Die „New York Times“ schreibt in ihrer Freitagsausgabe, dass die Staatsanwälte das Vertrauen in ihre wichtigste Zeugin verloren hätten. Der ganze Fall sei „am Rande des Zusammenbruchs“. Kurz zuvor war bekannt geworden, dass Strauss-Kahn noch am Freitag erneut vor Gericht erwartet wird.
Die 32-Jährige, die vor neun Jahren aus dem westafrikanischen Guinea eingewandert war, soll nicht nur bei ihrem Asylantrag gelogen haben. Es gebe auch Hinweise, dass sie in Geldwäsche und Drogenhandel verwickelt sei. Die Zeitung beruft sich dabei auf zwei hochrangige Strafverfolger, ohne sie namentlich zu nennen.
Nicht mehr glaubwürdig
Die Frau hatte angegeben, dass Strauss-Kahn sie am 14. Mai in seinem Hotelzimmer splitternackt überfallen und zum Oralsex gezwungen habe. Der Franzose wurde gut vier Stunden später aus der Ersten-Klasse-Kabine seines Paris-Fluges festgenommen und sitzt seitdem in Haft. Die letzten Wochen durfte er allerdings, nach Hinterlegung einer Kaution von sechs Millionen Dollar, unter strengsten Auflagen, in einem großzügigen Apartment in Manhattan wohnen. Wegen der Vorwürfe war Strauss-Kahn als IWF-Chef zurückgetreten.
Die Ermittler würden nun intern über „große Löcher“ in der Glaubwürdigkeit der Frau klagen, berichtete die Zeitung. Sie habe bei den Vernehmungen in den letzten knapp sieben Wochen wiederholt gelogen. Auch wenn es Beweise für einen sexuellen Kontakt gebe, würden die Ankläger ihr nicht mehr viel glauben. So soll sie am Tattag mit einem inhaftierten Mann über die Möglichkeit gesprochen haben, mit Vorwürfen gegen den Franzosen Geld zu machen. Der Mann sitze wegen Drogenschmuggels und habe immer mal wieder Geld, zusammen etwa 100.000 Dollar, auf dem Konto der Frau geparkt. Bislang galt sie als alleinstehende Mutter, die mit dem Lohn als Zimmermädchen mühsam sich und ihr Kind durchbringt.
„Große Probleme mit dem Fall“
Laut „Times“ sagte die Frau, die Einzahlungen seien von einem Freund ohne ihr Wissen gemacht worden. Sie wisse auch nichts über monatliche Telefonrechnungen in Höhe von Hunderten Dollar. Staatsanwalt Cyrus Vance sagte dem Gericht am Donnerstag laut „Times“, er habe „große Probleme mit dem Fall“.
Strauss-Kahn sollte am Freitag (1. Juli) wieder vor Gericht erscheinen. Bei dem Termin sollte es um leichtere Haftbedingungen für den 62-Jährigen gehen. Eigentlich war als nächster Verhandlungstag der 18. Juli vorgesehen.
Erste Reaktionen aus Frankreich
Parteifreunde des wegen versuchter Vergewaltigung angeklagten Dominique Strauss-Kahn sehen nach den jüngsten Entwicklungen Chancen auf eine Rückkehr in die französische Politik. Der ehemalige sozialistische Premierminister Lionel Jospin bezeichnete die aufkommenden Zweifel an der Hauptbelastungszeugin am Freitagmorgen als „Donnerschlag“. Sollte der frühere Währungsfonds-Chef völlig entlastet werden, sei es an ihm und der Partei, über die Zukunft zu entscheiden. Der frühere Kulturminister Jack Lang erklärte: „Wenn sich die Neuigkeiten aus New York bestätigen, wäre das eine große Freude.“
Der 62-Jährige war bis zu seiner Verhaftung Mitte Mai einer der aussichtsreichsten möglichen Kandidaten der sozialdemokratischen PS für den französischen Präsidentschaftswahlkampf im kommenden Frühjahr. Es galt als nahezu sicher, dass er bei den Vorwahlen der Sozialistischen Partei nach US-amerikanischem Vorbild antreten würde. Mit Michèle Sabban forderte am Freitag eine erste PS-Politikerin, die Vorbereitungen für die Abstimmung im Herbst zunächst auszusetzen. Strauss-Kahn müsse die Chance bekommen, sich zu den Entwicklungen zu äußern, sagte sie der Nachrichtenagentur AFP. Sabban hatte bereits nach der Verhaftung ihres Parteifreundes ein Komplott in Erwägung gezogen.
De Maart

Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können