GrenzgemeindenÜber drei Brücken kann man gehen: Was Echternach und Echternacherbrück verbindet

Grenzgemeinden / Über drei Brücken kann man gehen: Was Echternach und Echternacherbrück verbindet
Seit rund fünf Jahren ist der 67-jährige Gerhard Krämer Ortsbürgermeister von Echternacherbrück und kennt das benachbarte Echternach gut Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Nicht über sieben, aber über drei Brücken kann man gehen, wenn man von Echternach in Luxemburg nach Echternacherbrück in Deutschland gelangen will – und umgekehrt. Die beiden Orte verbindet aber mehr als das, wie das Gespräch mit dem Bürgermeister der deutschen Grenzgemeinde, Gerhard Krämer, zeigt. Er kennt auch die Herausforderungen, die die Nähe zum Großherzogtum mit sich bringt.

Tageblatt: Sie selbst leben seit 50 Jahren Seite an Seite mit den Menschen aus Luxemburg. Lediglich die Sauer trennt das Deutsche Echternacherbrück mit Echternach im Nachbarland. Was verbindet die beiden Orte? 

Gerhard Krämer: Mit rund 70 Prozent ist Echternacherbrück die Gemeinde mit dem größten Ausländeranteil von den 66 Orten, die zu der Verbandsgemeinde Südeifel gehören. Rund 20 verschiedene Nationen leben bei uns: Menschen aus Madagaskar, Vietnam und natürlich aus vielen europäischen Ländern. Von etwa 760 Ausländern kommen rund 400 aus Luxemburg. Wir haben drei Brücken im Ort, über die man ganz einfach und schnell nach Echternach gelangt. Das sehe ich als Vorteil. 

Die Nähe zu Luxemburg ist in Ihren Augen also ein Plus? 

Ja, so sehe ich es. Wir haben alle Vorteile einer Stadt, ohne allerdings in einer zu leben: Apotheken, Einkaufsmöglichkeiten oder Restaurants. Die Auswahl in einer Stadt ist einfach größer als auf dem Dorf. Das gilt auch für das Freizeitangebot: Wir brauchen nur über eine Brücke zu gehen und können uns im Echternacher Trifolion zum Beispiel Konzerte ansehen, für die man sonst nach Düsseldorf, Köln oder Saarbrücken fahren müsste. Diese Verbindungen sind einfach praktisch – ob es nun um das Einkaufen oder die Freizeit geht.

Echternacherbrück ziehen also einen Nutzen aus der Nähe zum Großherzogtum. 

Seit 1975 lebt Gerhard Krämer in Echternacherbrück, ist seit etwa 15 Jahren im Gemeinderat und seit rund fünf Jahren Ortsbürgermeister. Bei der kommenden Kommunalwahl tritt er aus Altersgründen nicht mehr an.
Seit 1975 lebt Gerhard Krämer in Echternacherbrück, ist seit etwa 15 Jahren im Gemeinderat und seit rund fünf Jahren Ortsbürgermeister. Bei der kommenden Kommunalwahl tritt er aus Altersgründen nicht mehr an. Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Und umgekehrt: Auf unserem gemeindeeigenen Campingplatz gibt es rund 450 Stellplätze. Wenn Menschen bei uns übernachten, ist das auch ein Gewinn für Echternach. Den Gästen kommt andererseits die Stadt mit all ihren Möglichkeiten zugute. Hinzu kommt der öffentliche Nahverkehr, der in Luxemburg kostenlos ist. Ein solches Angebot nehmen Touristen gerne an. Erst heute Morgen erhielt ich eine Anfrage von einem Mann, der sich erkundigte, ob das denn wirklich auch für Menschen gilt, die nicht in Luxemburg leben. Der kostenlose, öffentliche Transport in Luxemburg ist durchaus ein Argument dafür, hier Urlaub zu machen.

Und es gibt weitere Verknüpfungen.

Die Kläranlage in Echternach wird von der Gemeinde und einem Zusammenschluss Deutscher Kommunen genutzt. In einer Brunnenstube wird bei uns Quellwasser gesammelt, das dann über eine Leitung nach Echternach fließt – um dort im Park die Brunnenanlagen zu betreiben. Neben diesen neueren Verbindungen gibt es noch die in der Geschichte: Die ersten Siedler waren Luxemburger Staatsangehörige, die herkamen, weil es drüben zu eng wurde. Lange Zeit hatte der Ort keine eigene Feuerwehr und keine eigene Schule, denn das gab es in Echternach. Als es auf den Zweiten Weltkrieg zuging, ging das nicht und es wurde hier 1936 die Schule gebaut. Übrigens ist es nie negativ gemeint, wenn ich „drüben“ sage. Wir waren immer schon miteinander verbunden und sind es auch heute noch. 

Was bringt die Nähe zu Luxemburg mit sich? 

Viele Eifeldörfer leiden unter dem Wegzug der jungen Leute – das Problem haben wir nicht. Viele arbeiten in Luxemburg und wenn sie weiter weg wohnen und näher an ihrem Arbeitsplatz sein wollen, ziehen sie hierhin. Denn die Baugrundpreise in Luxemburg sind einfach astronomisch hoch. Als Bürgermeister kann man sich über Zuwachs nur freuen, deshalb werte ich das als positiv. Übrigens sieht man bei den Supermärkten hier in der Umgebung oft aber auch gelbe Nummernschilder, weil das Einkaufen einfach günstiger ist. 

Nicht von allen gern gesehen: die neuen Komplexe, die in der Bollendorfer Straße in Echternacherbrück zusätzlichen Wohnraum schaffen sollen
Nicht von allen gern gesehen: die neuen Komplexe, die in der Bollendorfer Straße in Echternacherbrück zusätzlichen Wohnraum schaffen sollen Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Sie begrüßen den Zuwachs, andere sehen diesen eher kritisch. So freuten sich nicht alle über den Bau mehrerer Wohnkomplexe in der Bollendorfer Straße. 

Manche finden, dass die Gebäude nicht ins dörfliche Erscheinungsbild passen und diese entsprechen vielleicht nicht jedermanns ästhetischem Empfinden. Das hört man schon öfters. Als umweltbewusst denkende Person muss ich allerdings berücksichtigen, dass der Flächenverbrauch unheimlich groß wäre, wenn alle in einem eigenen Einfamilienhaus leben wollten.  

Über welche Probleme muss sich der Bürgermeister einer Grenzgemeinde Gedanken machen?

Die Integration kann zur Herausforderung werden, vor allem, wenn zu schnell viele Fremde zuziehen. Viele Menschen hier kommen eigentlich aus Consdorf, Rosport oder Steinheim und haben dann auch dort ihre Vereine. Wenn in dem Luxemburger Ort dann ein Fest stattfindet, gehen sie dahin. Das ist eine Feststellung und nicht unbedingt negativ gemeint. In Echternacherbrück haben wir aber auch eine beliebte Fastnachtsveranstaltung, zu der auch viele Luxemburger kommen. Die wohnen dann aber nicht unbedingt alle hier: Einer lebt dann in Echternacherbrück und fragt Freunde, ob sie mitkommen wollen.

Wohnen, Soziales – wie sieht es mit der Kinderbetreuung aus?

Da ist es ähnlich: Wenn Kinder denn in einem Club Mitglied sind, befindet dieser sich meist in Luxemburg. Da sie dort oft eine Meldeadresse haben und dort zur Schule gehen, lernen sich die gleichaltrigen Kinder hier manchmal gar nicht kennen. Auch das ist kein Vorwurf, es ist nur einfach so. Und das ist hier dann auch anders als sozusagen in einem „normalen“ Dorf. Wir planen eigentlich ständig größer, als der eigentliche Bedarf ist: Während es in den Kitas und Schulen in Luxemburg nicht mit den Plätzen ausreicht, werden bei uns welche nicht besetzt. Für Nikolaus hatten wir 75 Tüten vorbereitet, es kamen aber nur 30 Kinder ihre abholen. 

Möglichkeiten zum Kennenlernen gibt es. Das sogenannte Brückenfest ist in beiden Orten beliebt. Um was geht es dabei?

Auf der ehemaligen Grenzbrücke zwischen den beiden Orten werden am 31. Mai wieder Bänke und Tische aufgestellt – für ein gemeinsamen Essen zwischen Nachbarinnen und Nachbarn
Auf der ehemaligen Grenzbrücke zwischen den beiden Orten werden am 31. Mai wieder Bänke und Tische aufgestellt – für ein gemeinsamen Essen zwischen Nachbarinnen und Nachbarn Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Etwa 2016 oder 2017 haben wir die Idee des europäischen Nachbarschaftstags aufgegriffen. Es geht darum, die eigenen Nachbarn kennenzulernen. Auf der alten Grenzbrücke – als Symbol der Verbindung beider Länder – organisieren wir das Brückenfest. Dieses Jahr übrigens am 31. Mai. Bänke und Tische werden dann entlang der Brücke aufgestellt und es wird gemeinsam gegessen. Damit es nicht mehr „die Ausländer“ oder „déi houer Preisen“ sind, sondern Jeff oder Jos. Da stand ich auch schon zusammen mit Yves im Bierstand. Bei solchen Veranstaltungen lernt man sich besser kennen.

Yves Wengler (CSV), den früheren Bürgermeister von Echternach, meinen Sie. Der Draht zur Nachbargemeinde scheint gut zu sein?

Mit Yves bin ich per du, wir haben uns bereits vor seiner Amtszeit als Bürgermeister privat gekannt. Durch den Sport waren wir immer wieder in Kontakt und insgesamt war der Austausch mit Echternach immer da. Ich kenne auch den Vater von der neuen Bürgermeisterin, Carole Hartmann (DP), gut. Bei uns im Gemeinderat haben wir übrigens einen Luxemburger, nach der Gemeindewahl im Juni werden es zwei sein. Auch eine Frau aus Österreich ist dabei. Man lebt hier zusammen und kennt den Nachbarn, die Nationalität spielt da keine Rolle. 

 Grafik: Tageblatt

Grenzgemeinden-Serie

Wie erleben unsere Nachbarinnen und Nachbarn die Nähe zu Luxemburg? Das Tageblatt hat in sechs Gemeinden aus der Umgebung nachgefragt. Jeweils samstags können Sie das Interview mit einem Bürgermeister aus der Grenzregion lesen.


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