WahlmanipulationSerbische Wiederholungstäter – Erneut werden Phantomwähler aus der Provinz nach Belgrad gekarrt

Wahlmanipulation / Serbische Wiederholungstäter – Erneut werden Phantomwähler aus der Provinz nach Belgrad gekarrt
Serbiens Präsident Aleksandar Vucic  Foto: AFP

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Serbiens Wahlfälscher können von den erprobten Manipulationen mit den Wahlregistern offenbar nicht lassen. Noch ist der Termin für die wegen massiver Verfälschungen nötige Neuwahl des Belgrader Stadtrats nicht angesetzt. Doch schon jetzt werden erneut Phantomwähler aus der Provinz in Marsch gesetzt.

Wochenlang bestimmten die aus der Provinz und selbst aus den Nachbarstaaten angekarrten Phantomwähler mit fiktiven Belgrader Meldeadressen beim EU-Anwärter Serbien die Schlagzeilen und politischen Debatten. Doch trotz harter Rügen der Wahlbeobachter des Europarats, des Europaparlaments und der OSZE an den von ungewohnt offenen Manipulationen überschatteten Kommunal- und Parlamentswahlen im Dezember können oder wollen Serbiens gewiefte Wahlfälscher von ihrem vertrauten Handwerk offenbar nicht lassen.

Noch ist der für Ende April erwartete Termin für die nach der Welle der Kritik an den massiven Verfälschungen beschlossene Neuwahl des Belgrader Stadtrats nicht angesetzt. Doch schon jetzt werden laut den Recherchen des unabhängigen Kabel-TV-Senders „N1“ erneut Phantomwähler aus der Provinz im Dienst der Macht zur Registrierung in der umkämpften Hauptstadt in Marsch gesetzt.

Kein „lächerliches Gerede“

In einer am Wochenende ausgestrahlten Reportage fingen die Kameras des Senders ein gutes Dutzend von älteren, ärmlich gekleideten Bewohnern des 64 Kilometer östlich der Hauptstadt gelegenen Provinzdorfs Mala Krsna ein, die im Belgrader Stadtteil Vozdovac als Wähler registriert werden sollten. Gegenüber N1 nannte ein verpixelter, zu Hause gebliebener Dorfbewohner auch den Sold für die Teilnahme an der von lokalen Geschäftsleuten aus dem Umfeld der regierenden SNS organisierten Wählerwanderung: Für ihre kurzzeitige Ummeldung erhielten die Ausflügler 2.000 bis 2.500 Dinar (17 bis 21 Euro).

Sehr gesprächig zeigte sich der die Dorfbewohner begleitende Betreiber eines Freizeitparks in Smederevo gegenüber den N1-Reportern nicht. Auch Belgrads Würdenträger schwiegen sich fast zwei Tage lang zur TV-Reportage aus, bevor der allgewaltige Präsident Aleksandar Vucic den dokumentierten Versuch des Wählertransfers als „lächerliches Gerede“ bezeichnete.

Zur schlechten Laune hat der autoritär gestrickte Landesvater allen Grund. Schon die durch die Welle der Kritik aus dem In- und Ausland erzwungene, aber offiziell mit den fehlenden Mehrheiten begründete Wiederholung der Belgrader Skandalwahl ist für seine SNS ein peinlicher Gesichtsverlust. Auch mit seinen unflätigen Wuttiraden gegen missliebige EU-Politiker wie den österreichischen Europaparlamentarier Andreas Schieder (SPÖ) verspielt der russophile Vucic auf dem europäischen Parkett stets mehr Kredit.

Der manipulierte Urnengang in Belgrad sei „sauber wie eine Träne“, die angebliche Niederlage der Opposition in der Hauptstadt „sonnenklar“ gewesen, beteuert Vucic erneut. Die TV-Dokumentation über die erneute Wählerwanderung werten derweil unabhängige Medien als Hinweis, dass die SNS trotz der Ermahnungen der OSZE und der drohenden Einfrierung von EU-Vorbeitrittsmitteln dazu entschlossen ist, außer den Wahlen auch die erprobten Manipulationen zu wiederholen. „Die Phantome aus Mala Krsna sind der Beweis, dass die Machthaber vom Wahlraub nicht ablassen“, titelte am Wochenende die Belgrader Zeitung Nova.

Abgreifen öffentlicher Mittel

In der Hauptstadt stehen für die SNS die ertragreichsten Pfründe des Landes auf dem Spiel. Am ganz großen Geldrad wird in Belgrad schon jetzt mit milliardenschweren Großprojekten für die Expo 2027 gedreht, aus deren Anlass nicht nur das Messegelände von der Save an den Flughafen verlagert, sondern auch ein neues Nationalstadion aus dem Boden gestampft werden soll.

Dank eines bereits im Oktober verabschiedeten Sondergesetzes sollen die Vorhaben – ähnlich wie beim völlig intransparenten Bau des Luxusviertels „Belgrad am Wasser“ – ohne öffentliche Ausschreibungen und mit verkürzten Genehmigungsverfahren realisiert werden. Vor dem Abfluss öffentlicher Mittel in tiefe Partei- und Privattaschen und dem Risiko von „künstlich aufgepumpten Preisen“ warnt angesichts der mangelnden Kontrollmöglichkeiten die Anti-Korruptionsorganisation „Transparency International“.

Doch ein Wahlsieg der Opposition in Belgrad könnte der SNS die Verteilung des fetten Expo-Bratens erschweren: Weil in der Hauptstadt im Gegensatz zur Provinz auch unabhängige und regierungskritische Kabel-TV-Sender zu empfangen sind, erfreut sich die Opposition in Belgrad eines merklich stärkeren Wählerzuspruchs als im Rest des Landes. Mit aus anderen Regionen importierten „Phantomwählern“ versuche die SNS den drohenden Machtverlust in Belgrad abzuwenden, so die Opposition. Seinen Kritikern gehe es nur darum, „Serbien zu zerstören“, wettert hingegen der genervte Präsident.