FinanzplatzDas „Fenster nach Russland“ soll verkauft werden

Finanzplatz / Das „Fenster nach Russland“ soll verkauft werden
Der Sitz der EWUB in Luxemburg-Stadt Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Als Folge von Ukraine-Krieg und Sanktionen steht das einstige Vorzeigeunternehmen der russisch-luxemburgischen Beziehungen mittlerweile zum Verkauf. Es ist ein Kreditinstitut, das sich zusammen mit Veränderungen in der Weltpolitik bereits öfter wieder neu erfinden musste.

Die East-West United Bank (EWUB) ist eine Bank mit Geschichte. Sie ist seit 1974 in Luxemburg vertreten. Damals, als es die Sowjetunion noch gab, wurde in Moskau entschieden, hierzulande ein Finanzinstitut zu gründen, um den Handel der staatlichen Unternehmen mit dem Westen zu unterstützen. Die EWUB war eine von mehreren solcher Staatsbanken, die die Sowjetunion in Frankfurt, London, Paris und eben auch in Luxemburg gegründet hatte. Sie funktionierte nach den kapitalistischen Regeln Luxemburgs und hatte zum Ziel, die Import- und Exportaktivitäten von den sowjetischen Staatsbetrieben zu finanzieren. Dazu zählte unter anderem das Tätigen von Devisentransaktionen.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, in den Jahren 1992 bis 1994, wurde die kleine Bank in Luxemburg dann privatisiert. Die russische „Banque impériale“ kaufte 49 Prozent der Anteile. Die Privatisierung war jedoch nur von kurzer Dauer – die „Banque impériale“ überlebte die Russlandkrise von 1998 nicht. EWUB wurde von der staatlichen russischen VTB-Bank übernommen.

In den darauffolgenden Jahren begannen die Verhandlungen mit dem russischen Mischkonzern Sistema. 2002 kaufte dieser einen Minderheitsanteil. Im Jahr 2007 war der Staat dann komplett aus dem Kapital der Bank ausgestiegen. Seitdem hält Sistema direkt 34 Prozent der Anteile und die Sistema-Tochter MTS Bank die restlichen 66 Prozent. Seit 2018 ist Sistema selbst der einzige Anteilseigner. Der Konzern Sistema ist riesig: Zu ihm zählen Unternehmen aus 15 unterschiedlichen Wirtschaftssektoren – von Telekommunikation bis Finanzen.

Mit Putin zu Gast in Luxemburg

Der Mann hinter dem Konzern ist Vladimir Evtushenkov. Der russische Milliardär kam damals regelmäßig nach Luxemburg. Beispielsweise, als Russlands Präsident Vladimir Putin Luxemburg im Jahr 2007 einen Besuch abstattete, war er, neben Vertretern von Gazprom, als Teil der russischen Wirtschaftsdelegation mit dabei. Die EWUB vermarktete sich als Luxemburger „Fenster nach Russland“ oder als „Brücke zwischen Ost und West“.

Auch im April 2010, als Erbgroßherzog Guillaume und Wirtschaftsminister Jeannot Krecké mit Luxemburger Unternehmen in Russland auf der Suche nach neuen Geschäftsbeziehungen war, zeigte Evtushenkov Präsenz. „Luxemburg ist für uns ein strategischer Partner“, unterstrich er damals. Es handle sich um „sehr vielversprechende“ Beziehungen zwischen beiden Ländern, wobei dies erst der Anfang sei. Seine Luxemburger Bank war gerade dabei, sich gut zu entwickeln, ihre Bilanzsumme hatte sich in den Jahren zuvor versechsfacht. Als Anerkennung seines Einsatzes für Luxemburg erhielt er den Titel des Ehrenkonsuls für das Großherzogtum.

Auch in den folgenden Jahren unternahm EWUB immer wieder Anstrengungen, um das Volumen der von Luxemburg aus getätigten Geschäfte zu vergrößern. Zur Vertiefung der Beziehungen lud er erst Jeannot Krecké und danach auch den späteren Wirtschaftsminister Etienne Schneider in den Verwaltungsrat des russischen Mutterkonzerns. Ersterer wurde auch zum Präsidenten der Luxemburger EWUB. Mit Hans-Ulrich Hügli, ehemaliger Geschäftsführer von Credit Suisse in Luxemburg, sowie Didier Mouget, ehemaliger Managing Partner von PricewaterhouseCoopers in Luxemburg, waren noch weitere bekannte Persönlichkeiten aus der Luxemburger Wirtschaft in dem Verwaltungsrat vertreten.

Vladimir Evtushenkov
Vladimir Evtushenkov Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Im September 2014 gab es dann Ärger für Evtushenkov in Russland. Er wurde unter Hausarrest gestellt und der Geldwäsche im Zusammenhang mit dem Erwerb von Anteilen des Ölproduzenten Baschneft beschuldigt. Sistema erklärte die Anschuldigungen für unbegründet. Nachdem der Ölkonzern an die staatlich kontrollierte Rosneft-Gruppe übergeben war, erhielt Evtushenkov eine finanzielle Entschädigung und alle Anschuldigungen gegen ihn wurden zurückgenommen.

Ukraine-Krieg hat das Geschäft vermasselt

Nachdem Russland 2022 die Invasion der Ukraine begonnen hatte, war es mit den guten Geschäften zwischen Luxemburg und Russland dann schnell vorbei. Die Luxemburger Vertreter in den Verwaltungsräten gerieten, obwohl es weder Sanktionen gegen den Besitzer noch gegen die Bank gab, unter Druck. Schlussendlich legen die beiden ehemaligen Minister Krecké und Schneider ihre Ämter beim russischen Konzern nieder.

Auch geschäftlich ging es seit Kriegsbeginn mit den Aktivitäten steil bergab. Zu Jahresende sah sich die Bank gezwungen, die Hälfte ihrer Belegschaft von rund 80 Mitarbeitern zu entlassen. Hintergrund war, dass das Institut zum großen Teil für eine russische Kundschaft arbeitete, was sanktionsbedingt jedoch immer schwieriger wurde.

Seitdem hat sich die Lage nicht entspannt. Russland greift weiter die Ukraine an. In Europa werden als Reaktion die Sanktionen weiter ausgebaut. In Großbritannien mittlerweile auch gegen Vladimir Evtushenkov und seine Familie.

Am Dienstag haben nun mehrere russische Medien übereinstimmend gemeldet, dass Sistema plant, ihre kleine Luxemburger Bank komplett zu verkaufen. Dies unter Berufung auf den Sistema-Jahresbericht von 2022. Der Verkauf solle im Laufe des Jahres 2023 abgeschlossen werden. Angaben zu möglichen Käufern werden nicht gemacht. Die Entscheidung sei bereits im Oktober getroffen worden, ist auf Tass.com und auf Interfax.com zu lesen.

Um den Verkaufspreis festzulegen, soll eine unabhängige Bewertung erstellt werden. Vorsichtshalber tätigt Sistema aber bereits eine Abschreibung in Höhe von 18 Millionen Dollar. Auf Tageblatt-Nachfrage zu mehr Details hat die EWUB am Mittwoch nicht geantwortet.

Sitz der Bank ist die sogenannte „Villa Foch“ auf dem boulevard Joseph II in Luxemburg-Stadt, neben dem Park. Zuvor war das Gebäude im Besitz der Arbed, die es als repräsentative Unterkunft für Gäste nutzte. Doch um 1970 hatte der Stahlhersteller Probleme – die Stahlkrise – und verkaufte Beteiligungen, die nicht zum Kerngeschäft gehörten. Insgesamt 97 Millionen Luxemburger Franken legte die sowjetische Bank damals auf den Tisch und rettete so das historische Gebäude vor dem Abriss. Benannt ist das beeindruckende Anwesen nach dem französischen Marschall Ferdinand Foch, Oberbefehlshaber der Alliierten im Ersten Weltkrieg. Er hat in den Jahren 1918-19 in der Villa gelebt.

Erinnerung an bessere Zeiten: Eine Feier im Garten der Villa Foch im Jahr 2013
Erinnerung an bessere Zeiten: Eine Feier im Garten der Villa Foch im Jahr 2013 Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante