Roland Martin ist einer der leidenschaftlichsten schwarzen Kommentatoren im amerikanischen Fernsehen. Wortgewaltig hat er sich vor vier Jahren für die Wahl Barack Obamas stark gemacht. Jetzt bringen ihn die Todesschüsse eines weißen Hobbypolizisten auf einen unbewaffneten 17-Jährigen in Wallung.
Allein die Tatsache, dass das Opfer schwarze Hautfarbe hatte und einen Kapuzenpullover trug, habe den selbsternannten Nachbarschaftswächter zur Waffe greifen lassen. Vorurteile und Klischees seien es, die nach wie vor das Bild der Afro-Amerikaner in den Augen der Weißen bestimmten. „Klischees mit tödlichen Folgen“, nennt das Martin. „Wir Schwarze haben diese Klischees satt.“
„Wunden des Rassismus“
Die Debatte nach dem Tod den jungen Trayvon Martin in Stanford (Florida) reißt alte Wunden auf – Wunden des Rassismus, von denen viele glaubten, sie seien längst verheilt. Die Tatsache, dass über drei Wochen nach der Tat der mutmaßliche Todesschütze – ein 28-jähriger Latino – nach wie vor auf freien Fuß ist, lässt bei Millionen Afro-Amerikanern in den USA den bösen Argwohn aufkommen, dass Schwarze und Weiße vor dem Gesetz noch lange nicht gleich sind.
„Sie können in diesem Land umgebracht werden, weil sie schwarz sind“, sagt ein Demonstrant bei einem Protestmarsch in Washington. Die Wut über den Fall hat mittlerweile Afro-Amerikaner im ganzen Land erfasst.
„Innocent kid“
Besonders erregen die jüngsten Sprüche des Fox-News-Moderators Geraldo Rivera, die in den Augen von Kritikern just die alten Vorurteile und Klischees über Schwarze bestätigen. Zwar verurteilt auch Rivera den Tod des Jungen und betont, dieser sei ein „innocent kid“, ein unschuldiges Kind gewesen. Doch dann stimmt auch der TV-Mann in das altbekannte Lied ein. „Ich wette um Geld“, meint Rivera: Wenn der Junge nicht diesen Kapuzenpullover getragen hätte, wäre ihm der Möchtegern-Polizist gar nicht nachgestiegen.
Immer emotionaler, immer erregter wird die Debatte. Selbst Obama, der erste schwarze Präsident in der US-Geschichte, macht da keine Ausnahme. „Wenn ich einen Sohn hätte, er würde wie Trayvon aussehen“, sagt Obama. Das sind Worte, die die Stimmung kaum beruhigen dürften.
„Wir wollen Gerechtigkeit“
Ebensowenig wie das 10.000-Dollar-„Kopfgeld“, das die Schwarzenorganisation The New Black Panther Party auf den Schützen aussetzte. „Wir wollen Gerechtigkeit“, meinen die Panther. Es genüge nicht, dass lediglich der Polizeichef in Stanford suspendiert sei.
Auch die juristische Debatte ist in vollen Gang – und bietet manche Überraschung. Die Polizei in Stanford begründet ihre Untätigkeit gegen den Todesschützen mit dem besonderen Gesetz „Stand Your Ground“ (Weiche nicht zurück) in Florida. Es gibt Bürgern in Florida ein besonders ausgeprägtes Recht auf Selbstverteidigung.
Bei Verdacht, Recht zur Waffe zu greifen
Demnach dürfen sie zur Waffe greifen, sobald sie den begründeten Verdacht haben, dass jemand einen Angriff auf sie oder einen Dritten starten könnte. Sie sind auch nicht mehr länger gehalten, bei einer Konfrontation zurückzuweichen, um eine Eskalation zu verhindern. Außerdem gilt das 2005 eingeführte Gesetz nicht ausschließlich im eigenen Haus, sondern überall.
Das Gesetz habe eine Festnahme des Todesschützen nicht zugelassen, argumentierte die örtliche Polizei – denn er habe Notwehr geltend gemacht. Doch genau dieses Argument stellen Kritiker nun in Frage. Schließlich habe der Todesschütze den jungen Schwarzen verfolgt – nicht umgekehrt. „Der Kerl scheint nichts Gutes im Schilde zu führen…“, soll der Hobbypolizist der Polizei per Handy gemeldet haben. Mehr noch: Die Polizei habe ihm ausdrücklich abgeraten, den Jungen zu verfolgen.
Selbst Floridas ehemaliger Gouverneur Jeb Bush, der das umstrittene Gesetz seinerzeit unterschrieben hatte, meldet sich zu Wort: „Das Gesetz trifft auf diesen Fall nicht zu“, meint der jüngere Bruder des früheren Präsidenten George W. Bush. „‚Stand Your Ground‘ heißt, dass man nicht zurückweichen muss. Es heißt aber nicht, jemanden zu verfolgen, der einem den Rücken zukehrt.“
De Maart

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