Interview mit Eschs BürgermeisterGeorges Mischo: „Sollten Sportvereine den Bach runtergehen, wäre das dramatisch“

Interview mit Eschs Bürgermeister / Georges Mischo: „Sollten Sportvereine den Bach runtergehen, wäre das dramatisch“
Der Andrang in den Sportstätten ist riesig: Bürgermeister Georges Mischo will den Anfragen gerecht werden können. Foto: Editpress/Julien Garroy

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Dass das Herz des Escher Bürgermeisters für den Sport schlägt, dürfte niemanden überraschen. Was der Minettemetropole noch fehlte, um zur Sportstadt Nummer eins zu avancieren, und welche Vereine besonders unter der Krise leiden, waren die beiden Hauptthemen des Interviews.

Tageblatt: Sie sprechen gerne von der Sportstadt Esch. Was verstehen Sie unter diesem Begriff?

Georges Mischo: Für mich handelt es sich um eine Stadt, die für jeden Sportangebote bietet – sei es in Vereinen, im Breitensport oder ganz einfach draußen, beispielsweise auf einem Multisport-Platz. Wir haben sehr gute Rückmeldungen für diesen Platz ‚um Bruch’ bekommen. Es werden noch in den unterschiedlichen Ecken der Stadt weitere, unterschiedliche Plätze entstehen. In Lankelz eröffnet in diesem Jahr ein „Pumptrack“. 

Der zweite Teil betrifft die vielen Projekte des „Service des sports“. Wir haben mit 11.000 Kindern inzwischen die größte Lasep-Sektion des Landes. Das ist ein Drittel der Schulkinder im „Fondamental“. Hinzu kommt „Youth sports, cool sports“. Dabei handelt es sich um Trendsportarten für Jugendliche, wie beispielsweise Parkour, Schlittschuhlaufen oder Skifahren. Die Gemeinde organisiert diese Aktivitäten, es ist für die Teilnehmer kostenlos. Es soll jeder einen Zugang zum Sport haben, im Moment natürlich entsprechend den Corona-Regeln. Großen Erfolg hat übrigens auch unser „Fit 60+“-Programm, dank dem wir ältere Menschen nicht nur dazu bringen, sich zu bewegen, sondern auch soziale Kontakte fördern. 

Beim Breiten- bzw. Leistungssport geht es als Sportstadt – besonders wenn man die zweitgrößte Stadt des Landes ist – ebenfalls darum, das Angebot so breit wie möglich zu fächern. Unsere 92 Klubs decken fast alles ab, was es gibt – von den Mannschaftssportarten, Schwimmen, Tauchen bis hin zu Boxen oder unterschiedlichen Kampfsportarten. Es erreichen uns immer wieder neue Anfragen für neue Sportarten oder Vereine, die Sporteinrichtungen reservieren möchten. Das führt uns zum nächsten Punkt, den Infrastrukturen.   

Und genau dort sahen Sie ein Problem. Welche Bauprojekte sind in Planung?

Unsere eigenen Plätze, Rasen, Sporthallen, inklusive die der Grundschulen wie auch die der Lyzeen (die zur Verfügung gestellt werden), sind von montags bis samstags komplett ausgelastet. Da ist absolut nichts mehr frei. Der sportliche Erfolg unserer Mannschaften und Athleten führt ja auch dazu, dass das Interesse bei den Kindern und Jugendlichen groß ist. Ich habe seit dem Beginn meiner Amtsperiode immer wieder betont, dass wir noch eine Sporthalle brauchen. Dabei handelt es sich eben um die neue Infrastruktur in Lallingen, die vor allem Trainingszwecken und für die Jugend dienen soll. Es wird eine Heimat für die Kampfsportarten, Boxen und die Tischtennisspieler. 

Die Arena, die in Lankelz entstehen wird, soll einerseits für den Schulsport genutzt werden, aber auch als Halle für Basketball, Handball sowie Handisport dienen. Wir wollen ein nationales Handisportzentrum aufbauen, um ein Zeichen in Sachen Inklusion zu setzen. Mir ist es einfach wichtig, dass etwas unternommen wird, statt nur davon zu reden. Es macht mich seit Jahren wahnsinnig, wenn Politiker – unabhängig von der jeweiligen Partei – etwas predigen, aber nichts passiert. 

Es geht Ihnen im Sinne der Sportstadt also eher um die breite Masse als darum, gezielt Titel zu gewinnen?

Titel gehören dazu. Doch die Basis sind Breitensport, Jugendsport und Schulsport. Wenn es von 15 Jugendlichen nur einer in die erste Mannschaft schafft, ist es mir dennoch wichtiger, dass auch die 14 anderen dem Sport treu bleiben. Die Idee dahinter ist es, den Kindern Lust am Sport zu vermitteln und sie ein Leben lang dafür zu begeistern. Und genau das ist die Aufgabe einer Gemeinde: Sie muss die Infrastrukturen zur Verfügung stellen und dafür sorgen, dass die Vereine überleben. 

Wie würden Sie den Ist-Zustand beschreiben, vom Elitesport bis hin zur Lage in den Schulen?

Wir haben im Corona-Jahr eine ganze Reihe an Titeln geholt: das Double im Handball, die Basketballmeisterschaft, den Covid-Champion Fola sowie ein Halbfinale im Volleyball, als die Saison abgebrochen wurde. Von den Titeln her waren wir sehr stark. Auch unsere Einzelsportler wie Fanny Arendt, aufgehender Stern der Leichtathletik, oder die beiden Olympia-Hoffnungen Liz Fautsch und Flavio Giannotte (Fechten) sowie Tennisspieler Ugo Nastasi bringen Top-Leistungen. Mein Ziel ist es trotzdem nicht, nur Titel zu gewinnen, sondern die Menschen langfristig an den Sport zu binden. 

Den Ist-Zustand im Jugendsport finde ich gut. In den Vereinen wird viel unternommen und mit dem „Subside qualité +“ auch auf ausgebildete Trainer gesetzt. Moderne Infrastrukturen sind auch ein Grund, dass die Kinder sich wohlfühlen. Lallingen wird modernisiert, eine dritte Halle gebaut. „Bruch“ muss erneuert werden, die stammt noch aus dem Zeitalter von Turnvater Jahn … Es ist leider jahrelang verpasst worden, weitere Sporteinrichtungen zu bauen. Mir geht es dabei nicht darum, ein eigenes Monument zu errichten. Wir steuern auf eine Zahl von 50.000 Einwohnern im Jahr 2030 zu. Wenn wir erst dann merken, dass es nicht mehr reicht, ist es zu spät. Es war eine Perspektive, um zu sagen: Wir müssen jetzt reagieren. Die Arena (Lankelz) wird nicht reichen. Deshalb kam die Idee auf, eine weitere Halle zu errichten (Lallingen). 

Sie haben die Arena angesprochen. Braucht Esch Platz für 2.000 Zuschauer?

Ein nationales Handisportzentrum braucht Platz, auch für seine Zuschauer. Der Handballverband hat bereits überlegt, die Spiele der Nationalmannschaft dort auszutragen. Da braucht es mehr als 500 Plätze. Die mobilen Tribünen können angepasst werden, wenn beispielsweise ein internationales Judo-Turnier stattfindet. Ich könnte mir auch vorstellen, dass ein Pokalfinale dort stattfindet. Warum sollte es immer die Coque sein? Sowohl beim Handball als auch beim Basketball platzt das „Gymnase“ (1.500 Plätze) immer aus allen Nähten. Es soll nicht abschätzend klingen: Ich bin mir bewusst, dass nicht bei jedem Handballspiel ein Riesenandrang herrschen wird. Sowohl in der Arena als auch in Lallingen habe ich alle Vereine ins Boot geholt, damit sie ihre Wünsche ausdrücken können. Es finden noch weitere Gespräche mit dem Architekten statt. Es geht nicht um Kokolores oder goldene Wasserhähne, sondern um Abklärung im Vorfeld. Die Vereine haben es geschätzt, dass man sie in die Planung miteinbezogen hat. Ich möchte funktionelle und moderne Infrastrukturen, in denen sich die Sportler wohlfühlen. 

Im Budget werden allerdings 2021 22 Millionen Euro fehlen. In welcher Hinsicht wird das einerseits die angesprochenen Einrichtungen, aber auch die finanzielle Unterstützung für die 92 Sportvereine betreffen?

Wir machen als Stadt Esch große Anstrengungen. Es gibt einen neuen Artikel im Budget (105.000 Euro) für „Jeunes sportifs“. Das kommt zu den klassischen Subsidien hinzu. Wir haben die finanziellen Unterstützungen nicht zurückgeschraubt, sondern zusätzlich erhöht. Wir wissen, wie schlecht unsere Vereine im Moment dastehen. Deshalb hatte ich vergangene Woche diese „question élargie“ gestellt. Ich mache keinem Minister einen Vorwurf, aber wir müssen an unsere Klubs denken. Ich weiß, dass wohl derzeit jeder den Finanzminister auf Unterstützung anspricht. Wenn Sam Tanson die Kultur in einem Interview als systemrelevant beschreibt, dann kann ich nur sagen: Sport ist es auch. Sollten Sportvereine den Bach runtergehen, wäre das dramatisch. Sie haben keine Möglichkeit, Geld einzunehmen. Es haben uns bereits Vereine mitgeteilt, dass Eltern die Mitgliedschaft nicht mehr bezahlen können, weil sie jeden Euro umdrehen müssen. Und wenn sie dann nicht mehr zum Training gehen, kommt die nächste Katastrophe. Professor Dr. Robert Kleinert von der Uni Köln hat in seiner Studie erklärt, dass er bereits jetzt aufgrund des Lockdowns Auffälligkeiten und Rückstande bei der Bewegung von Grundschulkindern festgestellt hat. Das ist bei uns nicht anders. 

Welche Vereine sind denn aus Existenzängsten an Sie herangetreten?

Wir haben beispielsweise den Escher Volleyball mit 21.000 Euro gerettet. Der größte Teil des Budgets dieses Klubs geht auf die Beach Open zurück, die nicht stattfinden konnten. Wir haben alle einerseits unsere Konventionen weitergezahlt, andererseits gab es zwei unterschiedliche Aktionen, die nicht an irgendwelche Bedingungen geknüpft waren: Vereine mit weniger als 100 Mitgliedern haben 500 Euro bekommen, die Klubs, die mehr als 100 Lizenzen haben, bekamen von uns 1.000 Euro. Zudem wurde ein „manque à gagner“ ermittelt, beispielsweise aufgrund der „Nuit des sports“ oder des „Sport, Spill a Spaass“. Erst vergangene Woche haben wir 6.000 Euro Entschädigung für das Mini-Europe (Basketball) gestimmt. Insgesamt sind es rund 115.000 Euro, die ausgezahlt worden sind. Auch wenn die Fußballmeisterschaft oder der Basketball jetzt wieder anläuft: es sind keine Zuschauer zugelassen.

Was bringt dieser „Restart“ den Vereinen?

Dass sie ihre Meisterschaften zu Ende spielen und sich die Mannschaften für den Europapokal qualifizieren können.

Bauprojekte

Lankelz (Arena und Sportmuseum): Ein Zeitrückstand ist aufgrund des Sportmuseums einzukalkulieren. „Ende Mandatsperiode“ ist ein Zeitpunkt, der aktuell vorgesehen wird. 
Lallingen (Halle 3): Soll Ende 2023 abgeschlossen werden. Los geht es mit dem Bau des Parkhauses (209 Plätze), das 2022 fertig sein soll. Die beiden bestehenden Hallen werden renoviert und eine dritte Halle errichtet, mitsamt Restaurant, Büros für den „Service des sports“ sowie Räumlichkeiten fürs „Médico sportif“. Angestrebt wird gemeinsam mit dem Sportministerium ebenfalls der Abriss der bestehenden Tennishalle, um dort ein neues nationales Tenniszentrum zu errichten. 
„Grenz“: Zu den neuen „Gradins“ meinte Mischo: „Charme hat das, was jetzt da steht, nicht. Diese Zeiten sind vorbei. Es wurde in den 60er Jahren zuletzt daran gearbeitet. Es wird bequemer mit Sitzplätzen wie im Stade Mayrisch.“ Von den aktuellen 770 Plätzen werden nach den Umbauten noch 700 übrig bleiben.

B.G.
31. Januar 2021 - 12.30

Ein Stadtschulze oder Schultheiß der in Kriesenzeiten nur Sport und diesbezügliche Ausgaben im Kopf hat, gehört ins Sportministerium , in den olympischen Komitee oder ähnliche zu dieser Zeit komplett überflüssige Institutionen ,aber niemals auf einen Bürgermeisterstuhl. Das ist meine persönliche Meinung als Stadtbürger , was überhaupt nichts heissen will. In Kriegszeiten wo Not am Mann ist und ganze Berufe für immer verschwinden denkt kein normal Sterblicher an den Bau von Sportanlagen egal welcher Art. Das so verschleuderte Geld ist blutnotwendig den betroffenen Bürger , seinen Wähler deren Interessen er Verteidigen soll , über die Runden zu helfen ,oder ? Sollte man mir das Gegenteil meiner Behauptung beweisen, ziehe ich sofort nach Canossa , wenn Corona es mir erlaubt....

Laird Glenmore
30. Januar 2021 - 20.49

NACHTRAG "Sollten Sportvereine den Bach runtergehen, wäre das dramatisch“ Dramatisch wäre wenn die hälfte der Bevölkerung an COVID19 stirbt aber die Sportvereine weiterhin bestehen, was für ein Hohn, vielleicht sollten mal einige ihr HIRN einschalten. Schönes Wochenende und gute Gesundheit. ??????☠☠

Laird Glenmore
30. Januar 2021 - 20.43

Mein lieber Herr Mischo sie sollten sich lieber Sorgen und Gedanken um ihre Gemeinde machen statt sich über den Sport der ja nun nicht unbedingt Lebensnotwendig ist Gedanken zu machen, was ist denn in ihren Augen wichtiger der Sport oder die Gesundheit der Menschen die ihr Gehalt bezahlen. Darüber sollten sie sich vielleicht mal ein paar Gedanken machen.