„Eine billige und effiziente Therapie“

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In Luxemburg hat sich der Gesundheitssport in einem Verband organisiert und ist Mitglied des nationalen Olympischen Komitees (COSL).

Dass der Sport viele Facetten hat, weiß eigentlich jeder. Doch nicht alle Sportbereiche erfreuen sich der gleichen Popularität. Ein ganz wichtiger Bereich ist der des Gesundheitssports. In Luxemburg hat sich der Gesundheitssport mittlerweile in einem Verband (FLASS/„Fédération luxembourgeoise des associations de sport de santé“) organisiert und ist Mitglied des nationalen Olympischen Komitees (COSL).

Am Samstag lädt die FLASS zu einer „Matinée du sport de santé“ ins Centre hospitalier du Luxembourg ein. Im Vorfeld hat sich das Tageblatt mit Dr. Alexis Lion, Vizepräsident der FLASS, und Patrick Feiereisen, Chef der Physiotherapie des CHL und Vorstandsmitglied der „Association luxembourgeoise des groupes sportifs pour cardiaques“, unterhalten.

Tageblatt: Wieso braucht es einen Verband für den Gesundheitssport?
Dr. Alexis Lion: Die Idee dahinter ist vor allem, eine größere Sichtbarkeit auf nationaler Ebene zu erlangen, und das für sämtliche Gruppen des Gesundheitssports: die Gruppe der Herzkranken, der Diabetiker, der Übergewichtigen, der Krebspatienten usw.
Patrick Feiereisen: Die Herzsportgruppen können schon auf mehrere Jahrzehnte zurückblicken, aber viele andere Gruppen sind wesentlich jünger. Durch die FLASS können sich die einzelnen Gruppen mit ihren Erfahrungen austauschen, was alle voranbringt.

Mit den Herzsportgruppen hat also alles angefangen?
P.F.: Genau, und dieser Verband war bereits Teil des COSL. Doch es war uns immer bewusst, dass wenn Gruppen für andere Patienten entstehen, man diese unter einem Dachverband organisieren muss.

Der Sport spielt also eine immer wichtigere Rolle in der Medizin?
A.L.: Definitiv. Bei kardiovaskulären Erkrankungen weiß man seit etwa 1960, 1970, dass sich körperliche Betätigung positiv auswirkt. Später haben Studien dann gezeigt, dass dies auch für andere Erkrankungen der Fall ist.
P.F.: Zudem muss man sagen, dass es mittlerweile Leute gibt, die durch Inaktivität sterben. Sport ist eine sehr effiziente Präventionsmaßnahme gegen viele Krankheiten. Menschen, die sich nicht ausreichend bewegen und dadurch übergewichtig werden, tragen nicht nur ein höheres Risiko, kardiovaskulär zu erkranken, sondern auch neurologisch oder onkologisch usw. Zudem ist der Sport eine sehr preiswerte Therapie, mit vielen positiven Effekten. Oft bekommen Patienten ein Medikament gegen zu hohes Cholesterin, ein weiteres gegen Bluthochdruck usw. Sport wirkt sich positiv auf all diese Ebenen aus. Aber es ist natürlich einfacher, täglich eine Pille zu schlucken, als täglich Sport zu treiben.

Wie viel Sport ist denn gesund für den Menschen?
A.L.: In der Regel geht man von 150 Minuten körperlicher Betätigung in der Woche aus. Egal, ob bei gesunden oder kranken Menschen. Je nach Krankheitsbild muss die Zeit selbstverständlich angepasst werden.

Kann sportliche Betätigung auch schaden?
P.F.: Es gibt sicherlich ganz spezifische Fälle, in denen man von körperlicher Betätigung abraten sollte, allerdings sind diese Fälle wesentlich geringer, als viele es annehmen. Zum Beispiel ist körperliche Betätigung im Falle einer Arthrose durchaus hilfreich. Vor allem wird man in den Sportgruppen ja auch beraten, welche Aktivitäten je nach Problem am sinnvollsten sind. Es gibt sehr viele Alternativen, wie zum Beispiel Aquagym. Es gibt jedenfalls weitaus mehr Möglichkeiten als Gründe, die gegen eine sportliche Betätigung sprechen.

Wie sieht es mit der Betreuung dieser Gruppen aus? Spielt die FLASS auch in Sachen Qualitätskontrolle eine Rolle?
A.L.: Die Betreuung findet durch medizinisch und sportlich geschultes Personal statt. Auf lange Sicht wollen wir als FLASS natürlich auch dafür sorgen, dass eine gewisse Qualität in der Betreuung garantiert ist. Sie ist aber auch aktuell schon sehr hoch.

Gesunde Menschen sind schon nicht immer leicht für sportliche Betätigung zu begeistern. Wie sieht es bei Patienten mit der Motivation aus?
P.F.: Das ist ein ganz wichtiger Punkt und meiner Meinung nach auch eine der Hauptaufgaben der einzelnen Sportgruppen und des Verbands: die Menschen zu sensibilisieren. Unmittelbar nach einer Erkrankung, zum Beispiel einem Herzinfarkt, ist die Motivation groß, vor allem wenn der Patient selbst merkt, dass sich sein Zustand dadurch verbessert. Doch fühlt er sich wieder fit und der Alltag nimmt wieder seinen Lauf, kommt die Motivation oft schnell wieder abhanden. Man muss wissen, dass nur 36 bis 40 Prozent der Herzpatienten, die eine Reha-Maßnahme benötigen, diese auch durchführen, und wenn man nun von langfristiger Betreuung redet, sinkt der Prozentsatz noch einmal drastisch ab. In Luxemburg bleibt im Schnitt nur einer von zehn Patienten wirklich auch langfristig dabei. Deswegen ist die Sensibilisierung auch so wichtig, denn die Gesundheitssportgruppen bieten Tag für Tag Aktivitäten an und in der Gruppe ist es immer leichter, sich zu motivieren. Unser Ziel ist, dass die Patienten langzeitig Sport treiben.
A.L.: Bei den Krebspatienten führen wir eine Studie durch, die uns Aufschluss darüber geben soll, wie wir sie bei der Stange halten können. Dafür haben wir die Patienten in zwei Gruppen eingeteilt. Bei der einen wenden wir das psychologische Konzept der Motivierenden Gesprächsführung an (ein Konzept, das ursprünglich für Menschen mit Suchtproblemen entwickelt wurde und auf ein konfrontatives Vorgehen verzichtet, Anm. d. Red.), die zweite Gruppe dient als Kontrollgruppe. Sollte sich die Motivierende Gesprächsführung positiv auswirken, werden wir versuchen, sie flächendeckend einzusetzen.

Haben Sie Erklärungen für dieses doch seltsame Verhalten der Menschen?
P.F.: Ich glaube, dass der medizinische Fortschritt hier eine große Rolle spielt. Früher führte ein Herzinfarkt sehr oft zum Tod. Das ist heute etwas anders und es gibt mittlerweile sehr viele Medikamente, die äußerst effizient sind – vielleicht ein Grund, wieso viele Patienten dann doch keinen Sport treiben.

Kann es nicht sein, dass die Patienten nicht genügend aufgeklärt sind, beziehungsweise nicht wissen, dass es ein großes Angebot gibt?
A.L.: Deswegen haben wir mit sport-santé.lu eine Plattform geschaffen, die sämtliche Angebote im Bereich Gesundheitssport umfasst. Ein Projekt, das durch die „Oeuvre nationale de secours Grande-Duchesse Charlotte“ unterstützt wurde. Hier finden sowohl der Patient als auch die behandelnden Ärzte sämtliche Informationen, um die adäquate Gruppe für jeden Einzelnen auszuwählen.

Sie haben nun die Ärzte angesprochen. Sind diese denn ausreichend sensibilisiert und raten ihren Patienten zum Sport?
P.F.: (lacht) Das ist eine gute Frage. Auch hier herrscht sicherlich noch Nachholbedarf. Es gibt Ärzte, die nicht so sehr vom Sport als Therapie überzeugt sind, andere sind selbst nicht aktiv und raten es dann auch nicht ihren Patienten an. Ich denke aber, dass dort ein Umdenken stattfindet. Man muss auch sagen, dass die Zeit in der Sprechstunde oft nicht ausreicht, bzw. dass der Patient so viele Informationen vom Arzt erhält, dass er nicht alle aufnehmen kann. Aus diesem Grund sind Veranstaltungen wie die „Matinée du sport de santé“ auch so wichtig.

Und wie sieht es mit der Unterstützung von Seiten der Politik aus?
A.L.: Auch dort tut sich meines Erachtens so einiges.
P.F.: Das glaube ich auch. Auf unserer „Matinée“ am Samstag wird Sportminister Romain Schneider anwesend sein, Gesundheitsministerin Lydia Mutsch hat sich entschuldigt, doch sie wird von Dr. Jean-Claude Schmit, dem „Directeur de la Santé“, vertreten. Ohne die finanzielle Unterstützung des Gesundheitsministeriums könnten wir auch nicht so viele Aktivitäten anbieten.
A.L.: Nicht zu vergessen, dass das Gesundheitsministerium den Posten eines Koordinators zur Förderung des Gesundheitssports geschaffen hat – den ich selbst ausüben darf.
P.F.: Persönlich bin ich der Meinung, dass in Luxemburg zahlreiche Sensibilisierungskampagnen für sehr viele Dinge gestartet werden. Im Bereich des Gesundheitssports könnte die Politik hier vielleicht doch noch ein wenig mehr tun.