstellung noch bis zum 22. Februar. Weitere Informationen gibt es auf der Internetseite anlux.public.lu.