“Frankreich ist nicht reformierbar“, sagt Emmanuel Macron, der französischer Präsident werden will. „Deshalb wollen wir Frankreich in eine radikale Transformation führen.“ Emmanuel Macron ist mit 39 Jahren der jüngste Kandidat für die französischen Präsidentschaftswahlen. Am Donnerstag legte er sein Wahlprogram vor.
Aufgewachsen in der französischen Provinzstadt Amiens, Gymnasium bei den Jesuiten, Abitur in Paris, Bankier bei Rothschild, Wirtschaftsberater des amtierenden Staatspräsidenten, dann Wirtschaftsminister Frankreichs, ist er jetzt Kandidat für das höchste französische Staatsamt und will Frankreich verändern.
Macrons Vorgehensweise
Wie will Emmanuel Macron das tun? Anders als seine Mitbewerber um das Amt stellt er einige wenige große Ziele vor, die er in einer Amtszeit von fünf Jahren angehen und teilweise verwirklichen will, die aber, das sagt er gleich, in ihrer Wirkung bis zu zehn Jahre brauchen werden. Die Arbeitslosenversicherung soll aus den Händen der Sozialpartner in die Hände des Staates übergehen. Die 35 Stunden Woche wird nicht abgeschafft. Vielmehr einigen sich Arbeitsgeber und Arbeitsnehmer mit ihren Gewerkschaften über die Arbeitszeiten in den Fabriken und Branchen. Das Arbeitslosengeld wird reformiert. Die Schule wird reformiert. Es sollen 10.000 neue Lehrer für die Grundschulen eingestellt werden. Das Einkommen soll erhöht werden. Dazu werden die Abgaben auf die Überstunden reduziert werden. Die Wohnsteuer soll für mindere Einkommen und den Mittelstand abgeschafft werden.
Macron will die Gesellschaft mobiler gestalten durch die Ausweitung der Digitalisierung. Er will Unternehmen in die Vorstädte holen, die sich ihre Arbeitskräfte von dort holen. Macron hat Erfahrung mit dieser Idee. Er hat sie als Wirtschaftsminister entwickelt und mit Gruppen von benachteiligten Jugendlichen gearbeitet.
Rentenreform
Die Rente soll reformiert werden. Es gibt derzeit 37 Rentenkassen und über 100 Rentensysteme auch für Kleinstgruppen wie etwa die 150 Hafenarbeiter im Straßburger Hafen. „Wer einen Euro in eine Rentenkasse einzahlt, wird überall gleich behandelt,“ sagt er. Als der ehemalige Premierminister Alain Juppé das 1995 versucht hatte, verlor er sein Amt. Macron dazu: „Dies steht in meinem Programm. Wer mich wählt, der weiß, was ich vorhabe. Wenn er damit nicht einverstanden ist, soll er mich nicht wählen.
Macron will 10.000 Polizisten neu einstellen. Er will die „tägliche“ Polizei in den schwierigen Stadtteilen. Er will in den nationalen Nachrichtendienst wieder einführen, der unter Staatspräsident Nicolas Sarkozy abgeschafft worden war. „Es wird eine Nulltoleranz gegenüber Straftätern geben, aber auch gegenüber Polizisten, die ihre Kompetenzen überschreiten“, kündigt er an. Die gerade eingeführten Kameras an den Uniformen der Politzisten wird er beibehalten und ausweiten.
Umgang mit Deutschland
Eine wesentliche Rolle spielt Europa in seinem Wahlprogramm. Macron will Frankreich wieder zum Partner Deutschlands machen. Wir werden ohne Europa nicht erfolgreich sein. „Wir müssen die digitalisierte Welt, die Fragen der Sicherheit behandeln und die Eurozone wieder in Bewegung bringen“, sagt er. Und weiter: „Wir dürfen gegenüber Deutschland nicht brutal auftreten und Deutschland keine Lektionen erteilen. Wir müssen unsere Glaubwürdigkeit herstellen, damit Deutschland uns wieder als Partner erkennt. Wir haben seit 2008 eine Generation Jugendlicher verloren. Wir müssen jetzt den europäischen Traum wieder herstellen.“
Macron widmet in seinem Wahlprogramm einen Abschnitt der Laizität und Gleichheit. Die Laizität, sagt er schütze die, die einem Glauben anhingen wie auch die, die nicht glaubten. Von daher sei es nicht vertretbar, dass es einer Frau nicht gestattet werde, sich auf die Terrasse eines Cafés zu setzen. Er werde, sagt er, dafür sorgen, dass Gewalt gegen Frauen unnachsichtig verfolgt würde, dass die Ungleichheit gegen Frauen ausc welchen Gründen auch immer, gestoppt und bekämpft würden. Macron nimmt mit diesem Thema die in Frankreich immer wichtiger werdende Frage der Religion auf, die insbesondere von den Moslems gestellt wird. In vielen Unternehmen werden Gebetsräume verlangt, die es dort teilweise auch schon gibt. Maron will den öffentlichen Raum frei von Religion halten und hat bei der Vorstellung seines Programms unmissverständlich verlangt, dass Mohammedaner sich an die Gesetze der französischen Republik halten.
Selbstbewusst und angriffslustig
Emmanuel Macron, das wurde bei der Vorstellung des Wahlprogramms deutlich, an Statur gewonnen und setzte sich bei den Fragen der Journalisten teilweise sehr direkt mit ihnen auseinander. Die von ihm gegründete Bewegung „En marche“ (Vorwärts, in Bewegung) zählt nach eigenen Angaben derzeit 205.000 Mitglieder. Macron zeigte sich selbstbewusst und angriffslustig. Unmissverständlich stellte er klar, dass seine Bewegung den Staat stützt und auch die Institutionen wie die Justiz. Macron kritisierte rückhaltlos den konservativen Kandidat François Fillon, als folge persönlicher Probleme der die Justiz scharf angreift. Er war auch wenig freundlich, gegen der rechtsradikalen Marine le Pen, die sich hinter ihrer Immunität als Abgeordnete des Europaparlamentes versteckt, und Vorladungen der Polizei nicht folgt. Macron erteilte auch Vorstellungen eine Absage, dass die Justiz nun in eine Wahl-Ruhe mit ihren Ermittlungen gegen Fillon und Le Pen eintreten müsse. „Die Justiz“, sagte er, „ist für alle da.“
Macron war über Monate angegriffen worden, weil er kein Programm vorlegte. Am Donnerstag legte er sein Wahlprogram vor. In der Kommentierung musste sich auf dem Nachrichtensender BFMTV dann gleich sagen lassen, wie er es verwirklichen wolle. Man wisse ja nicht, welche Personen er in die Regierung berufen wolle und wer sein Premierminster werden solle, rügte Anchorwoman Ruth Elkrief in ihren Kommentaren und sähte Zweifel, wie sie das bisher nach jedem Auftritt von Macron tat.
Kleinere Regierung
Macron hatte allerdings zuvor bereits angekündigt, dass er mit einer Regierung von etwa 15 Ministern arbeiten wolle und mit kleinen Stäben in den Ministerien. Auch das Parlament will er um ein Drittel verkleinern und mit einer Mischung aus Verhältniswahlrecht und Direktwahl arbeiten. Rechenschaft will er jedes Jahr vor den Mitgliedern des Parlamentes und des Senates ablegen. Diese Ideen zeigen, dass Macron seine Ideen international zusammengestellt hat. Das Wahlrecht erinnert an den Deutschen Bundestag. Die Rede vor den Abgeordneten von Parlament und Senat an den US Präsidenten, der sich dieser Übung jährlich unterzieht. Die Ideen zum Verhältniswahlrecht und zur kleinen Regierung, in der jeder Minister sein Amt eigenverantwortlich ausübt, weisen nach Berlin. Macron war häufig in Berlin, hat sich mit Sigmar Gabriel gut verstanden.
Sein Wahlprogramm hat er bewusst spät vorgestellt. Der erste Wahlgang findet in 51 Tagen statt. Die ersten Kritiken ließen nicht lange auf sich warten. Die Erziehungsgewerkschaft kritisierte fehlende konkrete Inhalte. Der rechtsradikale Front National, der begriffen hat, dass Macron der gefährlichste Gegner von Marine Le Pen ist, schlug vor, dass die Medien sich doch darum kümmern sollten, warum Macron 2014 so wenig Steuern bezahlt hätte.
De Maart

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