PolitikAbgeordnete sprechen über die Lebensmittelsicherheit in Luxemburg

Politik / Abgeordnete sprechen über die Lebensmittelsicherheit in Luxemburg
Russland und die Ukraine decken ein Drittel des weltweiten Getreidebedarfs ab, die Ukraine ist der weltweit größte Sonnenblumenölproduzent. (Symbolfoto) Foto: Pixabay

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Nach der Energiekrise die Ernährungskrise? Die Chamber hat sich am Mittwoch (17.3.) des Themas angenommen, auch wenn Luxemburg vorerst wenig zu befürchten hat – anders als weniger gut gestellte Länder.

Die Energiekrise könnte Folgen auf die Welternährung haben. Als Erste durfte die CSV-Abgeordnete Martine Hansen diese Erkenntnis gestern im Parlament aussprechen. Sie hatte eine Aktualitätsstunde dazu angeregt. Russland und die Ukraine decken ein Drittel des weltweiten Getreidebedarfs ab, die Ukraine ist der weltweit größte Sonnenblumenölproduzent. Zehn Prozent der Weizen- und 16 Prozent der weltweiten Maisproduktion entfallen auf das angegriffene Land. Der Export liegt lahm, weil Hafeninfrastrukturen zerstört wurden. Aus fruchtbaren Agrarflächen wurden Schlachtfelder. Die Winterkulturen müssten nun gedüngt, die Sommerkulturen ausgesät werden. Dem Land mangelt es jedoch an Dünger, Diesel und Arbeitskräften. Es werde wohl keine Sommersaat und ein stark reduzierter Ertrag bei den Winterkulturen geben, so Hansen in ihrer Bestandsaufnahme.

Global gesehen, treffe diese Krise erneut die Allerärmsten, betonte die CSV-Abgeordnete. So stammten beispielsweise 90 Prozent der Weizenimporte Libanons und die Hälfte des Getreides des Welternährungsprogramms der UNO aus der Ukraine. Die Ernährungsprobleme könnten zu neuen sozialen Spannungen und zu politischer Destabilisierung in Ländern des Südens führen.

Diskussionen über die EU-Agrarpolitik

Europa sei kurzfristig von keiner Lebensmittelknappheit bedroht, betonte Hansen. Gleichzeitig wies sie auf Engpässe auf dem Düngemittelmarkt hin. Auch hier kam es zu einer Preisexplosion. Russland sei der größte Düngemittelhersteller. Wie bei den Energiepreisen, sei ein starker Preisanstieg bei Lebensmitteln nicht auszuschließen.

Die CSV fordert, dass die Lebensmittelsicherheit erneut zentrales Ziel der gemeinsamen Agrarpolitik der EU werden muss. Nicht vertretbar sei, dass unter den aktuellen Bedingungen die Landwirte verpflichtet würden, Ackerbauflächen brach zu legen. Auf EU-Niveau sind vier Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Agrarflächen davon betroffen. Allein für Luxemburg wären das 2.500 ha. Darauf könnte Getreide für rund 11 Millionen 1kg-Brote produziert werden, rechnete Hansen vor. Brachflächen sollten zur Herstellung von Eiweißprodukten genutzt werden.

Angesichts der Energiepreise müsste den Agrarbetrieben unkompliziert geholfen werden, etwa durch eine Preisdeckelung beim Diesel; Betriebe in existenziellen Nöten, wie die Schweinefleischproduzenten, sollten in den Genuss von Direkthilfen kommen. Konkrete Energiehilfen wünscht sich die CSV auch für lebensmittelverarbeitende Betriebe wie Luxlait. Bereits jetzt sollte man sich Stützmaßnahmen auch für die Konsumenten überlegen, damit die Lebensmittel weiterhin bezahlbar bleiben. Eine höhere Teuerungszulage und eine Energieprämie reichten nicht.

Dass Luxemburg wie in der Energieproblematik auch in Sachen Lebensmittelsicherheit allein wenig ausrichten kann, zeigten die zum Teil recht hilflos wirkenden Stellungnahmen einzelner Fraktionssprecher im Parlament. Sie hatten sich alle recht gut auf die Debatte vorbereitet, indem sie allgemein zugängliche Daten und Fakten gesammelt hatten, doch konkrete Lösungsvorschläge blieben aus. Man müsse sich bewusst sein, dass die Lebensmittel aufgrund der Preissteigerungen beim Getreide teurer werden, stellte etwa Gusty Graas (DP) fest. Die EU müsse alles unternehmen, um unabhängig von Importen zu werden. Mehr investiert werden müsste in den Obst- und Gemüseanbau und in neue Kulturen, etwa Soja.

Tess Burton (LSAP) warf dem russischen Präsidenten vor, Russlands Dominanz bei der Getreideproduktion ausnutzen zu wollen, so wie er es mit dem Gas und Erdöl tue. In Militärfragen habe die EU in Rekordtempo einen Strategiewechsel hingelegt. Ob der Mut auch für die Bereiche Energie und Lebensmittelsicherheit reiche, fragte sie.

Chantal Gary („déi gréng“) forderte ihrerseits eine weniger auf Fleisch- und Milchproduktion ausgerichtete Landwirtschaft und sprach sich für eine Reduzierung des Fleischkonsums aus. Bekämpft werden müssten alle Krisen, nicht nur die Ernährungskrise. Vergessen sollte man nicht die Klimakrise, die gefährdete Biodiversität und die Wasserkrise, die alle bereits heute Ernährungsprobleme verursachten.

Jeff Engelen (ADR) war in die Rolle des Verteidigers der traditionellen Agrarwelt geschlüpft. Die Landwirtschaft sollte auf maximale Erträge ausgerichtet sein, den Bauern dürfte kein Modell aufgedrängt werden, das weniger Erträge bringt. Die Politik und die Vertreter der Landwirtschaft sollten diskutieren, wie Luxemburg unabhängiger von Importen werden könnte.

Myriam Cecchetti („déi Lénk“) zufolge würde die Agroindustrie die aktuelle Ernährungskrise nutzen, um die kleinen Fortschritte der EU in Sachen nachhaltige Landwirtschaft rückgängig zu machen. Gewinner in der aktuellen Situation seien die multinationalen Lebensmittelkonzerne und das Agrobusiness. Den Landwirten müsse geholfen werden. Doch sollte die Hilfe an Bedingungen geknüpft werden, etwa die Umstellung auf extensive Produktion.

Marc Goergen (Piratenpartei) unterstrich, dass die Preissteigerungen in Luxemburg dank des Index kompensiert würden. Daran sollte nicht gerüttelt werden. In Luxemburg seien die Regale in den Geschäften nach wie vor voll. Und die EU werde es schaffen, „dass man auch weiterhin was auf dem Teller haben wird“, so Goergen optimistisch. Der Landwirtschaft könne man wohl helfen, aber die Regierung könne lediglich Korrekturen vornehmen.

Ohne EU geht es nicht

Den engen Spielraum nationaler Politik verdeutlichen auch die Ausführungen von Landwirtschaftsminister Claude Haagen. Er wies mehrmals auf die Vorschläge der EU-Kommission zur Stärkung der Lebensmittelsicherheit in der EU hin. Haagen erinnerte jedoch auch daran, dass die Preise für Energie und Düngemittel bereits vor dem Krieg in der Ukraine Rekordniveau erreicht hatten. Stickstoffdünger war 2021 um 65 Prozent teurer geworden. Die Landwirte bestellten wenig, also wurde weniger Dünger hergestellt. Die Folgen seien leere Lager. Und nun kämen die Sanktionen gegen Russland hinzu.

Haagen erinnerte daran, dass den Landwirtschaftsbetrieben wie den anderen Unternehmen bereits während der Covid-19-Krise geholfen wurde. Die Maßnahmen seien um mehrere Monate verlängert worden. Kommende Woche wird der EU-Agrarrat weitere Vorschläge der EU-Kommission diskutieren. Mit den in Schwierigkeit geratenen Schweinefleischproduzenten habe er bereits geredet. Er sei froh, dass sich die Preise für Schweinefleisch dieser Tage erholt hätten. Dem „Schweinetisch“ werde nun ein Getreidetisch folgen, so Haagen.

Eine zeitweilige Aufhebung der obligatorischen Flächenstilllegung schloss der Agrarminister nicht aus, sollte eine entsprechende Entscheidung auf EU-Ebene fallen.