Finanzplatz2022 war ein gutes Jahr für Luxemburgs einzige Genossenschaftsbank

Finanzplatz / 2022 war ein gutes Jahr für Luxemburgs einzige Genossenschaftsbank
Der Hauptsitz der einzigen Luxemburger Genossenschaftsbank in Leudelingen Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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In einem stark veränderten Umfeld hat die Luxemburger Raiffeisen-Bank 2022 ihr Ergebnis deutlich steigern können. Um attraktiver für gesuchte Fachkräfte zu sein, hat sie derweil eine neue Art Freizeit eingeführt. Für Grenzgänger hat sie zudem Büros an den Landesgrenzen eingerichtet.

„2022 war ein sehr bewegtes Jahr. Sehr unvorhersehbar“, sagt Yves Biewer, Geschäftsführer der einzigen Luxemburger Genossenschaftsbank, auf einer Pressekonferenz am Donnerstag. „Am 24. Februar ist eingetreten, was nicht vorstellbar war. In Europa gibt es wieder Krieg. (…) Alle anderen Krisen und Probleme sind in den Hintergrund gerückt.“

Gleichzeitig habe es einen „atemberaubenden Anstieg“ bei der Inflationsrate gegeben, so der Chef der Raiffeisen-Bank. Innerhalb von nur wenigen Monaten war die seit 15 Jahren andauernde Zeit der Negativzinsen plötzlich vorbei. „Von minus 0,5 Prozent im Juli 2022 ist der Leitzins bis Jahresende auf zwei Prozent gestiegen. Mittlerweile liegt er bereits bei drei Prozent.“

Geschäftsführer Yves Biewer
Geschäftsführer Yves Biewer Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Folgen habe das hierzulande besonders für den Immobilienmarkt gehabt, so Biewer weiter. Die in den letzten Jahren stark gestiegenen Wohnungspreise, gekoppelt an teurer gewordene Kredite, habe erst die Kaufkraft und dann das Verhalten der Kunden beeinflusst. Viele potenzielle Käufer seien nun in einen „Abwarte-Modus“ übergegangen. Immerhin seien die Preise bereits auf Höhen angekommen, die sich kaum noch jemand leisten kann. „Die Kunden zögern nun, wenn es ums Kaufen geht.“ Die Nachfrage nach Mietwohnungen lege derweil zu.

Das Volumen der Finanzierungen von Wohneigentum hat bei Raiffeisen im Gesamtjahr 2022 zwar um 4,7 Prozent steigern können – das ist aber spürbar langsamer als in den Vorjahren. Zu Beginn 2023 habe sich der Rückgang nun noch weiter fortgesetzt, so Biewer. Das betreffe sowohl Privatleute als auch Investoren. „Die einen zögern, die anderen warten ab. Der Markt stagniert. Es fehlt an Visibilität für Planungen.“

Stagnierender Luxemburger Wohnungsmarkt

Trotz der deutlich gestiegenen Zinskosten für Darlehen hat man bei Raiffeisen aber bisher noch keine Zunahme bei Problemkrediten festgestellt. Ähnlich wie auch BGL BNP Paribas bereits erklärt hatte. „Stand heute gibt es keine größeren Ausfälle zu vermelden als sonst“, so der Bankchef. Er führt das auf die vorausschauend vorsichtige Kreditvergabepolitik der letzten Jahre zurück.

Weiter hebt er aber hervor, dass steigende Leitzinsen das wohl richtige Mittel seien, um gegen die schnell steigenden Preise vorzugehen. In diesem Sinne bedauert er die oft einseitige Kritik, dass nun Darlehen teurer werden. Es gelte jedoch nicht zu vergessen, dass Sparer endlich wieder eine kleine Entlohnung für ihre Sparguthaben erhalten, unterstreicht er.

Und diese sind 2022, wie in all den letzten Jahren, deutlich gestiegen. Innerhalb eines Jahres war es ein Plus von sechs Prozent auf 9,4 Milliarden Euro. „Höhere Zinsen haben wieder zur Attraktivität des Sparens beigetragen.“ Das Gesamtvolumen der Kredite sei um „ganz respektable“ 4,2 Prozent (weniger stark als in den Vorjahren) auf 7,7 Milliarden Euro gestiegen.

  
   Quelle: Raiffeisen
  
   Quelle: Raiffeisen

Dass die Zeit der Zinserhöhungen nun vorbei ist, glaubt er derweil nicht. Er rechnet noch mit zwei bis drei kleineren Zinsschritten, ehe sich die Lage dann wieder stabilisieren könne. Insgesamt sei das aber schwer vorherzusagen. Er erinnert daran, dass die Zinssätze in der Zeit von vor der Finanzkrise von 2008 noch deutlich höher waren als heute.

Keine Zunahme bei Problemkrediten

Raiffeisen selber ist mit den steigenden Zinssätzen gut zurechtgekommen. Die Bank konnte ihr Ergebnis mit der Zinsmarge um satte 14 Prozent steigern. Auch was erwirtschaftete Gebühren auf Finanztransaktionen angeht, konnte sie, trotz schlechtem Börsenjahr, einen guten Zuwachs von fast neun Prozent erwirtschaften.

Trotz rund 20 Prozent höheren Rückstellungen für mögliche Risiken und trotz Kosten, die im Vergleich zum Vorjahr um 8,3 Prozent gestiegen sind, stand bei der Genossenschaftsbank am Jahresende so ein Nettogewinn von 23,7 Millionen Euro (Vorjahr: 19,8 Millionen Euro) in den Büchern. „Das stärkt uns für die Herausforderungen der Zukunft“, so Biewer.

Das Nettoergebnis von 2022 ist der zweithöchste Gewinn in der Geschichte der Bank. Nur 2012, als außergewöhnliche Restrukturierungsgewinne verbucht worden waren, war er noch höher (25,5 Millionen Euro) ausgefallen.

Biewer unterstreicht, dass alle Bereiche der Bank zu dem guten Resultat beigetragen haben. Zudem hebt er die wichtige Rolle des traditionell „vorsichtigen“ Geschäftsmodells der Genossenschaftsbank hervor. Auch in Zukunft werde dies beibehalten werden, verspricht er. Die Bilanzsumme, die für das Geschäftsvolumen der Bank steht, hat um 5,9 Prozent zugelegt. Ähnlich schnell wie in den zehn Jahren zuvor.

Mitarbeiter mit veränderten Erwartungen

Auch die Zahl der Mitarbeiter ist im vergangenen Jahr weiter gestiegen: um 20 Posten auf mittlerweile 618 Vollzeitstellen. „Und wir stellen noch weiter ein“, so Biewer, der der Bank seit Ende 2020 vorsteht. Da es auf dem Arbeitsmarkt derzeit jedoch „relativ schwierig“ sei, einige spezielle Profile zu finden, und sich „die Erwartungen vieler Menschen geändert haben“, habe die Bank innoviert, erklärt er. Heute sei mehr Flexibilität für eine bessere Work-Life-Balance gewünscht als vor 20 oder 30 Jahren.

Eingeführt wurden flexiblere Arbeitszeiten zwischen 7 und 19 Uhr. Etwa die Hälfte der Mitarbeiter arbeitet einen Tag die Woche von zu Hause aus. Zwei Tage Homeoffice pro Woche sind seit zwei Jahren möglich. Für Grenzgänger wurden zudem Büro-Räumlichkeiten an Orten wie Steinfort, Kayl, Differdingen und Mondorf eingerichtet. Weitere sollen noch hinzukommen.

Ein neuartiges Element, um die Attraktivität für Mitarbeiter zu erhöhen, ist die Einführung eines sogenannten „Quality Time“-Konzepts. Dieses erlaubt es jedem Mitarbeiter, unter gewissen Bedingungen, zusätzlich zum gesetzlichen und dem im Kollektivvertrag vorgesehenen Urlaub noch einen oder zwei halbe Tage pro Monat freizuhaben. „Wir glauben, dass dies Stress reduziert, die Motivation und die Effizienz fördert“, so der Geschäftsführer. Das sei aber kein festgeschriebenes Recht, sondern eine Möglichkeit.

Was das Netz der Filialen anbelangt, so verfügt die Genossenschaftsbank derzeit über insgesamt 31 Niederlassungen. Das Netz bleibt jedoch in Bewegung: Ungeachtet der punktuellen Schließung einzelner Filialen werden andere Niederlassungen (Niederanven, Weiswampach und Remich) modernisiert, so das Kreditinstitut. Noch andere werden umgesiedelt und weitere befinden sich im Bau oder in der Planung (Bascharage, Differdingen, Esch-Belval und Wiltz). Gleichzeitig passe man sich den Bedürfnissen der Kunden an, die zunehmend leistungsstarke digitale Lösungen wünschen. Man halte „an beiden Wegen als bestes Angebot fest“.

Die Gewinn- und Verlustrechnung
Die Gewinn- und Verlustrechnung Screenshot: Raiffeisen

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Georges Heinrich, Jean-Louis Barbier, Yves Biewer, Laurent Zahles und Eric Peyer (v.l.n.r.)
Georges Heinrich, Jean-Louis Barbier, Yves Biewer, Laurent Zahles und Eric Peyer (v.l.n.r.) Foto: Editpress/Hervé Montaigu