DopingGehören Schmerzmittel auf die Verbotsliste der WADA?

Doping / Gehören Schmerzmittel auf die Verbotsliste der WADA?
Sowohl im Hochleistungs- als auch im Amateursport werden vorwiegend Ibuprofen und Voltaren eingenommen Symbolbild: dpa/Kai Remmers

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Die meisten Sportler nehmen Schmerzmittel, um ihre Beschwerden zu lindern. Es ist aber auch bekannt, dass einige von ihnen vor der sportlichen Belastung Medikamente einnehmen, obwohl sie keine Beschwerden haben – wohl um möglichen Schmerzen vorzubeugen oder um selbstbewusster aufzutreten. Ibuprofen, Voltaren und Co. stehen derzeit nicht auf der Verbotsliste der WADA. Doch es stellt sich die Frage, ob diese Schmerzmittel die Leistung eines Sportlers steigern – und ob sie demnach nicht auch auf die Dopingliste gehören.

Es ist fast genau 14 Jahre her, dass die deutsche Fußball-Nationalmannschaft in ihrem eigenen Land bei der Fußball-Weltmeisterschaft „ein Sommermärchen“ schrieb. Ein Märchen, bei dem jedoch auch signifikante Fakten auf den Tisch gelegt wurden. Seit 2002 müssen alle Mannschaftsärzte der Nationalteams Doping-Kontrollbögen ausfüllen, auf denen vermerkt werden muss, welcher Spieler vor dem Spiel welche Schmerzmedikamente genommen hat. Der ARD-Dopingredaktion und dem Recherchezentrum Correctiv liegen ein solcher Bogen für die WM-Achtfinalbegegnung Deutschland gegen Schweden vor. Dieser beweist, dass sieben der 23 deutschen Spieler Schmerzmittel vor dem Spiel eingenommen haben – also fast jeder dritte. Haben die Schmerzmittel den deutschen Spielern zu einer besseren Leistung verholfen? Gehören die schmerzbetäubenden Medikamente demnach auf die Dopingliste? Diese Fragen spalten die Meinungen von Experten. 

Voltaren und Ibuprofen sind die beliebtesten Medikamente, wenn es bei Sportlern darum geht, Schmerzen zu unterdrücken. Beide stehen nicht auf der Dopingliste der WADA. Anders dagegen Narkotika. Hierbei handelt es sich laut Verbotsliste um bestimmte starke Schmerzmittel. Typische Beispiele dieser im Wettkampf verbotenen Medikamenten-Klasse sind Methadon und Morphin.

Welche Substanzen auf die Verbotsliste aufgenommen werden, entscheidet die WADA. Jährlich wird diese Liste aktualisiert. Die Substanzen werden nach drei Kriterien beurteilt: 1) Wirkt die Substanz leistungssteigernd? 2) Stellt die Substanz ein Gesundheitsrisiko dar? 3) Verstößt die Einnahme der Substanz gegen die Ethik des Sports? Erfüllt ein Mittel zwei dieser drei Eigenschaften, dann müsste es laut der WADA im Sport als verbotene Substanz gelten. „Zwei dieser Bedingungen sind bei Schmerzmedikamenten erfüllt“, sagt Hans Geyer in der Dokumentation der ARD-Dopingredaktion „Pillenkick“. Der Professor ist Dopinganalytiker und stellvertretender Leiter des Instituts für Biochemie an der Deutschen Sporthochschule Köln. „Man kann bessere Leistungen erbringen und die Nebenwirkungen von Schmerzmitteln können gravierend sein. Nach meinem Verständnis des Sports widerspricht es auch der Ethik, wenn man nur noch Sport treiben kann, sofern man Schmerzmittel nimmt. Das ist schon merkwürdig.“ Mit der Auffassung, dass Schmerzmittel auf die Dopingliste gehören, steht Geyer nicht alleine da – doch die Experten, die diese Meinung vertreten, treffen häufig auf Gegenwind. 

Medikamentenmissbrauch

 „Ich habe schon mit Professor Geier darüber gestritten“, sagt Dr. Axel Urhausen, der seit 2004 Leiter der Abteilung für Sport- und Präventivmedizin am „Centre hospitalier de Luxembourg“ ist. „Ich denke nicht, dass man jemanden als Doper bezeichnen kann, weil er aufgrund von einer akuten Verletzung über drei Tage hinweg Schmerzmittel nimmt. Jemand, der Testosteron nimmt, ist hingegen ganz klar ein Doper.“ Laut Dr. Urhausen könne man es „in die Richtung ziehen, dass Schmerzmittel auf die Dopingliste gehören“ – einverstanden ist er damit jedoch nicht. „Schmerzmittel können gesundheitliche Nebenwirkungen haben, sie können die Leistung steigern und demnach ist es unethisch. Das kann man sicher so sagen. Aber Doping ist auch das, was auf der Dopingliste steht“, erklärt der Sportarzt des Jahres 2016. „Ich kenne einige Dopingjäger, die ich wirklich schätze und die auch der Meinung sind, dass diese Mittel verboten gehören – ich aber sehe das anders. Es gibt einen Unterschied zwischen Medikamentenmissbrauch und Doping. Für mich ist es ein Missbrauch. Das ist zu verurteilen, aber Doping? Damit wäre ich vorsichtig.“ Dr. Urhausen geht noch einen Schritt weiter und stellt die Frage, was denn wäre, wenn die Schmerzmittel plötzlich auf der Dopingliste auftauchen würden. „Sie werden weniger eingenommen und die Sportler, die über drei oder vier Tage hinweg Medikamente nehmen, könnten keinen Sport mehr treiben. Schauen Sie mal, wie viele das wären. Sie könnten dann bald keine Fußballmannschaft mehr aufstellen.“

 „Für mich ist es ein Medikamentenmissbrauch. Das ist zu verurteilen, aber Doping? Damit wäre ich vorsichtig“, sagt Dr. Axel Urhausen.
„Für mich ist es ein Medikamentenmissbrauch. Das ist zu verurteilen, aber Doping? Damit wäre ich vorsichtig“, sagt Dr. Axel Urhausen. Archivbild: Editpress/Tania Feller

Dr. Anik Sax, Generalsekretärin der ALAD („Agence luxembourgeoise antidopage“), vertritt eine ähnliche Meinung wie Dr. Urhausen. „Ich bin der Auffassung, dass Ibuprofen und Voltaren nicht auf die Liste gehören. Es ist ein Missbrauch eines Medikaments, das im Normalfall kein Doping darstellt. Die Substanz gehört nicht auf die Liste. Wenn man sie so anwendet, wie der Hersteller das eigentlich vorsieht, dann ist es kein Doping. Nimmt man es öfter, dann ist es ein Missbrauch.“ Laut Dr. Sax, die bereits einige Jahre für die WADA in verschiedenen Funktionen tätig war, behandelt die globale Anti-Doping-Agentur momentan vor allem Tramadol. Tramadol ist ein rezeptpflichtiger Arzneistoff aus der Gruppe der Opioide. „Wenn ein Schmerzmittel für die Verbotsliste infrage kommt, dann ist es dieses.“ Eine Studie von Forschern der Universitäten Granada und Kent, deren Studie im „Journal of Science and Medicine in Sport“ veröffentlicht wurde, zeigt, dass das Schmerzmittel die Leistungsfähigkeit im Radsport steigern könnte. Die Teilnehmer, die vor einem Leistungstest Tramadol eingenommen hatten, traten bei einer Zeitfahrsimulation auf dem Ergometer durchschnittlich 220 Watt. Die Teilnehmer, die ein Placebo verabreicht bekommen hatten, leisteten im Schnitt 209 Watt. Das entspricht einem Leistungsunterschied von etwa fünf Prozent.

Auch Dr. Anik Sax ist der Meinung, dass man lediglich von einem Medikamentenmissbrauch sprechen kann, wenn Schmerzmittel über längere Zeit eingenommen werden
Auch Dr. Anik Sax ist der Meinung, dass man lediglich von einem Medikamentenmissbrauch sprechen kann, wenn Schmerzmittel über längere Zeit eingenommen werden  Archivbild: Editpress/Tania Feller

Auch die luxemburgische Tennisspielern Mandy Minella schließt sich der Meinung der beiden Ärzte an: „Es ist ja nicht so, dass man durch die Mittel seine Leistung steigert“, meint die luxemburgische Sportlerin des Jahres von 2011. „Es hilft den Spielern doch nur, dass sie auf dem Court stehen und die Leistungen abrufen können, zu denen sie fähig sind. Die Spieler machen ihren Job, aber nicht besser. Meiner Meinung nach dürfen Schmerzmittel nicht in die Dopingliste aufgenommen werden. Sie sind nur dazu da, damit man seine Leistung annähernd bringen kann. So sehe ich das, zumindest im Tennis. Wie es in anderen Sportarten ist, kann ich jedoch nicht einschätzen.“

Nomi
6. Juli 2020 - 10.12

Wann een muss e Medikament huelen, dann ass e krank, an wann ee krank ass dann ass enn Arbeitsonfaeheg.