Großbritannien„Ich war gefangen“: Fernsehbeichte von Harry und Meghan – wie reagiert der Palast?

Großbritannien / „Ich war gefangen“: Fernsehbeichte von Harry und Meghan – wie reagiert der Palast?
„Märchenhaftes Leben“: Harry und Meghan während des Interviews mit US-Moderatorin Winfrey  Foto: dpa/Joe Pugliese/Harpo Productions

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Aus ihrer Zurückgezogenheit heraus erheben Harry und Meghan schwere Vorwürfe gegen die Royals. Das wirkt alles etwas larmoyant – und stellt das Königshaus trotzdem in ein schlechtes Licht. 

Übers Wochenende haben die Briten erfreuliche Nachrichten über die Befreiung einer jungen Frau erhalten. Die britisch-iranische Projektarbeiterin Nazanin Zaghari-Ratcliffe wurde 2016 in ihrem Geburtsland verhaftet und zu einer fünfjährigen Gefängnisstrafe wegen angeblicher Verstöße gegen die nationale Sicherheit des Iran verurteilt.

In Wirklichkeit, so legt es das Benehmen des Teheraner Regimes nahe, diente die Angestellte der Reuters-Stiftung als diplomatische Geisel im Streit mit Großbritannien um eine dreistellige Millionensumme. Ihr Mann Richard machte mit einem wochenlangen öffentlichen Hungerstreik auf das Schicksal seiner Frau aufmerksam. Das letzte Jahr ihrer Strafe verbrachte die 42-Jährige im Teheraner Hausarrest, am Sonntag konnte sie endlich die Fußfessel ablegen.

Von Zaghari-Ratcliffe gibt es einstweilen keine aktuellen Äußerungen. Hingegen waren am Sonntag die Zeitungen, am Montagvormittag Radio- und TV-Stationen voll von dem Interview einer beinahe Gleichaltrigen. Im Gespräch mit der US-Talkkönigin Oprah Winfrey suggeriert die Amerikanerin Meghan Markle, auch sie habe so etwas wie Gefangenschaft erlebt, und ihr Gatte Prinz Harry bestärkt sie darin.

Kein Pass, kein Schlüssel

„Ich war gefangen, aber ich wusste das nicht einmal“, teilt der 36-Jährige mit. Erst die Flucht nach Kalifornien im vergangenen Jahr habe ihm ein „märchenhaftes Leben“ an der Seite seiner Frau ermöglicht. Hingegen existieren sein Vater Charles und sein Bruder William, der Erste und Zweite der Thronfolge, auch weiterhin in einem unbewussten Zustand der Gefangenschaft.

Die Herzogin von Sussex schildert Szenen aus ihrer kurzen Amtszeit als arbeitendes Mitglied der Königsfamilie, die langjährige Beobachter der Windsor-Dynastie stark an ihre verstorbene Schwiegermutter Diana erinnern. Auch sie habe sich eingeengt gefühlt, ohne Pass, Führerschein und Schlüssel; 2018 habe sie sogar mit Suizid-Gedanken gespielt. Weder ein „hohes Mitglied“ der Königsfamilie noch die Personalabteilung des Buckingham-Palastes habe Hilfe angeboten. Aber war die langjährige Schauspielerin wirklich nicht in der Lage, von sich aus Hilfe zu suchen und entsprechende Therapiesitzungen durchzusetzen?

Die erste Seite gebucht: der britische Blätterwald am Montagmorgen
Die erste Seite gebucht: der britische Blätterwald am Montagmorgen Foto: dpa/Kirsty Wigglesworth

Verheerend wirkt auch Markles Behauptung, ein nicht genanntes Mitglied der Königsfamilie habe sich darüber Gedanken gemacht, „wie dunkel die Hautfarbe“ ihres damals noch ungeborenen Sohnes Archie ausfallen werde. Die Schwangere selbst war nicht Teil dieser Konversation, sondern gab Harrys Version weiter. Dass die beiden Winfreys Nachfragen nach dieser Person abwehrten, stellten sie als Schutz der Institution dar. In Wirklichkeit würde es natürlich einen beträchtlichen Unterschied machen, ob der 99-jährige Prinz Philip sich einen seiner notorisch schlechten Witze erlaubt oder die 39-jährige Herzogin von Cambridge, Kate Middleton, diese Art von Rassismus offenbart hatte.

Kirche in der Bredouille

Für den Rest der Menschheit kaum interessant, für die anglikanische Gemeinschaft hingegen von hoher Brisanz ist ein weiteres Detail aus dem Winfrey-Gespräch. Die weltweit übertragene Hochzeit in der Schlosskirche von Windsor habe falsche Tatsachen vorgegaukelt, erläuterte Markle und berichtete, der Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, habe das prominente Paar schon einige Tage zuvor getraut. „Nur wir drei“, erläuterte der Prinz später und beschwor damit erheblichen Erklärungsbedarf für das geistliche Oberhaupt der Anglikaner weltweit herauf.

Da ist viel Schmerz entstanden

Harry, über die Beziehung zu seinem Vater Charles

Denn wer nach den Riten der englischen Staatskirche heiratet, muss in Großbritannien nicht aufs Standesamt. Genau deshalb gehören zu einem korrekten Traugottesdienst normalerweise zwingend Zeugen hinzu. Entweder hat also das herzogliche Paar eine Generalprobe der Zeremonie falsch verstanden. Oder Erzbischof Welby präsidierte einer wirksamen Trauzeremonie und beteiligte sich einige Tage später an einer Glamour-Show ohne religiöse und staatliche Bedeutung.

Für die Zukunft der Monarchie schwerer wiegt Harrys Angriff auf seinen Vater Charles: Von diesem sei er schwer enttäuscht worden, weil der Thronfolger nach dem Umzug des Herzogpaares die Annahme von Anrufen verweigert habe. „Da ist viel Schmerz entstanden. Ich werde auch weiterhin versuchen, diese Beziehung zu kitten“, sagt der Prinz im schönsten Psycho-Sprech.

Vater als Zielscheibe

Nicht ganz ungeschickt hat sich der 36-Jährige den doppelt so alten Vater als Zielscheibe seines Frustes gewählt. Ein Angriff auf die Queen käme weder bei Briten noch bei Amerikanern gut an, zu sehr genießt die 94-Jährige die Achtung vieler Menschen weltweit vor ihrer Lebensleistung. Auch den Bruder William, Zweiten der Thronfolge, frontal anzugreifen, würde jedenfalls auf der Insel wohl zu einer Gegenreaktion führen. Charles hingegen betrachten viele Briten ohnehin mit Skepsis, nicht zuletzt seiner Selbstbezogenheit und Larmoyanz wegen, die sich offenbar stufenlos auf die nächste Generation vererbt hat.

Riesen Einschaltquoten: Junge Amerikanerinnen schauen das Interview
Riesen Einschaltquoten: Junge Amerikanerinnen schauen das Interview Foto: AFP/Olivier Douliery

Zur Beurteilung des Zwists wären allerdings weitere Details nötig. Denn dass ein Quasi-Staatsoberhaupt – der 72-jährige Charles nimmt mittlerweile viele Pflichten wahr, die seine 94-jährige Mutter nicht mehr erfüllen kann oder will – gelegentlich für vermutlich nicht sonderlich erfreuliche Telefonate mit seinem Sohn nicht zur Verfügung steht: Ist das so verwunderlich? Um beurteilen zu können, ob es sich hier um eine gesunde Abkühlungsphase oder doch an seelische Grausamkeit grenzende Abweisung handelte, müsste man Einzelheiten wissen: Um wie viele Anrufe ging es? In welchem Zeitabstand erfolgten sie? In welchen Zeitraum fielen sie?

Viel Stoff für Therapeuten

Viel Stoff für einen Therapeuten. Muss und will aber die Öffentlichkeit wirklich daran teilhaben? Die Frage zu stellen heißt, sie zu beantworten. Ohnehin wird die Öffentlichkeit keine Antwort erhalten, jedenfalls dann nicht, wenn die altgedienten Royals und ihre Berater gemeinsam noch einen Funken Verstand haben. Die Entfremdung vom Sechsten der Thronfolge und seiner Celebrity-Gattin in Kauf genommen zu haben, ist eine Sache. Nun noch nachzutreten, verliehe dem traurigen Konflikt eine ganz andere Dimension, die man allen Beteiligten wirklich nicht wünschen kann.

Das Herzogspaar bereitet sich jetzt in seiner geräumigen Villa an der amerikanischen Westküste auf die Geburt einer Schwester für Archie vor. Ob sich die Briten nach tagelangem PR-Trommelfeuer nun wieder wichtigeren Themen zuwenden können? Nazanin Zaghari-Ratcliffe zum Beispiel muss sich kommende Woche erneut wegen dubioser Delikte vor einem iranischen Gericht verantworten.

Lucilinburhuc
9. März 2021 - 14.11

Könige, Herzoge, Duces, Duchessen, Alles abschaffen. Nicht artgerechte Haltung von Menschen in goldenen Käfigen.

HTK
9. März 2021 - 8.24

Lese gerade den Titel " Zwei Drittel der Regenwälder zerstört." DAS ist ein Thema.Was denkt der Palast dazu?