Dienstag11. November 2025

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Eckhaus für 60.000 Pfund pro Woche

Eckhaus für 60.000 Pfund pro Woche
(dpa)

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Olympische Spiele haben schon seit Jahrzehnten den Jagdtrieb der Immobilienhaie entfacht. London, ohnehin eines der teuersten Pflaster Europas, macht keine Ausnahme. Im Umfeld des Olympia-Parkes im East End ist bei Vermietern und Maklern der Goldrausch ausgebrochen.

In London kann man sehr schön wohnen. Sechs Zimmer, Altbau, Kamin, gepflegtes Ambiente, Blick auf den Victoria-Park, einen Steinwurf vom neuen Olympia-Zentrum entfernt. „Zu haben während der Olympischen Spiele“, schreibt der Makler in seiner Anzeige. Verlockend ist das Angebot aber nicht für jedermann, das Ausschlusskriterium ist der Preis. Das nette Eckhaus kostet 60.000 Pfund (71.000 Euro) – nicht etwa zum Kaufen, sondern zur Miete. Und zwar pro Woche. Wer einen Monat bleiben will, muss 260.000 Pfund berappen.

Das nach außen hin unscheinbare, viergeschossige Haus in der Victoria Park Road ist das derzeit schillerndste Beispiel für den Olympia-Hype auf dem Wohnungsmarkt in London. Doch Angebote mit wöchentliche Mieten von 5000 Pfund für ganz normale Wohnungen sind im East End keine Seltenheit mehr. „Exklusiv für Olympia“, heißt es in den Annoncen. Makler sprechen von einem Goldrausch oder nehmen das Wort „Fieber“ in den Mund. Die Vermieter versuchen alles, um den knappen Wohnraum während der Spiele möglichst teuer an den Mann zu bringen. Bei den Methoden sind sie bisweilen nicht zimperlich.

Kein Scherz

Elissa Levaillant kann ein Lied davon singen. Die junge Französin glaubte erst an einen Scherz, als sie am 1. April eine E-Mail ihrer Vermietungsagentur im Postfach fand. „Bitte ziehen Sie spätestens zum 21. Mai aus. Hinterlassen Sie die Wohnung gereinigt und bringen Sie den Müll raus“, stand da. „Ich war mitten im Examensstress“, sagt die junge Frau aus Paris. „Als ich zur Agentur ging, sagte man mir, das sei wegen Olympia.“

Melissa bewohnt das Reihenhaus im Stadtteil Bethnal Green gemeinsam mit fünf weiteren Mitbewohnern. „Ich zahle sowieso schon 600 Pfund pro Monat für mein Zimmer“, sagt sie. „Der Vermieter nimmt eine Menge Geld.“ Jetzt will er offensichtlich noch mehr. So wie Melissa geht es derzeit einigen Einwohnern im East End. Auf der Suche nach dem schnellen Olympia-Pfund werfen rücksichtslose Vermieter ihre Mieter raus und versuchen den Wohnraum meistbietend loszuschlagen. Der vergleichsweise schwache britische Mieterschutz macht’s möglich.

Kurzzeitmiete

Die Zahl der Angebote für Kurzzeitmiete sind seit Januar um ein Drittel gestiegen. Die Seite easyroommate.co.uk errechnete, dass die Durchschnittsmiete pro Woche in den olympianahen Stadtteilen seit Jahresende um 17 Pfund auf 147 Pfund gestiegen ist.

Melissa weiß noch nicht, was sie nach dem 21. Mai macht. „Vielleicht gehe ich zurück nach Paris“, sagt sie. Doch auch für die Vermieter ist der Goldrausch ein gefährliches Spiel. Die Nachfrage scheint bei weitem nicht die Vorstellungen der Anbieter zu erfüllen. Während einige Makler den Vermietern noch Aufschläge von mehreren hundert Prozent für den Sommer empfehlen, drücken andere schon wieder auf die Bremse. „Inwieweit Vermieter tatsächlich von hochpreisigen Angeboten in der Olympia-Zeit profitieren können, ist noch völlig unklar“, warnt etwa Lynn Hilton vom Maklerbüro Cluttons. Und wenn die Olympia-Gäste wieder weg sind, werden auf einen Schlag unzählige Wohnungen frei.

Folgen

Der Preistrieb hat aber bereits erste tatsächliche Folgen – für die ärmliche Bevölkerung im direkten Umfeld des Olmypiastadions von Stratford. Die Gegend galt bis vor wenigen Jahren noch als völlig vernachlässigt. Jetzt stiegen die Mieten für Wohnungen in den vor Jahrzehnten privatisierten Wohnungen der Sozialblocks so rasant, dass sich die Gemeinden die Wohngeldzuschüsse für die Mieter nicht mehr leisten können.

500 Bewohner aus dem Olympia-Stadtteil Newham sollen jetzt auf andere Gegenden Großbritanniens verteilt werden, Anfragen liefen sogar im fast 300 Kilometer entfernten Stoke-on-Trent. Die Vereinigung der London Councils schätzt, dass bis zu 250.000 Menschen die Stadt verlassen müssen, weil sie auf Wohngeld angewiesen sind und die Kommunen dieses nicht mehr zahlen können.