Florian Klenk hätte am nächsten Donnerstag einen großen Auftritt gehabt. Als einer der wenigen, die das von der Süddeutschen Zeitung nur in kurzen Auszügen veröffentlichte Skandalvideo in voller Länge gesehen haben, sollte der Falter-Chefredakteur zum Auftakt des Ibiza-Untersuchungsausschusses im Nationalrat erzählen, was die beiden unfreiwilligen Hauptdarsteller – Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und sein Ex-Parteifreund Johann Gudenus – in diesem zwölfeinhalb Stunden langen Film an noch nicht Bekanntem von sich gegeben haben.
Auf diese Schilderungen sind die Abgeordneten nicht mehr angewiesen. Denn sie können nun mit eigenen Augen sehen, was sich im Juli 2017 in der verwanzten Villa auf Ibiza abgespielt hat. Am Mittwoch gab die Staatsanwaltschaft Wien bekannt, dass die „Soko Tape“ das ungekürzte Video gefunden habe. Und zwar auf einem Microchip, das bei einem Bekannten des mutmaßlichen Videofallenstellers Julian H. sichergestellt worden war.
Gleichzeitig veröffentlichte das Bundeskriminalamt ein Fahndungsfoto jener Dame, die Strache als vermeintliche russische Oligarchen-Nichte mit ihren körperlichen und vorgeblichen finanziellen Reizen dazu gebracht hatte, sich mit detaillierten Ausführungen über das korrupte Potenzial der FPÖ um Kopf und Kragen zu reden.
Sogar Strache freut sich
Trotzdem äußerte sich gestern sogar der mit einer neuen Partei schon am Comeback arbeitende Ex-Vizekanzler erfreut über das Auftauchen des Ibiza-Longcuts. Denn nun seien „die Ermittler nicht mehr ausschließlich auf die Hintermänner oder die Bücher von Journalisten angewiesen“. Dass die bisher unveröffentlichten Videosequenzen – wie von Strache behauptet – die große Entlastung enthalten, ist nicht zu erwarten. Das hat Klenk schon in Abrede gestellt.
Strache konzentriert sich bei seiner Autoabsolution aber ohnehin weniger auf Fakten als vielmehr auf die Behauptung, ihm seien Drogen ins Redbull-Getränk gemischt worden. Außerdem sei die Videofalle ein krimineller Komplott gewesen. Das bestätigt Soko-Leiter Dieter Csefan sogar. Die Gruppe um einen Wiener Anwalt habe eine „kriminelle Vereinigung“ mit dem Ziel gebildet, das Video weiterzuverkaufen. Demnach war also nicht etwa das hehre Ziel, den FPÖ-Chef der Bestechlichkeit zu überführen, sondern simple Geldgier die Triebfeder des Ibiza-Projektes. „Laut dem derzeitigen Ermittlungsstand kann eine Fremdfinanzierung oder ein nachrichtendienstlicher Hintergrund ausgeschlossen werden“, betont Csefan. Das Opfer einer großen Verschwörung ist Strache also wohl auch nicht.
Alle Parteien zeigten sich hocherfreut, nun nicht auf Klenks Schilderungen angewiesen zu sein. Einhellig forderten sie die Ermittlungsbehörden auf, das Video dem Ausschuss zur Verfügung zu stellen. Die Freude auf neue Erkenntnisse könnte allerdings auch getrübt werden. Denn Strache und Gudenus haben in den vielen Stunden vieles von sich gegeben, was nicht nur für die FPÖ unangenehm werden könnte. Bekannt ist, dass Strache diverse Gerüchte über Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zum Besten gegeben hat. Worum es dabei konkret ging, ist bislang unbekannt. Die Süddeutsche hat nämlich Sequenzen, die den höchstpersönlichen Lebensbereich von Dritten betreffen, ausgespart. Dieser ethische Schutzschirm wird nun löchrig. Denn selbst wenn das ganze Video im Ausschuss nicht öffentlich gezeigt werden sollte, werden es viele sehen, die nur darauf warten, die eine oder andere Ibiza-Bombe auf politische Gegner zu werfen.
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