SchachEs wird weitergespielt, nur eben online

Schach / Es wird weitergespielt, nur eben online
 Foto: Reuters/Shannon Stapleton

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Nachdem der internationale Schachverband FIDE das Kandidatenturnier zur Ermittlung des Gegners von Magnus Carlsen beim nächsten Kampf um die Weltmeisterkrone am 26. März unterbrochen hatte, stehen die Schachfiguren erst mal still. Dennoch dreht sich die Schachwelt weiter – sie musste ihre Aktivität nur komplett ins Internet verlagern, wo ein Einladungsturnier von Magnus Carlsen derzeit für Furore sorgt. Auch in Luxemburg und der Großregion gibt es alternative Angebote.

Der Weltranglisten-Erste Magnus Carlsen lud mit Fabiano Caruana (USA, Nummer 2), Liren Ding (China, 3), Ian Nepomniachtchi (Russland, 4), Maxime Vachier-Lagrave (Frankreich, 5), Anish Giri (Niederlande, 10), Hikaru Nakamura (USA, 18) und der Nummer 1 bei den Junioren, Alireza Firouzja (gebürtiger Iraner, 21), die Elite ein und sorgt mit dem illustren Feld für das derzeitige Highlight schlechthin. Noch bis zum 3. Mai wird hier der Sieger ermittelt, der immerhin 70.000 Dollar Preisgeld absahnt. Dabei bestehen die direkten Duelle aus vier Schnellschach-Partien, aus denen der Sieger mit drei Punkten hervorgeht.

Die Punktevergabe in der Vorrunde läuft wie beim Eishockey ab, denn bei Gleichspiel gibt es mit dem Armageddon (einer Blitzpartie, bei der Weiß gewinnen muss) ebenfalls eine Art Penaltyschießen, die dem Sieger zwei Punkte und dem Verlierer einen Zähler beschert. Nach der Vorrunde qualifizieren sich die vier besten Spieler für das Halbfinale. Hierfür haben sich Carlsen und Nakamura nach aktuellem Stand bereits einen komfortablen Vorsprung herausgespielt.

Was die Zuschauerrolle betrifft, so ändert sich abgesehen von der verkürzten Kadenz die Verfolgung der Partie nicht so sehr. Bei den Live-Brettern sieht man ohnehin immer die digitalen Figuren zur besseren Übersicht, nur auf die möglicherweise beigeschaltete Kamera muss momentan verzichtet werden.
Da sich mit den verbesserten Netzverbindungen rund um die Welt Schachplattformen entwickelt haben, war die Spielwiese für die aktiven Schachspieler mit dem Gang in den Lockdown bereits vorhanden. Seit einem Monat dürfte die Anzahl der Partien jedoch in die Höhe geschossen sein.

Schachwelt in Luxemburg

So werden auf chess.com derzeit fünf Millionen gespielte Partien täglich registriert, während die Angebote auf der 2010 gegründeten und somit wohl aktuell modernsten Plattform Lichess deutlich mehr wahrgenommen werden. Am beliebtesten sind die Blitzpartien (3 Minuten + 2 Sekunden/Zug) mit der noch größeren Herausforderung der „Bullet“-Kadenz, bei der die Kontrahenten nur über eine Bedenkzeit von einer Minute für die gesamte Partie verfügen. Entweder in Einzelpartien oder in Turnieren kann sich mit Gegnern aus der ganzen Welt gemessen werden.

Um den Betrieb aufrechtzuerhalten, sind viele luxemburgische Vereine in den letzten Wochen online aktiv geworden. So organisierte Dommeldingen-Beggen bereits einige Turniere über Lichess und hat mit durchschnittlich 20 Teilnehmern durchaus Erfolg. Gleiches gilt für die Vereine Strassen und Roeser, die jeden Samstag Jugendturniere veranstalten und mit bis zu 50 Startern ebenfalls regen Zulauf haben. Mit Differdingen ergriff zudem der erste Verein die Initiative, ein regulär geplantes Turnier (am Wochenende vom 2./3. Mai geplant) auf die Plattform Lichess zu verschieben.

Am vergangenen Sonntag waren über 50 Spieler gemeldet, während das Jugendturnier am kommenden Sonntag zum regulären Termin stattfindet. Vorstandsvorsitzender Jerry Hartung gibt hierbei noch weitere Einblicke in das Differdinger Vereinsleben: „Mittlerweile haben wir die Trainingseinheiten von Freitagabend und Sonntagmorgen in eine geschlossene Gruppe in Lichess integriert, wo unsere Vereinsmitglieder entweder gegeneinander spielen oder gemeinsam Aufgaben lösen können. Zusätzlich bietet unser Großmeister Yannick Pelletier mittwochs eine Trainingseinheit als Präsentation in einer Videokonferenz an.“ Der Differdinger sieht hierbei sogar einen positiven Trend bei seinen Spielern: „Viele nehmen an allen Einheiten teil und zeigen so zum Teil eine deutlich höhere Aktivität.“

Neue Situation für Profispieler

Aufgrund der Unsicherheit, wann der reguläre Betrieb – mitsamt Schutz der älteren Generationen sowie Reisen der ausländischen Spieler zu Turnieren und Mannschaftsmeisterschaften – wieder aufgenommen werden kann, stellen sich die professionellen Spieler viele Fragen im spielerischen und finanziellen Bereich.

Der frühere Jugendweltmeister Aryan Tari, derzeit die Nummer 143 der Welt, sieht es schon als komplette Wettkampfpause: „Alle Topspieler haben sich nun dazu entschlossen, online zu spielen, aber für mich persönlich sind die Unterschiede doch groß. Es fehlen einfach die psychologischen Effekte, die einsetzen, wenn man über Stunden mit dem Gegner am Brett spielt – etwas, das den Sport mit prägt.“ Der norwegische Großmeister, der eigentlich im Juni erstmals auf die gesamte Weltelite im geschlossenen Turnier „Altibox Norway Chess“ treffen wollte und nun auf einen neuen Termin im Oktober hofft, sieht die Gefahren auch in der eigenen Motivation: „Natürlich trainiert jeder viel von zu Hause aus, aber ich finde es immer schwieriger, wenn kein klares Ziel vorhanden ist. Wenn sich die Pause immer weiter verlängert, wird ebenfalls der Spielrhythmus raus sein, aber das zählt wiederum für alle Spieler.“

Die finanzielle Komponente, die mit den Ausfällen von Preis- und Startgeldern fast ausschließlich die Spieler betrifft, fiel Großmeister Sébastien Feller auch sofort auf: „Ich habe schon einige Kollegen in meiner Spielstärke beobachten können, die nun erstmals überhaupt den Schritt zum Trainer wagen.“ Das Anbieten des eigenen Wissens scheint nämlich der einzige Weg zu sein, um überhaupt noch Geld mit dem Schachspielen zu verdienen.

Weitere Angebote

Der Franzose, der wenige Kilometer südlich von Düdelingen wohnt und für Luxemburg 1915 aktiv ist, hat selber im letzten Monat Trainingsstunden angeboten, dies jedoch nicht direkt aus finanziellen Gründen: „Ich habe mich zum Glück Anfang des Jahres entschieden, neben dem Schach einen Job anzunehmen, und bin somit abgesichert. Ich habe bereits vorher einige Spieler trainiert, aber mit den Ausgangsbeschränkungen und dem Plus an Zeit auf beiden Seiten habe ich beschlossen, mehr anzubieten.“

Man sieht derzeit auch viele weitere Initiativen in der Großregion. So startete die FIDE-Meisterin bei den Frauen, Anna Endress aus Rheinland-Pfalz, mit „Annas Schachschule“ einen neuen YouTube-Kanal, auf dem sie gezielt Anfänger anspricht. Für Endress, die im „Faszination Schach“-Projekt von Großmeister Sebastian Siebrecht aktiv ist und sich somit der Förderung von Kindern widmet, lag der Grund auf der Hand: „Ich wollte etwas Sinnvolles in Zeiten von Corona schaffen. Über meine Mutter als Erzieherin und meinen Freund als Förderschullehrer habe ich mitbekommen, dass viele Eltern sinnvolle Beschäftigungen für ihre Kinder suchen.  Da schien mir der Schachkanal für Anfänger, speziell für Kinder, perfekt.“

Die Deutsche will ihr Angebot noch erweitern: „Die Zielgruppe besteht derzeit aus Kindern, die anfangen wollen, Schach zu spielen – doch ich will auch erfahreneren Spielern etwas anbieten und möchte somit Videos hochladen, in denen ich klassische Partien analysiere und Blitzpartien eigens kommentiere.“

Da kein Ende der Schachpause in Sicht ist, wird es wohl in den kommenden Wochen und Monaten bestimmt weitere Initiativen geben. 

Links

Magnus Carlsen Invitational
www.magnuscarlsen.com/en/invitational
Beliebte Schachserver
Chess.com (über 100.000 Benutzer gleichzeitig online): www.chess.com/
Lichess (> 50.000): lichess.org/
chess24 (etwa 10.000): chess24.com/de/spielen/schach
Playchess (etwa 1.000): play.chessbase.com/en/
Tutorials für Anfänger
YouTube-Kanal: Annas Schachschule