Der Präsident im Umfragetief, der Premierminister mit Autoritätsproblemen und die Wirtschaft am Boden: Kein halbes Jahr nach der Regierungsübernahme weht den französischen Sozialisten ein eisiger Wind entgegen. Beim ersten Parteitag nach langen Oppositionsjahren stand am Wochenende deswegen vor allem eines auf dem Programm: Geschlossenheit üben.
Die künftige Schlüsselrolle bei diesem Projekt kommt Harlem Désir zu – zumindest offiziell. Beim Parteitag in Toulouse hatte der frühere Anti-Rassismus-Aktivist mit Wurzeln auf der Karibikinsel Martinique seinen ersten großen Auftritt. Der 52-Jährige war bei einer Mitgliederabstimmung zum neuen Parteivorsitzenden gewählt worden.
Einheit
„Für die Sozialistische Partei der Zukunft wird die Einheit der Sozialisten und die Einheit der Linken absolute Priorität haben“, beschwor er die Mitglieder bei seiner umjubelten Rede am Sonntag. Die Parti Socialiste (PS) könne stolz darauf sein, was seit den Wahlen im Frühjahr erreicht worden sei.
Die rund 173.000 Sozialisten um Präsident François Hollande haben Optimismus und Geschlossenheit bitter nötig. Zum einen sind die Umfragewerte des Staatschefs nach nur fünfeinhalb Monaten Amtszeit tief in den Keller gerutscht, 64 Prozent der Franzosen sind demnach unzufrieden mit ihm.
Uneins
Zum anderen knirscht es gewaltig in der Regierung. Mehrmals stellten zuletzt sozialistische Minister öffentlich Entscheidungen von Hollande und Premierminister Jean-Marc Ayrault infrage – so zum Beispiel beim Nein zur Cannabis-Legalisierung und zum klaren Ja fürs Wahlrecht für Ausländer bei Kommunalwahlen.
Vergleichsweise harmlos waren dagegen die Abweichler-Probleme im Parlament: Bei der Abstimmung über den europäischen Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin verweigerten etliche Abgeordnete aus dem linken Parteiflügel ihre Zustimmung. Sie nahmen es Hollande übel, dass er den Vertrag nicht wie versprochen neu verhandelt hat.
Opposition
Für die Opposition aus der bürgerlich-rechten UMP-Partei des früheren Präsidenten Nicolas Sarkozy ist all das ein gefundenes Fressen. „Gibt es noch einen Piloten in diesem Flugzeug?“, fragte jüngst Fraktionschef Christian Jacob in der Nationalversammlung. Kurz darauf hallten sogar Rücktrittsforderungen durch den Saal. Auch von Seiten der Medien wächst der Druck. Sie spekulieren bereits eifrig über mögliche Nachfolger für Ayrault.
Die Wirtschaftslage tut ihr übriges. Die Arbeitslosenquote steigt Monat für Monat und liegt mittlerweile mit mehr als zehn Prozent auf dem höchsten Stand seit mehr als 13 Jahren. Beim Wachstum heißt es: Fehlanzeige. „Vor den Wahlen war die Lage besorgniserregend. Aber jetzt geht es nicht mehr um eine Unwetterwarnung, sondern um eine Hurrikanwarnung“, klagt Unternehmerverbands-Chefin Laurence Parisot. Sie fordert einen Abschied von der 35-Stunden-Woche und andere tiefgreifende Arbeitsmarktreformen, die vor allem für den linken Parteiflügel ein rotes Tuch sind.
„Marionette“
Dass der neue Parteichef groß etwas an der schwierigen Situation ändern kann, wird bezweifelt. Désir hat den Ruf eines oft wenig charismatischen Apparatschiks. Selbst in Sozialistenkreisen wird er als Marionette von Hollande bezeichnet. Nicht einmal die Hälfte der Parteimitglieder beteiligte sich an der Abstimmung über seine Ernennung.
Kritiker hatten die Wahl als Farce bezeichnet, weil das Parteilager um Hollande seinen Kandidaten Désir hinter verschlossenen Türen kürte. Der Präsident hatte selbst elf Jahre an der Spitze der PS gestanden und gilt seit seiner Wahl zum Präsidenten als unangefochtene Führungsfigur.
De Maart

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