Für einen Euro darf jeder volljährige Franzose mitbestimmen, wer im Frühjahr gegen Präsident Nicolas Sarkozy antreten soll. Das sehen die Regeln der für den Oktober geplanten Vorwahlen der Opposition vor. Außerdem muss sich jeder, der daran teilnehmen möchte, zu den Werten der Linken bekennen. Die fünf Sozialisten, die Sarkozy beerben möchten, liefern sich an diesem Wochenende ihr Schaulaufen beim traditionellen Parteitreffen in La Rochelle, am Atlantikstrand.
Kleine Gemeinheiten unter Genossen und ein scheinbar harmonisches Familienfoto sind zu erwarten. Und ein Hauch von Wehmut: Hätte Dominique Strauss-Kahn keinen Sex mit dem New Yorker Zimmermädchen gehabt, dann hätten Frankreichs Sozialisten eine große Chance gehabt, nach 17 Jahren endlich wieder an die Macht zu kommen. Von seiner politischen Brillanz und seinem bis zum Sexskandal legendären Charisma sind die verbliebenen Anwärter auf die Kandidatur meilenweit entfernt.
Sarkozy punktete beim Libyeneinsatz
Die Gewinnaussichten haben sich auch durch andere Entwicklungen deutlich verschlechtert: Sarkozy hat durch den von ihm angezettelten Libyeneinsatz außenpolitische Statur gewonnen. Sobald Machthaber Muammar al-Gaddafi aus dem Weg geräumt ist, will er nach Tripolis reisen und sich vom libyschen Volk feiern lassen.
Die maue Wirtschaftslage dürfte den Sozialisten noch mehr zu schaffen machen als dem Präsidenten. Wegen der Haushaltsdefizite nötige drastische Sparprogramme kommen bei ihren Wählern schlecht an. Im Wahlprogramm steht sogar, dass sie die Rentenreform rückgängig machen und zur „Rente mit 60“ zurückkehren wollen. „Anfang der 80er Jahre stehengeblieben“, kommentiert das liberale Wirtschaftsmagazin „The Economist“ trocken.
Sarkozy versucht Sozialisten in die Enge zu drängen
Sarkozy versucht derzeit, die Sozialisten mit dem geplanten Festschreiben der Schuldenbremse in die Verfassung in die Enge zu drängen. Stimmen sie zu, laufen sie Gefahr, als seine Handlanger darzustehen. Verhindern sie es, machen sie es der Regierungspartei leicht, ihnen wirtschaftspolitische Laxheit vorzuwerfen.
Die beiden Favoriten für die Präsidentschaftskandidatur, Parteichefin Martine Aubry und ihr Amtsvorgänger François Hollande , laufen sich für ihren Zweikampf warm. „Als ich die Parteiführung übernommen habe, war die Partei in einem jämmerlichen Zustand“, bemerkte Aubry spitz zum Auftakt des Parteitreffens. Hollande sonnt sich im Glanz einer Umfrage, die ihm derzeit einen Vorsprung von elf Prozentpunkten einräumt.
Rückkehr Strauss-Kahns beunruhigt Sozialisten
Unterdessen beunruhigt die erwartete Rückkehr Strauss-Kahns nach Frankreich die Sozialisten. „Er bleibt derjenige, der mittags Sex mit einem Zimmermädchen in einer Luxus-Suite hatte, sich dann mit seiner Tochter zum Essen traf und anschließend zu seiner Frau zurückflog“, sagte Sylvie Kauffmann, Chefredakteurin von „Le Monde“, in einem Interview der „New York Times“.
So lange der Zivilprozess des Zimmermädchens aussteht und in Paris in einer weiteren Affäre wegen versuchter Vergewaltigung ermittelt wird, gilt Strauss-Kahn jedenfalls als eine Belastung für die Sozialisten. „Je weniger über ihn geredet wird, desto besser für die Sozialisten“, meint der Politologe Aquilino Morello.
De Maart

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