RadsportIm staubigen Ofen der Toskana: Vorschau auf Strade Bianche – mit Geniets und Jungels

Radsport / Im staubigen Ofen der Toskana: Vorschau auf Strade Bianche – mit Geniets und Jungels
Kevin Geniets fühlt sich bei hohen Temperaturen nicht immer wohl, doch bei der Landesmeisterschaft 2019 zeigte er sich sehr hitzeresistent. Heute erwarten ihn bis zu 37 Grad.  Archivbild: Gerry Schmit/Tageblatt

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Nach einer langen Saisonunterbrechung nimmt der Radsport nun richtig Fahrt auf. Am heutigen Samstag steht mit den Strade Bianche das erste WorldTour-Rennen nach der Corona-bedingten Unterbrechung auf dem Programm. Mit dabei sein werden auf den „weißen Straßen“ der Toskana zwei Luxemburger. Kevin Geniets (Groupama-FDJ) feiert in Siena seine Premiere, Bob Jungels (Deceuninck-Quick Step) wird dort zum dritten Mal starten. 

Es sind genau diese spektakulären Bilder, die den Radsportfans in den letzten Monaten fehlten. Straßen mit staubenden Belägen, ein hügeliges Terrain und am Ende ein Duell Mann-gegen-Mann. 2019 konnte sich Julian Alaphilippe (Deceuninck-Quick Step) gegen Jakob Fuglsang (Astana) am Schlussanstieg von Siena durchsetzen. Es gibt nicht viele Rennen, die spektakulärere Bilder bieten als Strade Bianche – und auch deswegen hat die UCI das Rennen als Saisonauftakt der WorldTour angesetzt.

184 Kilometer gilt es zu absolvieren, elf Schotterpassagen warten auf einem hügeligen Streckenprofil auf die Fahrer. Da das Rennen in diesem Jahr nicht wie gewohnt Mitte März stattfindet, sondern im italienischen Hochsommer, müssen sich die Fahrer auf extreme Bedingungen einstellen. Bis zu 37 Grad werden in und um Siena erwartet – ein selektives Spektakel, das noch mehr Staubwolken mit sich bringen wird. „Mich macht die Hitze ein wenig müde“, erklärt Kevin Geniets, der heute zum ersten Mal bei den Strade Bianche starten wird. In den letzten Tagen kratzten die Temperaturen in Geniets’ Wohnort Aix-les-Bains an der 40-Grad-Marke. „Manchmal läuft es bei sehr hohen Temperaturen gut für mich, manchmal nicht. Bei der Landesmeisterschaft im letzten Jahr war es auch sehr heiß und ich fühlte mich gut (Geniets wurde Zweiter hinter Jungels, Anm. d. R.).“

Eingewöhnungszeit wird das Peloton nach der langen Pause nicht bekommen. In einem der schwersten Rennen des Jahres warten auf die Profis extreme Bedingungen – dazu wird von Beginn an ein sehr hohes Tempo erwartet. „Wenn wir am Start stehen, wissen wir, dass ab dem Zeitpunkt einige Stunden Vollgas und Qual auf dem Programm stehen“, sagt der Luxemburger.

Fünf Monate Pause

Donnerstagabend flog Geniets nach Italien, gestern stand für ihn die Streckenbesichtigung an. „Es gibt Rennen, da ist die Streckenbesichtigung weniger wichtig“, erklärt Geniets. „Doch bei Strade brauchst du zum richtigen Zeitpunkt eine gute Platzierung.“ Die Schwierigkeit beim Rennen in Italien besteht darin, dass es, bis auf die Schlussrampe in Siena, keinen festen Streckenabschnitt für die Entscheidung gibt. „Eigentlich muss man die ganze Zeit vorne sein. Doch es gibt die eine oder andere Schlüsselstelle, bei der man besonders aufmerksam sein muss. Klar ist, dass es ein sehr stressiger Tag wird.“

Das letzte Rennen bestritt Geniets am 1. März bei Kuurne-Brüssel-Kuurne. Genau fünf Monate danach wird er nach der Corona-Pause wieder ins Renngeschehen eingreifen. Während viele Fahrer Rennpraxis sammeln müssen, um zu ihrer Form zurückzufinden, ist Geniets der Meinung, dass er nach guten Trainingseinheiten schnell seine Leistung bei Wettkämpfen zeigen kann. „Normalerweise schaffe ich es, schnell wieder in den Rennrhythmus zu finden und gute Ergebnisse zu liefern.“ Zu Saisonbeginn in diesem Jahr war er in seinem ersten Rennen, beim Grand Prix Cycliste la Marseillaise (1.1), 17. und beim zweiten, der Etoile de Bessèges (1.2), Vierter im Gesamtklassement.

Jungels für Alaphilippe

Die französische Mannschaft Groupama-FDJ wird für ihren Schweizer Kapitän Stefan Küng fahren. In den letzten drei Jahren wurde der 26-Jährige 15., 16. und 15. Das Team von Marc Madiot hat zwar noch keine Renntaktik erarbeitet, das geschehe laut Geniets meistens am Tag des Starts, doch dass für den Schweizer gefahren wird, steht wohl außer Frage. „Es ist ein Rennen, das ihm liegt“, erklärt Geniets. „Man weiß aber nicht, wie lange seine Beine halten. Wir wissen auch nicht, wie die anderen Fahrer im Feld in Form sind.“ Für Geniets wird es darum gehen, seinen Leader zu unterstützen und Erfahrung zu sammeln. Auf den „weißen Straßen“ der Toskana traut sich der 23-Jährige etwas zu. „Der Schotter liegt mir genau wie Rennen, bei denen die Platzierung eine große Rolle spielt. Ich möchte viel von den Strade Bianche in diesem Jahr mitnehmen, weil ich glaube, dass mir dieses Rennen in Zukunft liegen könnte.“

Auch Bob Jungels wird in Siena an den Start gehen. 2016 wurde Jungels 17., 2017 kämpfte er sich zwar über den Zielstrich, wurde nach zwei Stürzen aber nicht mehr gewertet. Mit Kasper Asgreen, Zdenek Stybar, Mikkel Frølich Honoré, Pieter Serry, Davide Ballerini und dem Luxemburger stellt Deceuninck-Quick Step eine starke Mannschaft um Vorjahressieger Julian Alaphilippe. Der Franzose zählt sicherlich zu den Favoriten um den Sieg, doch neben ihn reihen sich Mathieu van der Poel (Alpecin-Fenix), Wout van Aert (Jumbo-Visma), Jakob Fuglsang (Astana) oder Maximilian Schachmann (Bora-hansgrohe) ein. Es wird ein offenes Rennen, das kaum vorhersehbar ist. 

Geniets: „Kann mir nicht vorstellen, dass die Saison so ablaufen wird“

Das Coronavirus ist bei der französischen Mannschaft von Groupama-FDJ immer noch ein sehr präsentes Thema. Die Profis werden sechs, drei und einen Tag vor dem Rennen auf das Virus getestet, zudem muss der Test alle zehn Tage aufgefrischt werden. Kevin Geniets blickt eher pessimistisch in die Zukunft. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Saison so ablaufen wird, wie sie jetzt geplant ist.“ Der 23-Jährige ist froh um jedes Rennen, an dem er teilnehmen wird, und geht die einzelnen Rennen dann so an, als könnte es jeweils das letzte sein. „Ich bin momentan in sehr guter Form und ich weiß, dass ich diese nicht bis zum Saisonende werde halten können. Deswegen versuche ich jetzt alles mitzunehmen.“ 

Christine Majerus startet bei den Damen – Van Vleuten klare Favoritin

Nachdem das erste Männerrennen 2007 stattfand, wird seit 2015 auch ein Rennen für die Frauen organisiert. Die Luxemburgerin Christine Majerus (Boels-dolmans) hat seitdem an jeder Ausgabe teilgenommen: 2015 wurde sie Elfte, 2016 18., 2017 28., 2018 38. und 2019 überquerte sie erst nach dem Zeitlimit die Ziellinie. In diesem Jahr wird es für Majerus wohl darum gehen, ihre Teamkollegin Anna van der Breggen zu unterstützen. Die 30-Jährige konnte 2018 in der Toskana gewinnen. Als große Favoritin startet aber Annemiek van Vleuten (Mitchelton-Scott) in Siena. Die Niederländerin stellte ihre beeindruckende Form bei den ersten drei Rennen, die nach der Corona-Pause stattfanden, unter Beweis – die drei spanischen Rennen konnte sie alle gewinnen. Zudem gewann sie bereits im letzten Jahr in der Toskana und ist somit Titelverteidigerin. 

Wie schwer die Strade Bianche sein können, erlebte Bob Jungels 2017 
Wie schwer die Strade Bianche sein können, erlebte Bob Jungels 2017  Archivbild: Rom Helbach/Tageblatt